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Beschäftigungstherapie für rechte Kader: Depots, wilde Pläne und Adels-Kitsch auf dem Schloss

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Kommentar

Prinz Heinrich Reuß XIII. soll quasi der Albus Dumbledore gewesen sein bei der rechten Truppe, die nun bundesweit verhaftet wurde. Ein schrulliger Adeliger, der auf seinem Jagdschloss in Thüringen, eine braune Version von Hogwarts, Treffen abgehalten soll mit ausgewählten Figuren aus Kreisen der Bundeswehr, Polizei und Politik, mit der Absicht, immer mehr neue Leute zu rekrutieren.

Das klingt in etwa wie die alte Operation GLADIO, nur ohne staatliche Erlaubnis. Im Kalten Krieg waren solche Strukturen von ganz oben gewollt und auf Anweisung der USA gestartet worden. Der Unterschied war, dass die Regierung der Bundesrepublik sich konservativ gab und die rechten Geheimstrukturen nicht beabsichtigten, die Regierung zu stürzen, sondern im Falle einer Machtergreifung von Kommunisten oder kommunistischen Invasion aktiv zu werden. Diese „Stay Behind“-Netzwerke sollten daraufhin tausende und abertausende weitere Kämpfer rekrutieren.

Der Zirkus mit den Stay-Behind-Strukturen war jedoch schnell von den sowjetischen Geheimdiensten enttarnt worden und es handelte sich wohl eher um eine Art Beschäftigungstherapie für rechte Kader. Auf diese Weise wussten die westdeutschen, britischen und amerikanischen Geheimdienste immerzu, was die Rechtsextremen trieben. Und natürlich warteten die Rechtsextremisten jahrzehntelang vergeblich auf den „Tag X“ der nie eintraf.

Die Sowjets hatten nach 1945 nicht ihre Truppenstärke bedeutend verringert, sondern kultivierte die Kapazitäten für eine Invasion Westeuropas. Die Briten und Amerikaner hatten ihrerseits Angriffspläne wie Dropshot und Unthinkable.

Richtig Lust auf einen großen Krieg hatte natürlich niemand. Neben Stellvertreterkriegen in Korea und Vietnam gab es eher Scharmützel im politischen und terroristischen Bereich. Die kommunistischen Parteien im Westen wurden über den KGB mit Geld versorgt und Terrorgruppen wie die RAF erhielten Ausbildungen im Ostblock und legten Depots für Waffen und Sprengstoff an.

18 Erdbunker soll die RAF in Deutschland in ihrer aktiven Zeit angelegt haben, um dort Geld, gestohlene Ausweise und Waffen zu verstecken. 14 hat die Polizei gefunden. Das kürzlich erst entdeckte Versteck südlich von Hamburg könnte das 15. sein. Im Jahr 1982 wurden vor dem RAF-Zentraldepot bei Frankfurt am Main die RAF-Terroristinnen Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulz gefasst.

Die Bundesrepublik und die Angloamerikaner reagierten mit dem Aufbau von „Stay Behind“-Netzwerken voll mit Rechtsextremisten. Handelte es sich eher um eine Beschäftigungstherapie für rechte Kader, als um den ernst gemeinten Versuch der Angloamerikaner, Stay Behind-Strukturen für einen Krieg gegen die Sowjets aufzubauen?

Die rechte Szene ist auch heute noch völlig unterwandert von Geheimdiensten. Aber es existiert keine Sowjetunion mehr, die man als Anlass benutzen kann, die Rechtsextremisten auf einen pro-USA-Kurs zu bringen. Es wird sich im Zuge der Ermittlungen gegen die „Reichsbürger“-Gruppe zeigen, wie viele Informanten hier mitgespielt hatten. Falls die Herren und Damen wirklich auf eigene Faust handelten, lässt sich wohl ein Doppelstandard ablesen. War man eingebunden in angloamerikanische und bundesrepublikanische Stay-Behind-Strukturen, bekam man alles frei Haus geliefert was man brauchte. Ist man nicht eingebunden, hagelt es die höchstmöglichen Strafen.

