Die beiden mutmaßlichen Anführer der Gruppe „Vereinten Patrioten“ haben eine Vergangenheit bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR, zeigen Recherchen von t-online. Bisher tauchten in der Presse eher Details auf, die Bezüge zu eher rechten Internet-Kreisen vermuten lassen, wie verquerte Auffassungen zu dem Rechtsstatus der Bundesrepublik, oder bei Durchsuchungen gefundene Devotionalien.

Die NVA war als Invasionsarmee ausgelegt und hätte im Ernstfall auf ein weitverzweigtes Netz aus Kommando-Bunkern zurückgreifen können, um die gewaltigen Massen an Streitkräften zu bewegen. Zudem gab es spezielle, verdeckt operierende Gruppen für „Sonderaufgaben“ in Westdeutschland; gemeint waren Anschläge an neuralgischen Punkten, um beispielsweise die Stromversorgung lahmzulegen.

In dem Telegram-Kanal „Tag X“, der mit dem aktuellen Skandal zusammenhängt, soll ein zwei Jahre altes Video geteilt worden sein: Mit einer Graphitbombe an einem Umspannwerk lassen sich Kurzschlüsse auslösen und via einer Kettenreaktion wäre das komplette Stromnetz in der Folge lahmgelegt. Die Online-Aktivisten nannten diese Operation „Silent Night“ laut Ermittlern.

Bedienten sich die Aktivisten nur bei oberflächlich aufgeschnappten Versatzstücken von Aufstandstechniken? Oder hatten sie nennenswerte Kontakte und Ausbilder? Würden die Behörden solche Kontakte überhaupt der Öffentlichkeit preisgeben? Als der norwegische Rechtsterrorist Anders Breivik erfolgreich eine große Autobombe zündete und mit einem Sturmgewehr ein Massaker auf der Insel Utoya verübte, war immer nur die Rede von einem einsamen Wolf, obwohl Spuren hindeuteten auf Verbindungen des Mannes nach Osten, wo er ausgebildet worden sein soll. In einem 1500 Seiten langen Manifest, das er aus diversen Internetquellen zusammenkopiert hatte, beklagte er eine Art linke Weltverschwörung, die mit einer Aufstandsbewegung zu bekämpfen sei. Brächte man die Gesellschaft zum Zusammenbruch, müssten auch gemäßigtere Bürger kämpfen für eine neue Ordnung.

Die „Vereinten Patrioten“ wollten angeblich Prominente entführen wie Karl Lauterbach, die Stromversorgung wochenlang lahmlegen und dann eine neue Regierung installieren. Für die Behörden ist es traditionell schwierig, zu unterscheiden zwischen hochtrabenden Dampfplauderern, die sich durch Gerede abreagieren wolle, und denjenigen die wirklich die Absicht und die Fähigkeit zu Aktionen haben.

Thomas O. und Sven B. sind die mutmaßlichen Anführer der Gruppe; zwei Ostdeutsche, deren Militärkarrieren mit der Wiedervereinigung vorbei waren. Russische Geheimdienste würden zwar prinzipiell versuchen, Unzufriedene mit Rachegefühlen zu rekrutieren für Operationen zur Destabilisierung der Bundesrepublik, allerdings würde man nicht wahllos Personen auswählen, die schnell verhaftet werden und zu peinlichen Skandalen führen. Bei der RAF dauerte es eine ganze Weile, bis man die Details herausfand über ein Terror-Netzwerk der Sowjets dahinter, Ausbildungen in der DDR und im Nahen Osten. Russische Dienste würden sich auch nicht unbedingt als solche zu erkennen geben, sondern könnten über Mittelsmänner und zwischengeschaltete Tarnorganisationen auftreten als „Patriotenorganisation“.

Einer Datenbank und eigenen Angaben zufolge war O. von 1986 bis 1989 auf dem Küstenschutzschiff „Berlin“ der 4. Flottille und schied als Stabsmatrose aus. Für B. endete demnach 1990 sein vierjähriges Studium an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte in Zittau, Sektion Raketentruppen und Artillerie. In einem beruflichen Profil als Dozent heißt es, dass er zwischen 1990 und 1992 Auslandserfahrungen in Russland gesammelt hat.

Auf Telegram wurden immer wieder große Pläne angekündigt über Revolutionen inmitten der Corona-Pandemie. Von Millionen Aufständischen wurde geträumt und Hilfe von rechten Kreisen aus den USA und Russland.

„Am Montag frühstücken wir im Kanzleramt“ war einer der Sprüche in Zusammenhang mit dem „D-Day 2.0“. Es gab eine DEU-NOD, das deutsche Pendant der „Nationalen Befreiungsbewegung“ in Russland. Man trug die schwarz-orangen Georgsbändchen als Zeichen der Solidarisierung mit Russland. Sven B. postete angeblich ein Foto seiner Medaille als NVA-Veteran auf einem Georgsband. Das Putin-Regime verbreitete über verschiedenste Propaganda-Kanäle passive Unterstützung für zahlreiche Unzufriedene in Deutschland, ohne unbedingt direkt und klar zu kommunizieren. Diese Schwammigkeit dient der Absicherung und lässt genügend Projektionsfläche für das Zielpublikum, um die Erfüllung aller Wünsche in Aussicht zu stellen.

Von der Generalstaatsanwaltschaft heißt es ominös, für die Ermittlungen würden bislang weder die Verbindungen zu der putinfreundlichen Szene noch der militärische Hintergrund der Beschuldigten eine Rolle spielen. Vielleicht werden solche Untersuchungen ausgelagert an den Verfassungsschutz, den BND und „befreundete Dienste“ aus anderen NATO-Ländern. Die Personaldecke der deutschen Dienste ist recht dünn und die Hilfen der USA oder Britanniens birgt immer das Risiko, dass extremistische Strukturen nicht unbedingt früh aus dem Verkehr gezogen werden, sondern weiterlaufen, in der Hoffnung, damit später größere Fische an Land zu ziehen.

Was für die Briten das Special Operations Executive und für die Amerikaner die Einheiten für „unkonventionelle Kriegsführung“ waren, das waren die Einsatzgruppen in der DDR für „Sonderaufgaben“. Gemeint waren Zerstörungen von neuralgischen Punkten in der Bundesrepublik. Notfalls auch mit winzigen Kernwaffen. Und Angriffe gegen AKWs.

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