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Ex-Freundin von Lubitz erhärtet Verdacht auf narzisstische Persönlichkeitsstörung

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Die Ex-Freundin von Germanwings-Pilot Andreas Lubitz erhärtete in einem BILD Plus-Interview den Verdacht auf eine schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung. Die 26-jährige Stewardess, die mit ihm fünf Monate lang eine Beziehung gehabt haben soll, schilderte ihre Angst vor einem Mann, der regelmäßig ausrastete, nach außen jedoch einen makellosen Eindruck erweckte. Seine Probleme wurden immer deutlicher und waren schließlich der Grund für eine Trennung. Er kündigte ominös an:

Eines Tages werde ich etwas tun, was das ganze System verändern wird, und alle werden dann meinen Namen kennen und in Erinnerung behalten.

Sein Hauptproblem waren wahrscheinlich nicht Phasen von Depressionen, sondern eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Die FAZ zitiert einen Experten mit exakt dieser vorläufigen Einschätzung:

„Ein solcher erweiterter Suizid auf solch gewalttätige Art und Weise ist nicht typisch für das Krankheitsbild einer Depression.“ Für ihn ähnelt das Vorgehen des Kopiloten eher dem von Amokläufern, einer Personengruppe, die häufig unter einer Persönlichkeitsstörung mit einem hohen Kränkungserleben leidet. Zu einer solchen Persönlichkeitsstörung könne eine Depression hinzukommen. Nur die Diagnose Depression hält Reif in solchen Fällen aber für zu kurz gegriffen.

Für normale Menschen sind beruflicher Stress und scheiternde Liebesbeziehungen kein Grund für 149-fachen Mord. Ein Narzisst jedoch nimmt den herausfordernden Alltag ganz anders war: Als eine Serie von tief schneidenden Kränkungen, die nur schwer aufzuwiegen sind durch „narzisstische Nahrung“ in Form von Bewunderung, Aufmerksamkeit, Bekanntheit, Bedeutsamkeit. Sie fühlen sich ständig bedroht, von einem tiefen Loch verschluckt zu werden, eine Leere die in der Regel durch frühen Liebesmangel ausgelöst wurde und durch nichts wirklich jemals wieder aufgefüllt werden kann. Sie stehen manchmal sogar Todesängste aus, Furcht vor einer Auflösung ihrer Persönlichkeit, vor einem Dammbruch der sie überfluten kann mit Schmerz und Gefühlen der Wertlosigkeit. Lubitz‘  Ex-Freundin erklärte:

Privat war er sehr weich, ein Mensch, der Liebe brauchte.

Wenn er aber über seine Arbeit sprach, wurde er aggressiv. Zu viel Druck, zu wenig Geld, zu wenig Sicherheit. Wuchs in ihm der Hass auf die Lufthansa, die seinen „Traum“ und damit sein Leben zerstörte? Seine gesamte Existenz drehte sich seit seiner Kindheit um das Fliegen, sein Zimmer platzte schier vor Postern und Modellen und Büchern. Dieser Raum war wohl sein Reich, seine Blase in der er Pilot spielen und Bewunderung von einem eingebildeten Publikum erhaschen konnte. Die Fliegerei als Obsession, als Verheißung darauf, die klaffende Lücke mit etwas Großartigem zu füllen, sich selbst neu zu erfinden, eine idealisierte Fantasie-Version von sich selbst zu schaffen. Für eine normale Person ist so etwas Träumerei und Spaß. Für den Narzissten ist es tödlicher Ernst. Ein Freund zitiert ihn später mit den Worten, er wäre „gestorben“ wenn er seine Flugprüfung nicht bestanden hätte. Für Lubitz war dies wohl nicht nur ein Spruch.

Aber der Beruf bot nicht das, was ein echter Narzisst vehement sucht, wie Abwechslung, Bewunderung, konstante Bestätigung, Ruhm, Aufmerksamkeit, die Erfüllung von unrealistischen Verheißungen. Die Fliegerei hat ihn „verraten“ und „betrogen“, sie hat ihn nicht erfüllt, ihm nicht das gegeben was er braucht. Wo er die Fliegerei anfangs noch zum Heiligtum stilisierte, wuchs zunehmend der Hass: Jahrelanges, für ihn erniedrigendes Servieren von Snacks als Flugbegleiter bevor er endlich ins Cockpit durfte. Der lästige Papierkram. Die ständigen Tests. Die langweilige Routine. Die unzähligen Ereignisse die für normale Menschen unscheinbar sind, für den Narzissten jedoch schwere Kränkungen bedeuten. Trotz dem wachsenden Hass auf das Fliegen konnte er es aber nicht loslassen, da es seinen Lebensunterhalt darstellte und er bereits schon so viel investiert hatte. Diese Zwickmühle erzeugt noch viel mehr deprimierende Gefühle der Machtlosigkeit, des Selbsthasses und der Enttäuschung. Anscheinend besuchte er mehrere Ärzte, um sich irgendwie über Wasser zu halten, verzettelte sich und konnte nicht schnell genug das Wasser aus dem sinkenden Schiff seiner Existenz herausschaufeln. Wenn ihm die Fluglizenz genommen werden würde, dann stünde er vor dem Nichts. Beruflich, innerlich, vollständig. Scham, Wertlosigkeit.

