spot_img

Was sie jetzt über Glyphosat wissen müssen

Datum:

Was ist Glyphosat?

Glyphosat ist weltweit seit Jahren der mengenmäßig bedeutendste Inhaltsstoff von Herbiziden. Glyphosat wirkt unselektiv gegen Pflanzen; Nutzpflanzen können mittels Gentechnik eine Resistenz gegen Glyphosat erhalten.

Wer hat es erfunden?

Der Schweizer Chemiker Henri Martin, der für Cilag arbeitete, erfand Glyphosat im Jahre 1950. Die neue Verbindung wurde zunächst weder in der Literatur beschrieben noch vermarktet. 1959 wurde Cilag von Johnson & Johnson übernommen und Glyphosat zusammen mit anderen Proben an Sigma-Aldrich verkauft. Johnson & Johnson ist ironischerweise eines der größten Gesundheits-Unternehmen der Welt und verdient an Medikamenten u.a. für Alzheimer-Demenz, Schizophrenie und ADHS, also Krankheitsbilder, für die nach Meinung mancher Kritiker Glyphosat mitverantwortlich sein soll. Im Mai 1970 synthetisierte Monsanto erstmals die Verbindung und ließ Glyphosat 1971 als Herbizid patentieren. Das Patent wurde 1974 erteilt. Die Substanz kam erstmals 1974 als Wirkstoff des Herbizids Roundup auf den Markt.

Wieviel wird eingesetzt?

Im Jahr 2007 wurden von keinem Herbizid mehr in der US-Landwirtschaft eingesetzt als von glyphosathaltigen Produkten. Insgesamt wurden 2011 mehr als 110.000 Tonnen verbraucht, davon ein Großteil im Soja- und Maisanbau. Monsantos Patente auf Glyphosat sind in den meisten Staaten mittlerweile abgelaufen. Etwa die Hälfte des Angebots stammte im Jahr 2010 aus China. Neben Roundup sind Dutzende anderer glyphosathaltiger Herbizide auf dem Markt, beispielsweise Clinic von Nufarm, Touchdown von Syngenta, Vorox (Compo) oder GlyphoMAX von Dow AgroSciences. EU-weit besteht eine aktuelle Zulassung seit 2002. Diese wurde am 10. November 2010 zunächst bis 31. Dezember 2015 verlängert. Glyphosat wird in der deutschen Landwirtschaft zu drei verschiedenen Zeitpunkten verwendet: um die Aussaat herum, zwischen Ernte der Winterfrucht und Aussaat der Sommerfrucht und vor der Ernte.

Funktioniert es noch effektiv?

Der umfangreiche Einsatz von Glyphosat hat zur Entwicklung von glyphosatresistenten Unkräutern geführt. Die starke Anwendung von herbizidresistenten Kulturpflanzen in den USA, Argentinien und Brasilien hat diese Entwicklung begünstigt. Aufgrund der breiten Verwendung glyphosathaltiger Produkte wird erwartet, dass dieser Prozess sich in Zukunft verstärken wird.

Wie gefährlich ist es?

Die Wirkung von Glyphosat auf Nichtzielorganismen wurde umfangreich untersucht, unter anderem durch die EPA, die WHO, die EU. Nichtregierungsorganisationen wie der Naturschutzbund Deutschland, Greenpeace oder Friends of the Earth vertreten unter Berufung auf wissenschaftliche Studien den Standpunkt, dass Glyphosat erhebliche Gesundheits- und Umweltrisiken berge. Die Toxizität von glyphosatbasierten Produkten ist abhängig von der Rezeptur. So führt beispielsweise die Verwendung von Netzmitteln (wie bei Roundup) zu einer höheren Toxizität.

Studien von Großkonzernen und verbandelten Behörden sind misstrauisch zu sehen. In zwei Fällen hat die amerikanische Umweltbehörde EPA Labore der bewussten Fälschung von Testergebnissen überführt, die unter anderem von Monsanto mit Glyphosatstudien beauftragt waren.

Wissenschaftler, die von der etablierten Linie abweichen, werden schnell attackiert: Glyphosat schädigt laut einer Studie von Gilles-Éric Séralini menschliche Plazentazellen in Zellkulturen in Dosen, die weit niedriger sind als Konzentrationen im landwirtschaftlichen Einsatz. Der Effekt erhöht sich mit der Konzentration und der Zeit. Des Weiteren stört Glyphosat in denselben Zellkulturen das Enzym Aromatase, das für die Östrogen-Synthese zuständig ist. Hilfsstoffe in kommerziell erhältlichen Formulierungen erhöhen dabei die Bioverfügbarkeit und Bioakkumulation. Séralini wurde nach seinen Studien schwerstens attackiert.

Gemäß einer 2010 publizierten Studie steht Glyphosat nach Auswertung von Versuchen an Mäusen im Verdacht, eine Hautkrebs fördernde (promovierende) Wirkung zu haben.

In einer argentinischen Studie unter Leitung von Andres Carrasco wurde gezeigt, dass Glyphosat-basierte Herbizide (GBH) in ausreichender Konzentration Neuralleistendefekte und Kraniofaziale Fehlbildungen beim Krallenfrosch und bei Hühnerembryonen verursachen können. Die Studie beschreibt eine Übereinstimmung bei den unter Laborbedingungen festgestellten Missbildungen mit Missbildungen bei Menschen, die während der Schwangerschaft Glyphosat ausgesetzt waren. Die in der Fachzeitschrift Chemical Research in Toxicology veröffentlichten Ergebnisse waren Gegenstand von EU-Beratungen 2010. Nachdem das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für Deutschland eine Bewertung der Studie verfasst hatte, der sich die anderen Mitgliedsstaaten anschlossen, kam die EU-Kommission zu dem Schluss, dass die Studie keine Relevanz für die gegenwärtige Risikobewertung von Glyphosat und GBH für den Menschen hat.

