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Bundesverfassungsgericht verlangt Nachbesserung der Antiterrordatei

Datum:

Alex Benesch

Die Antiterrordatei sei laut dem aktuellen Urteil des BvG in ihren Grundstrukturen verfassungsgemäß, jedoch genüge sie hinsichtlich ihrer Ausgestaltung im Einzelnen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem heute verkündeten Urteil entschieden. Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2014, dürfen die verfassungswidrigen Vorschriften jedoch unter Maßgaben weiter angewendet werden.

Die Verfassungsbeschwerde gegen die standardisierte zentrale Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern würde keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof rechtfertigen, heißt es.

Aus der Pressemitteilung:

Das Eingriffsgewicht wird dadurch erhöht, dass die Datei auch den Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden ermöglicht. Die Rechtsordnung unterscheidet zwischen einer grundsätzlich offen arbeitenden Polizei, die auf eine operative Aufgabenwahrnehmung ausgerichtet und von detaillierten Rechtsgrundlagen angeleitet ist, und den grundsätzlich verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten, die auf die Beobachtung und Aufklärung im Vorfeld zur politischen Information und Beratung beschränkt sind und sich deswegen auf weniger ausdifferenzierte Rechtsgrundlagen stützen können.

Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung folgt für den Datenaustausch zwischen diesen ein informationelles Trennungsprinzip. Soweit Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden für ein operatives Tätigwerden ausgetauscht werden, handelt es sich um einen besonders schweren Eingriff. Dieser ist nur ausnahmsweise zulässig und muss einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen. Hierbei dürfen die jeweiligen Eingriffsschwellen für die Erlangung der Daten nicht unterlaufen werden.

Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus, wie sie das Antiterrordateigesetz zum Bezugspunkt hat, richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes. Es ist Gebot unserer verfassungsrechtlichen Ordnung, solche Angriffe nicht als Krieg oder als Ausnahmezustand aufzufassen, der von der Beachtung rechtsstaatlicher Anforderungen dispensiert, sondern sie als Straftaten mit den Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen.

Die Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 1 ATDG erfasst zunächst Angehörige, Unterstützer und unterstützende Gruppierungen von terroristischen Vereinigungen. Sie erweitert diesen Kreis aber auf Personen, die eine unterstützende Gruppierung lediglich unterstützen, ohne klarzustellen, dass es sich um eine willentliche Unterstützung der den Terrorismus unterstützenden Aktivitäten handeln muss. Daher können Personen erfasst werden, die im Vorfeld und ohne Wissen von einem Terrorismusbezug eine in ihren Augen unverdächtige Vereinigung unterstützen. Dies verstößt gegen den Grundsatz der Normenklarheit und ist mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet hier aus.

Nicht vollständig mit der Verfassung vereinbar ist auch § 2 Satz 1 Nr. 2 ATDG. Die Vorschrift, die Einzelpersonen erfassen soll, die möglicherweise in einer Nähe zum Terrorismus stehen, verbindet eine Reihe von mehrdeutigen und potenziell weiten Rechtsbegriffen.

Hinsichtlich der Begriffe der „rechtswidrigen Gewalt“ und des „vorsätzlichen Hervorrufens solcher Gewalt“ lässt sich eine Verfassungswidrigkeit wegen Stimmgleichheit im Senat nicht feststellen. Nach Auffassung der vier Mitglieder des Senats, die die Entscheidung insoweit tragen, ist die Verwendung dieser Merkmale mit dem Grundgesetz vereinbar, sofern ihnen keine übermäßig weite Bedeutung beigelegt wird und insbesondere unter Gewalt nur solche Gewalt verstanden wird, die unmittelbar gegen Leib und Leben gerichtet oder durch den Einsatz gemeingefährlicher Mittel geprägt ist. Nach der Auffassung der anderen vier Mitglieder des Senats müsste die Vorschrift wegen fehlender Bestimmtheit und übermäßiger Reichweite insgesamt für verfassungswidrig erklärt werden; eine verfassungskonforme Auslegung komme nicht in Betracht.

Das bloße „Befürworten von Gewalt“ im Sinne dieser Vorschrift reicht nach der einhelligen Auffassung des Senats für die Erfassung von Personen in der Antiterrordatei nicht. Die Vorschrift verstößt insoweit gegen das Übermaßverbot. Das Gesetz macht hier die subjektive Überzeugung als solche zum Maßstab und legt damit Kriterien zugrunde, die vom Einzelnen nur begrenzt beherrscht und durch rechtstreues Verhalten nicht beeinflusst werden können.

Verfassungswidrig ist § 2 Satz 1 Nr. 3 ATDG. Nach dieser Regelung sind die einfachen Grunddaten in die Datei einzustellen, soweit Kontaktpersonen von einem Terrorismusbezug der Hauptperson nichts wissen, bei Kenntnis vom Terrorismusbezug auch die erweiterten Grunddaten. Infolgedessen erstreckt sich der Austausch von Klarinformationen zwischen den beteiligten Behörden auch auf Daten zu den Kontaktpersonen.

Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2014, dürfen die Vorschriften weiter angewendet werden. Vor deren weiteren Anwendbarkeit ist allerdings zunächst die Beachtung bestimmter Maßgaben sicherzustellen.

AlexBenesch
AlexBenesch
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