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Der Narzissmus und der Verfolgungswahn im Hanau-Bekennerschreiben

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Der Autor des Hanau-Bekennerschreibens meinte, ein unsichtbarer Geheimdienst sei seit seiner Geburt hinter ihm her und könne sich in die Gedanken von Menschen einklinken und sogar Menschen steuern. Ihm seien Träume vom Geheimdienst “eingespielt” worden, die ihn vor 9/11 warnten. Er habe sich mit den unsichtbaren Agenten gestritten, weil sie ihm u.a. sein Beziehungsleben ruiniert hätten. Sein Strategieplan für den Sieg der weißen Rasse sei ihm von den USA gestohlen worden. Sogar den Fußballtrainer Jürgen Klopp will er telepathisch beeinflusst haben.

Solche Gedanken findet man gewöhnlicherweise bei Personen mit Verfolgungswahn und Schizophrenie. Es ist nicht unüblich, dass Paranoid-Schizophrene Versatzstücke aus den Verschwörungsmedien und aus Hollywood-Filmen in ihre Wahnvorstellungen einbauen und dass sie davon überzeugt sind, als Auserwählte eine Hauptrolle zu spielen in einer gigantischen Verschwörung.

In dem Manifest finden sich auch deutliche Hinweise auf Narzissmus, eine hochtrabende und unrealistische Großspurigkeit, die nicht zu vereinbaren ist mit seinem einsamen und ereignislosen Leben vor der Tat.

Er richtet seine Botschaft an „das gesamte deutsche Volk“ und sprach in seinen Youtube-Videos auch gezielt ein amerikanisches Publikum an. Im Prinzip wähnte er sich also im Besitz von weltbewegenden, exklusiven Informationen, die die Enthüllungen von Edward Snowden im Vergleich aussehen lassen wie einen „Kindergeburtstag“. Während Snowden reale Dokumente liefern konnte, liefert der Autor des Manifests nur Wahnvorstellungen.

Nicht nur ein gewöhnlicher Geheimdienst wie die CIA oder NSA sei hinter ihm her, sondern ein noch besserer bzw. wichtigerer. Einen rationalen Grund, warum sich überhaupt irgendjemand für ihn interessieren sollte in der Vergangenheit, kann er nicht nennen.

Nirgendwo in dem Manifest ist die Rede davon, dass er oder jemand aus seinem Umfeld die Möglichkeit in Betracht gezogen hätte, es handle sich um eine psychische Erkrankung bei ihm und er solle sich professionelle Hilfe holen. Schizophrene betrachten die Wahnvorstellungen nicht unbedingt nur als negativ, sondern als höchst spannend. Die Realität dagegen wirkt grau, langweilig und erbärmlich.

Er erklärt, als Bank-Azubi einen Banküberfall durch südländische Tatverdächtige am eigenen Leib erlebt zu haben. Dies müsste aktenkundig sein, ansonsten handelt es sich wohl eher um eine Wahnvorstellung oder um eine narzisstische Lüge. Fand der Überfall wirklich statt, könnte es seine Paranoia befeuert haben.

Seine Ansicht, dass ganze Völker, die er für unproduktiv hält, komplett vernichtet werden müssten in einer Säuberungsaktion, klingt wie die Haltung eines Psychopathen. Diese Maßnahme sei vor allem notwendig, um das mystische „Rätsel“ zu lösen, wie das Universum funktioniere. Er wollte also anscheinend mit den Göttern sprechen und ihnen ähnlicher werden, was ein weiteres deutliches Indiz ist für Narzissmus.

Zudem müssten wir eine „Zeitschleife“ fliegen und unseren Planeten zerstören, bevor vor vielen Milliarden Jahren das erste Leben entstand. Nichts Geringeres als Zeitreisen seien also zu bewerkstelligen.

Seine Ausführungen zu Geopolitk und Militär sind völlig belanglos und auf einem extrem niedrigen Niveau, obwohl er offenbar genügend Zeit gehabt hatte, sich dahingehend wirklich zu bilden. Es ist nicht vorstellbar, dass irgendjemand Interesse daran hatte, seinen erbärmlichen Ausführungen zu lauschen. Er betrachtet sich als eine Art Chefberater für eine neue (arische) Supermacht. Es ist nichts bekannt darüber, dass er auch nur die Qualifikationen aufwies, um ein Gefreiter zu sein. Der tiefe Graben zwischen Realität und Selbsteinschätzung, bis hin zu Allmachtsfantasien, ist ein typisches Merkmal des Narzissmus.

Weder in seinem Berufsalltag noch in seiner Freizeit konnte er irgendwelche Aufgaben leisten, die etwas mit Militär und Spionage zu tun hatten. Falls er versucht hat, andere Menschen in solche Gespräche zu verwickeln, wäre er selbst bei gewöhnlichen Verschwörungsinteressierten auf Ablehnung gestoßen, was wiederum seine Paranoia und seine Wut befeuert hätte. Auch die Erklärung, lieber auf Beziehungen zu Frauen verzichtet zu haben, weil ihm nur das Beste gerade gut genug war und „der Geheimdienst“ ihm alle Chancen auf das Beste vermasselt hätte, riecht nach malignem Narzissmus. Krankhaft unrealistisches Anspruchsdenken und die Weigerung, Verantwortung für das eigene Versagen zu übernehmen, sind typisch.

