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Die Chefs der deutschen Mini-Geheimdienste im Doppel-Interview

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Bild: nitpicker/shutterstock.com

Kommentar

Die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz sitzen in der Lobby des BND-Prachtbaus und beantworten Fragen von Reportern, ohne wirklich konkrete Antworten zu geben.

Thomas Haldenwang vom BfV ist gelernter Jurist und Verwaltungsbürokrat. Genauso wie Kahl vom BND. Wie aus drögen Bürokraten innerhalb weniger Jahre plötzlich qualifizierte Geheimdienstchefs werden können, ist wohl ein Geheimnis.

Haldenwang tönt:

Etwas möchte ich ergänzen. Wohl nirgendwo auf der Welt wird Datenschutz so großgeschrieben und so ernst genommen wie in Deutschland.

Der dänische Geheimdienst, so wurde kürzlich enthüllt, soll bis zum Jahr 2014 der amerikanischen NSA beim Ausspionieren hochrangiger europäischer Politiker geholfen haben. Zielobjekte waren Bundeskanzlerin Angela Merkel, der ehemalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der frühere Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Der dänische Dienst hatte der NSA Zugang verschafft zu Daten aus Unterseekabeln. Merkel ist es egal. Haldenwang meint im Interview, dass NSA-Skandale halt einfach keine deutschen Skandale seien:

Bei Snowden und seinen Vorwürfen gegen die NSA handelte es sich nicht um einen deutschen Skandal, das war in erster Linie ein amerikanischer Skandal.

Der Spiegel schrieb vor Jahren:

„Aus einer vertraulichen Klassifizierung geht hervor, dass die NSA die Bundesrepublik zwar als Partner, zugleich aber auch als Angriffsziel betrachtet. Demnach gehört Deutschland zu den sogenannten Partnern dritter Klasse.“

Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 13. September 2013 zufolge liefert das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) regelmäßig vertrauliche Daten an die NSA und arbeitet mit acht weiteren US-Diensten zusammen.

Leider erfahren wir nicht, was Haldenwang denkt zu den Geheimgefängnissen der USA in und außerhalb Europas mitsamt „erweiterten Verhörmethoden“ aus der Ära von Präsident Bush und des Kriegs gegen den Terror. Haldenwang meint:

Die größte Gefahr für unsere Sicherheit sowie für unsere Demokratie ist aktuell der Rechtsextremismus. Unter diesen Begriff fallen terroristische Strukturen ebenso wie die klassische Szene mit ihren Kameradschaften und Parteien.

Abgesehen von Teilen der AfD ist die rechtsextreme Szene so gut wie tot. Der Verfassungsschutzbericht 2019 gibt zu, dass man sich hier mit einer fast bedeutungslosen Gruppierung beschäftigt:

Den Rechtsextremismus lange prägende und tragende Parteistrukturen zum Beispiel von „DIE RECHTE“, „Der III. Weg“ oder der NPD verlieren seit einigen Jahren zumindest an öffentlicher und elektoraler Bedeutung. Dies lässt sich auch durch teils stark sinkende Mitgliederzahlen belegen. Die NPD beispielsweise verliert seit 2016 jährlich circa 500 Mitglieder und hat derzeit weniger als 4.000 Mitglieder. Auch die fortgesetzt schwachen Wahlergebnisse untermauern den Bedeutungsverlust rechtsextremistischer Parteien und sind Indiz ihrer abnehmenden Kampagnenfähigkeit.

Da haben ja türkische Kulturvereine oder Kleintierzüchter mehr Mitglieder.

Im Jahr 2019 fanden erneut in Ostritz (Sachsen) auf einem bereits mehrfach für rechtsextremistische Veranstaltungen genutzten Gelände im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Schild & Schwert“ zwei größere Musik- und Rednerveranstaltungen statt. Anmelder und maßgeblicher Organisator der Veranstaltung war ein weiteres Mal der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Thorsten Heise. Am 23. März 2019 kamen hierzu circa 560 sowie am 21. und 22. Juni 2019 bis zu 700 Teilnehmer aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland zusammen.

Zum Vergleich: Das Cooper’s Hill Cheese-Rolling and Wake, eine Unterhaltungsveranstaltung in England, bei der die Teilnehmer einem Käselaib hinterher rennen, der einen Hügel herunterrollt, zieht 15.000 Leute an. Bei den Neonazi-Medien sieht es nicht besser aus:

Die Reichweite der wenigen verbliebenen rechtsextremistischen Periodika mit bundesweiter Bedeutung blieb auch im Jahr 2019 gering. Nur wenige Publikationen erreichen eine regelmäßige vierstellige Auflage, ebenso ist ihr Einfluss auf den gesamtgesellschaftlichen Diskurs unbedeutend.

Und die außerparlamentarischen Oppositionsgruppen sind auch am verhungern:

Die IBD sieht sich selbst als außerparlamentarische patriotische Jugendbewegung. Zurzeit verfügt sie über etwa 600 Mitglieder.

Kein Wunder, dass die extrem Rechten sich in der AfD festgebissen haben und nicht locker lassen wollen, denn die Partei ist das einzige Projekt, das den Hauch einer Bedeutung hat. Wenn die AfD aber der NPD zu ähnlich wird, werden die Wahlergebnisse auch immer ähnlicher.

Zu Russland heißt es:

Wir nehmen wahr, dass Russland seine Aktivitäten erheblich gesteigert hat. Das inzwischen erreichte Niveau kannten wir bislang nur aus Zeiten des Kalten Kriegs.

Was ist mit den Eurasien-Vorstellungen einflussreicher Politiker aus allen wesentlichen Parteien?

Die WELT AM SONNTAG fragt noch:

Es heißt, der Bundesnachrichtendienst beschäftige in der technischen Aufklärung etwa 1000 Mitarbeiter. In Großbritannien sollen es mindestens 5000 sein, in den USA weit mehr als 40.000.

Wenn Deutschland für die amerikanische NSA ohnehin nur ein „Partner dritter Klasse ist“ und ein „Angriffsziel“, dann überrascht es nicht, wenn Deutschland drittklassige Fähigkeiten hat und sich anscheinend auch nicht abschirmen kann oder will vor US-Diensten. Oder russischen.

AlexBenesch
AlexBenesch
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