Eine Bewertung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) vom März 2015 kommt zum Ergebnis, dass es begrenzte Nachweise an Menschen für das krebserzeugende Potenzial von Glyphosat gebe, während die Beweislage ausreichend wäre, dass die Substanz bei Ratten und Mäusen zu Tumoren führe. IARC stuft Glyphosat daher in die Kategorie 2A (wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen) ein. Das BfR teilte in einer ersten Reaktion darauf mit, dass die IARC-Entscheidung auf Basis der vorliegenden Informationen wissenschaftlich schlecht nachvollziehbar sei und daher der vollständige Bericht der IARC abgewartet wird. Nach Angaben des BfR ist Glyphosat „von den für die gesundheitliche Bewertung zuständigen nationalen, europäischen und anderen internationalen Institutionen einschließlich des WHO/FAO Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) nach Prüfung aller vorliegenden Studien als nicht krebserzeugend bewertet worden“.

Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung wurde unter den 6000 Einwohnern in dem Dorf Ituzaingó Anexo bei Cordoba 41-mal so viel Krebs diagnostiziert wie im argentinischen Durchschnitt. Da das Dorf in der Nähe von Feldern liegt, die durch Agrarflugzeuge mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden, vermuten Anwohner und Umweltgruppen wie Sofia Gatica die Ursache unter anderem bei Glyphosat. 2012 wurden ein Pilot und zwei Sojaproduzenten von einem Gericht für schuldig befunden, in der Nähe von Wohngebieten um Cordoba Glyphosat und Endosulfan versprüht zu haben. Des Weiteren wurden vom höchsten Gericht Argentiniens generell Sicherheitsabstände zu Wohngebieten eingerichtet, in denen nicht gesprüht werden darf, und die Beweislast bei Schadensersatzprozessen zugunsten der Kläger umgekehrt.

Die kolumbianische Polizei verwendet im Rahmen der nationalen Drogenbekämpfung (Plan Colombia) Glyphosat in Kombination mit dem Netzmittel Cosmo-Flux zur Zerstörung von Cocastrauch- und Schlafmohnplantagen mit Sprühflugzeugen. Berichten zufolge soll es bei der im Sprühgebiet lebenden Bevölkerung zu verschiedenen Krankheitssymptomen gekommen sein, beispielsweise zu Haut- und Augenproblemen.

Im Zusammenhang mit den Sprühungen wurden bei der im Sprühgebiet lebenden Bevölkerung Haut- und Augenprobleme, Infektionen der Atemwege, Magen- und Darmerkrankungen sowie Fieber festgestellt. Direkt nach den Sprühungen wurden vor allem Symptome, die auf eine Überreizung des zentralen Nervensystems hindeuten, beobachtet. Diese Symptomatik äußerte sich insbesondere in Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Magenschmerzen und allgemeiner Schwäche. Da das Hauptsprühgebiet im Grenzgebiet Kolumbien zu Ecuador liegt, kam es hinsichtlich der Folgen der Spritzungen zu diplomatischen Spannungen. So verlangte die ecuadorianische Regierung von der kolumbianischen, bei Sprühungen einen 10-Kilometer-Schutzradius zum Grenzfluss San Miguel einzuhalten. Im Kontext eines binationalen Seminars 2001 versprach die kolumbianische Delegation, einen Schutzradius zu berücksichtigen. Eine Untersuchungskommission stellte jedoch 2002 fest, dass ein solcher nicht eingehalten wurde.

Ecuador verklagte Kolumbien schließlich 2008 vor dem Internationalen Gerichtshof in den Den Haag und schloss am 9. September 2013 mit Kolumbien eine Vergleich ab. Im Mai 2015 verkündete die kolumbianische Regierung das Sprayen von Glyphosat auch innerhalb Kolumbiens völlig einzustellen und begründete diesen Schritt mit einem Verweis auf Gesundheitsrisiken und die Neubewertung von Glyphosat durch die WHO als „wahrscheinlich krebserregend“.

https://www.youtube.com/watch?v=sXhz4oe67HE

wikipedia-Zitate unter der  Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ 

AlexBenesch
AlexBenesch
Senden Sie uns finanzielle Unterstützung an: IBAN: DE47 7605 0101 0011 7082 52 SWIFT-BIC: SSKNDE77 Spenden mit Paypal an folgende Email-Adresse: [email protected]
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img

Related articles

Covid und die Zukunft der Biosicherheit

Neue Auflage von 2024, Softcover, 306 Seiten Klicken Sie hier für das Buch im Recentr Shop Die verschiedenen Staaten wussten...

Neue erweiterte Version von „Das Böse entschlüsselt“

Die neue, erweiterte Version von "Das Böse entschlüsselt" von 2024: Klicken Sie hier für das Buch im Recentr Shop Die...

10% Rabatt auf ausgewählte Vorräte bis 17. März 2024 im Recentr Shop!

Der Rabatt wird im Warenkorb automatisch abgezogen! LINK: Vorräte im Recentr-SHOP

Recentr LIVE (12.03.24) ab 19 Uhr: No-Brainer

Die erweiterte, dritte Version von "Das Böse entschlüsselt" ist erschienen. Außerdem gibt es einen Recap der letzten Sendung...