Anscheinend kam, was typisch ist für Schizophrenie, in der Studienzeit eine Häufung und Verschlimmerung der schizophrenen Gedanken und Halluzinationen:

[penci_blockquote style=“style-2″ align=“none“ author=““]Ich begann mit dieser Situation umzugehen und nach einigen Wochen fing ich an direkt in meiner Studentenwohnung mit den unsichtbaren Menschen zu sprechen. Ich wollte nicht direkt bei der Polizei eine Anzeige stellen, sondern erst einmal abwarten.[/penci_blockquote]

Er vermutet, dass er von wenigen tausend Menschen in Deutschland, die von den unsichtbaren Geheimdienstlern überwacht und bearbeitet werden, der einzige sei, der sich dieser Überwachung bewusst geworden sei und die Geheimdienstler gezielt angesprochen hätte. Er sei also die Elite der Elite, der besonderste unter den besonderen Menschen.

Mehrmals habe er über die Jahre hinweg erfolglos versucht, bei der Polizei Anzeige zu erstatten wegen dieser geheimdienstlichen Überwachung. Besonders der letzte Versuch 2019 könnte noch aktenkundig sein bzw. ein Polizeibeamter könnte sich theoretisch noch an ihn erinnern. Falls er die Anzeigen wirklich versucht hat, hätten die Beamten ihm wahrscheinlich geraten, psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Hürden, jemanden gegen seinen Willen einweisen zu lassen, sind hoch.

Auch bei der Staatsanwaltschaft in Hanau und bei der Generalbundesanwaltschaft sei er abgeblitzt. Er wurde auch abgewiesen von einem privat geführten Institut für „Remote Viewing“; darunter versteht man diverse Vorstellungen über quasi-telepathische Kräfte, ähnlich wie in der TV-Serie „Stranger Things“. Dieses Institut will Leuten zeigen, wie man mit Remote Viewing Geld verdienen kann:

[penci_blockquote style=“style-2″ align=“none“ author=““]Die Idee und die Umsetzung sind im wesentlichen recht einfach. Wir konzentrieren uns auf Ereignisse aus der Zukunft und verkaufen diese Informationen. Es ist dabei egal ob es die Sportwette, der Aktienkurs oder ein anderes Wirtschaftliches Ereignis ist.[/penci_blockquote]

Die Ausbildung zur/zum zertifizierten Remote Viewer kostet schlappe 5000€.

Bei dem Versuch, den unsichtbaren Geheimdienstlern zu drohen, hätte er bereits einen Terroranschlag erwogen:

[penci_blockquote style=“style-2″ align=“none“ author=““]Während des Sommersemesters, als ich in der Wohnung mit den vermuteten Zuhörern sprach, sagte ich unter anderem, dass dieser Umstand, dass ich überwacht werde – ich deute bereits an, dass ich beabsichtige mich dagegen entsprechend zur Wehr zu setzen – zur Not würde ich mit einem Flugzeug in ein Gebäude fliegen, um die entsprechende Aufmerksamkeit zu erringen – in die Weltgeschichte eingehen wird und einmal Hollywood-Filme nach mir gedreht werden würden.[/penci_blockquote]

Auch hier quillt der Narzissmus aus den Zeilen. Er, der bedeutungslose Niemand, würde in die Weltgeschichte eingehen, dadurch den Geheimdienst enthüllen und zum Mittelpunkt von Hollywood-Verfilmungen werden, als eine Art Weltretter.

Es scheint, als habe er einfach aus mehreren Hollywood-Filmen, die er explizit nennt, einzelne Teile in seine Wahnvorstellungen eingewoben. Er meint quasi, übernatürliche, fast göttliche Fähigkeiten zu besitzen und diese auch (indirekt) eingesetzt zu haben:

[penci_blockquote style=“style-2″ align=“none“ author=““]…etliche Ereignisse, die Weltgeschichte geschrieben haben, die auf meinen Willen zurückzuführen sind und ich könnte mich deshalb gut fühlen. Es wurden zwei verbrecherische Regime beseitigt, die USA justiert ihre Großstrategie nach meinen Vorstellungen aus und Hollywoodfilme wurden nach meiner Inspiration verfilmt[/penci_blockquote]

Diese narzisstisch gefärbte Halluzination habe ihm Freude bereitet:

[penci_blockquote style=“style-2″ align=“none“ author=““]Richtig, wegen vielen Dingen könnte ich mich gut fühlen und habe dies auch getan.[/penci_blockquote]

Allerdings sei seine Einsamkeit eine unangenehme Begleiterscheinung gewesen. Letztendlich müsse er Krieg führen gegen die Geheimdienstler und dies könne er dadurch, in dem er Aufmerksamkeit erlangt. Die Aufmerksamkeit hat er nun und er schreibt in dem Manifest von weiteren Menschen, denen es ähnlich erginge, wie ihm selbst.

Die Massenmedien konzentrieren sich momentan darauf, die AfD und generell das gesamte rechte Spektrum unter Generalverdacht zu stellen und mitverantwortlich zu erklären. Wäre es ein radikalislamisch motivierter Täter gewesen, läge nun der Fokus eher auf der wahrscheinlichen psychischen Erkrankung.

Es gibt sicherlich einige Leute in Deutschland, bei denen schizophrener Verfolgungswahn, Narzissmus und radikal rechte Ideologie zusammenkommen. Es gibt auch einige, bei denen die schizophrene Komponente fehlt. Und es gibt einige, bei denen völlig andere ideologische Überzeugungen vorliegen.

AlexBenesch
AlexBenesch
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