Wäre er nur von Depressionen geplagt gewesen, hätte er auch alleine mit einem Segelflugzeug gegen den Alpenberg fliegen und ein Abschiedsvideo oder einen Brief hinterlassen können. Dies hätte aber keine Schlagzeilen ausgelöst. Er reagierte stattdessen mit einem gigantischen Wutausbruch, einem Zeichen. Das „System“ wollte ihn zerstören, also fügt er dem System einen schweren Schlag zu. Wenn er schon nicht geliebt und anerkannt sein konnte, dann zumindest gefürchtet. Wie er seiner Ex-Freundin angedeutet hatte:

Eines Tages werde ich etwas tun, was das ganze System verändern wird, und alle werden dann meinen Namen kennen und in Erinnerung behalten.

Dies ist der ultimative Traum des Narzissten, der heilige Gral: Einmal ganz groß rauskommen. Geschichte machen. Sich in das Bewusstsein anderer einbrennen. Ein Erdbeben verursachen.

Er setzte den Bergen seinen Stempel auf, machte sie zu einem Grab, zu seinem Denkmal. Der Ort schien für ihn besondere Bedeutung zu haben. Wie der französische TV-Sender „iTele“ berichtet, hat er mit seinen Eltern 1996 und 2003 Urlaub am Unglücksort gemacht. Wie die französische Zeitung „Le Parisien“ unter Berufung auf ein Mitglied der Flugschule in Montabaur meldet, sei er„begeistert“ und sogar „besessen“ von den Alpen gewesen, hätte während eines Urlaubs mit der Flugschule vor mehreren Jahren mit einem Segelflugzeug die südlichen Alpen in Frankreich überflogenn.

Vielleicht wird man ein Bekenner-Video oder Text auf seinem beschlagnahmten Computer finden, denn solche Leute wollen ihre Rechtfertigungen gehört haben, sie brauchen die Selbstdarstellung. Er scheint ein sogenannter „covert narcissist“ gewesen zu sein, eine weniger auffällige Form, die hilfsbereit und angepasst wirkt.

Der altruistische Narzisst beispielsweise ist besessen von der Vorstellung, Arzt oder Krankenpfleger zu werden. Nicht weil er wirklich um der anderen Menschen willen helfen will, sondern weil er die Kontrolle haben und die Fantasie des Heil spendenden Übermenschen ausleben möchte. Solche Figuren spritzen dann beispielsweise hunderte Menschen heimlich tot, bis die Sache auffällt. Sie rechtfertigen sich hinterher, dass sie im Recht gehandelt hätten, den Patienten Leid oder dem Gesundheitssystem Belastungen erspart hätten. Ein Leser von Recentr kommentierte:

Diese Art von Narzissten sind nur so lange “gut” und “nett” und “unauffällig” oder “verantwortungsgewusst”, wie diese Verhaltensweisen ihnen den Zugang zu genügend “narzisstischer Nahrung” sichern. Wenn aber eine oder mehrere ihrer “Quellen” versiegen oder aus dem Gleichgewicht geraten, oder er diese devaluiert, wei sie ihre innere Leere nicht füllen können und keine echten Emotionen ersetzen können (was bei Narzissten immer irgendwann der Fall ist), kann alles kippen.

Ich glaube, dass die “vorrangige narzisstische Quelle” von Andreas Lubitz die Fliegerei und der Pilotenstatus waren. Diese hat er erst idealisiert, dann devaluiert und dann zerstört. Dabei waren die Passagiere und Kollegen für ihn immer nur “Objekte”, Mittel zum Zweck, sie hatten die Funktion, ihn in seinem Pilotenstatus zu stützen.

Sein ganzes Streben war darauf ausgerichtet, Pilot zu werden, seit er ein Bub war: Das war die “Idealisierungsphase“. Dann beginnt er die Ausbildung, merkt vielleicht, dass auch als Pilot nicht alles perfekt ist, dass die Tatsache, Pilot zu sein, ihn nicht von seiner (möglichen) inneren Leere/seinen inneren Kindheitswunden befreit und ihn nicht wirklich “größer” macht, als er selbst ist. Vielleicht hatte er sich besonders Ansehen, Erfolg bei Frauen, eine herausragende Stellung, Besonderheit davon versprochen, die nicht eingetreten ist – oder die nicht reichte, weil er ein übersteigertes, idealisiertes Bild davon aufgebaut hatte (“gradiose image”). Er erkennt, dass Traum und Realität irgendwie nicht zusammenpassen werden (“gradiosity gap”), dass ihn die Fliegerei möglicherweise nicht “erheben” oder “erfüllen” wird und gerät in eine erste, für Narzissten ganz typische depressive Phase: “depression and mania of the narcissist due to the waxing and waning of narcissistic supply” – Er macht eine Pause, nimmt eine “Auszeit”, die sog. “narcissistic hibernation phase”.

AlexBenesch
AlexBenesch
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