Kommentar
Im Laufe der vergangenen Jahre versuchte ich zu rekonstruieren, mit welcher Strategie der deutsche Verfassungsschutz gegen die AfD vorgehen könnte. Der Verdacht scheint sich nun zu erhärten, dass man den Umweg wählte über radikale Influencer und Follower. Je mehr Leute im Netz die AfD bewerben, umso mehr Macht haben sie über die Partei und die Meinungen. Umso mehr werden radikale Statements belohnt und bedachtere Statements abgestraft.
Die Parteiführungen scheiterten regelmäßig daran, für Ordnung zu sorgen. Und all die Konsequenzen lassen sich aus juristischer Sicht in Gold aufwiegen für die Einstufung als gesichert rechtsextrem und ein mögliches Verbotsverfahren.
Wenn ein AfD-Politiker krasse Statements vom Stapel ließ, verteidigten Influencer und Follower dies und blockten Kritik ab. Kritik würde einen soften Kurs bedeuten, Angepasstheit und Verderben. Wenn man das Spionageproblem an sich anspricht, kommen einstudierte, vorgestanzte Sätze, die einfach nur eine Vermeidungsstrategie sind. Es heißt, man dürfe ja nicht überall Verräter wähnen und der Verfassungsschutz agiere ja unfair im Sinne der klassischen Parteien. Aber was ist denn mit dem Spionageproblem? Vor allem auch durch ausländische Dienste, die hier agieren?
Die vollständigen Entscheidungsgründe des OVG NRW zur AfD liegen nun vor. Die Juristen betonen, dass sich ein Gesamtbild der Radikalität ergibt. Einzelne Entgleisungen folgen einem Muster und die Partei insgesamt reagiert nicht angemessen darauf. Demzufolge dürften die Geheimdienstler spionieren und weitere Belege sammeln. Die Beamten sind trainiert darauf, wie Extremisten ticken und die Extremisten verhalten sich im Prinzip immer gleich, also berechenbar.
Wenn der Verfassungsschutz und ggf. weitere nationale und internationale Behörden und Organisationen das rechte Spektrum unterwandern, sind Influencer und Follower das perfekte Einfallstor, weil die Hürde viel geringer sind als bei Parteien und Abgeordneten.
Influencer können leicht angeworben und dann gefördert werden. Traditionell sollten rekrutierte Personen im rechten Spektrum weiter hetzen. Der Verfassungsschutz hat auch reine Online-Undercover-Leute, die jeweils eine unbekannte Anzahl an Online-Profilen benutzen. Ab und an schießt man Fotos von den Agenten in Szene-Klamotten und verfremdet die Gesichter.
Die Undercover-Leute können theoretisch hetzen, das Vertrauen von Leuten gewinnen und Meinungen bestimmen.Die Übereinstimmung mit der Gesinnung gilt als Mitgliedsausweis der Szene.
Die Juristen pochen auf die Ungleichbehandlung von Menschen im Bezug auf Menschenwürde und verbale Attacken gegen den Parlamentarismus. „Entgleisungen“ einzelner Mitglieder oder Anhänger bilden irgendwann ein großes Gesamtmuster.
Bei Äußerungen oder Handlungen einfacher Mitglieder sei eine Zurechnung zur Gesamtpartei zudem nur dann möglich, wenn jene in einem politischen Kontext stünden und die Partei sie gebilligt oder geduldet habe, obwohl Gegenmaßnahmen möglich und zumutbar seien, zum Beispiel Parteiausschluss, Ordnungsmaßnahmen, Missbilligung oder zumindest „Distanzierung“
Es war jederzeit möglich, scharfe und legale Statements zu machen gegen die Migrationspolitik und es war genauso möglich, die rigorose Umsetzung geltender Gesetze zu fordern gegen radikale Muslime. Denn auch Muslime müssen sich an die Grundsätze halten, die von den Juristen hundert Mal erwähnt werden. Man darf Menschen in Deutschland nicht entrechten, nur weil sie keine Muslime sind. Man darf nicht eine freiheitsfeindliche Ordnung anstreben.
Die Influencer hetzten jedoch auf die dümmst-mögliche Weise und verbreiteten ein Schwarz-Weiß-Denken: Entweder radikale Statements oder schwache Angepasstheit. Als gäbe es nichts anderes.
Insbesondere hätten zahlreiche Funktionäre der bayerischen AfD in der geschlossenen Chatgruppe „Alternative Nachrichtengruppe Bayern“ nicht nur die Bundesrepublik Deutschland als totalitäres System verunglimpft, das beseitigt werden müsse, sondern wiederholt Umsturzfantasien und Aufrufe zur Gewalt geäußert.
Die amerikanische NSA und der britische GCHQ haben vielleicht exakte Kopien der Gespräche und könnten diese mit den deutschen Behörden teilen.
Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen ergäben sich nicht nur aus Einzelaussagen einfacher Parteimitglieder, sondern auch aus zahlreichen Äußerungen hochrangiger Funktionäre und Abgeordneter wie Alice Weidel, Björn Höcke, Maximilian Krah oder Christina Baum.
Viele im rechten Spektrum kennen die Rechtslage zu schlecht.
Den Nachrichtendiensten kommt die Aufgabe zu, Aufklärung bereits im Vorfeld von Gefährdungslagen zu betreiben, ohne dass sie über eigene operative Anschlussbefugnisse verfügen. Sie haben mannigfaltige Bestrebungen auf ihr Gefahrenpotenzial hin allgemein zu beobachten und diese gerade auch unabhängig von konkreten Gefahren in den Blick zu nehmen. Der Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung gilt für sie nicht, und sie sind von Transparenzund Berichtspflichten gegenüber den Betroffenen weithin freigestellt.
Wenn also AfD-Politiker Mist bauen und radikale Ideen haben, werden sie über kurz oder lang damit erwischt und sind an den Konsequenzen selbst schuld. Maulen hilft dann nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem klargestellt, dass auch während eines laufenden Parteiverbotsverfahrens eine Beobachtung unter Rückgriff auf die Instrumente heimlicher Informationsbeschaffung gemäß § 8 Abs. 2 BVerfSchG grundsätzlich zulässig ist und V-Leute in den Führungsgremien der Partei erst im Vorfeld eines Verbotsverfahrens abgeschaltet werden müssen.
Auch der Einsatz von gesteuerten Influencern und Aktivisten ist legal.
Im Übrigen gilt auch für den Einsatz von „fake-Accounts“, dass eine zulässige Beobachtung unter Rückgriff auf die Instrumente heimlicher Informationsbeschaffung gemäß § 8 Abs. 2 BVerfSchG nach den vom Bundesverfassungsgericht zugrunde gelegten Maßstäben erst im Vorfeld eines Verbots- oder Finanzierungsausschlussverfahrens eingestellt oder offengelegt werden muss.