Der Zirkus

Nach den bis 2005 geheimen CIA-Akten gründete der US-Geheimdienst 1949 zunächst die Einheiten Pastime (West-Berlin) und Kibitz (Karlsruhe). Der ehemalige Wehrmachtoffizier Walter Kopp hatte sich an den Hochkomissar John Jay McCloy gewandt und durfte zunächst 125 gleichgesinnte Antikommunisten rekrutieren und unter amerikanischer Aufsicht ausbilden lassen. Es wirkte wie eine angepasste Version des britischen Special Operations Excecutive-Trainings.

Die CIA startete gleichzeitig das sogenannte ZIPPER-Netzwerk. Überall in der Bundesrepublik wurden geheime Depots angelegtm meistens in Form von vergrabenen Behältern, mit Waffen, Sprengstoff und Spezial-Funkgeräten. Der ehemalige SS-Angehörige Hans Otto verriet solche Aktivitäten an die hessische Kriminalpolizei. Die Mitglieder seien zum größten Teil ehemalige Offiziere der Luftwaffe, des Heeres und der Waffen-SS. Geld und Material war von den Amerikanern geliefert worden. Es gab sogar eine Feindesliste mit prominenten SPD-Mitgliedern, die im Ernstfall aus dem Verkehr gezogen worden wären. Der Oberbundesanwalt musste dennoch am 1. Oktober 1952 die Entlassung der Verhafteten anordnen.

Später übernahm der Bundesnachrichtendienst (BND) wesentliche Stay-Behind-Aktivitäten und wie zu erwarten gelang es der Stasi der DDR, einiges davon zu enttarnen. In Italien war der Name GLADIO geläufig. 1976 wurde die westdeutsche BND-Sekretärin Heidrun Hofer verhaftet, nachdem sie ihrem Mann, einem KGB-Spion, die Geheimnisse der westdeutschen Stay-behind-Armee verraten hatte. Der österreichische Innenminister Franz Olah gründete in Zusammenarbeit mit dem MI6 und der CIA eine neue Geheimarmee mit dem Codenamen „Österreichischer Wander-, Sport- und Gesellschaftsverein“ (ÖWSGV).

Der Neonazi Heinz Lembke war involviert in Wehrsportaktivitäten und diente als eine Art Beschaffer für Extremisten wie Peter Naumann und Odfried Hepp. Nachdem eines von Lembkes Depots durch Zufall entdeckt wurde, gestand er 33 davon ein. Es fanden sich automatische Waffen, 13.520 Schuss Munition, 50 Panzerfäuste, 156 kg Sprengstoff und 258 Handgranaten. Am 1. November 1981, einen Tag vor seiner Vernehmung durch einen Staatsanwalt, wurde er jedoch mit einem Kabel erhängt in seiner Lüneburger Gefängniszelle aufgefunden. Man porträtierte ihn als Einzelgänger, der auf eigene Faust eine Stay-Behind-Struktur schaffen wollte für den Fall einer sowjetischen Invasion. In Spurenakten zum Oktoberfestattentat steht der Vermerk „Erkenntnisse über Lembke sind nur zum Teil gerichtsverwertbar“. Solche Vermerke kommen normalerweise nur bei V-Leuten oder Mitarbeitern von Geheimdiensten vor.

1982 raubte eine klandestine Neonazizelle fünf Banken aus und erbeutete dabei 630.000 DM. Die Gruppe benannte sich nach ihren Anführern Walther Kexel und Odfried Hepp und richtete sich mit Sprengstoffanschlägen gegen den amerikanischen Einfluss auf Deutschland. Hepp war in den 1980er Jahren inoffizieller Mitarbeiter der Stasi. Er wurde zum wichtigsten Informanten über die Neonaziszene der Bundesrepublik. Das Ministerium für Staatssicherheit ließ ihn an zwei verschiedenen Orten unterbringen. In einem, dem MfS-Ausbildungslager „Objekt 74“, dem Forsthaus An der Flut bei Briesen, waren vorher Terroristen der RAF beherbergt worden. Als er sich am 8. April 1985 selbst einen neuen Pass besorgen wollte, wurde er von französischen Sicherheitskräften in Paris festgenommen.

AlexBenesch
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