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Seit dem Krimkrieg in den 1850ern kann Russlands Militär nicht mehr mithalten

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Kommentar

Über viele Jahrhunderte hinweg war der Imperialismus mehr oder minder gleich: 10% Oberschicht beuten die restlichen 90% aus, die zumeist als Leibeigene auf den Feldern schuften müssen, um das Getreide zu erwirtschaften, mit dem der Staat sein stehendes Heer und seinen Luxus finanziert. Reicht das stehende Heer aus professionellen Berufssoldaten nicht aus, kann man einen Teil der Leibeigenen mobilisieren, durch einen kurzen Crashkurs jagen und dann mit ungenügender Ausrüstung und schlechter Logistik an die Front schicken. An Essen und sauberes Wasser zu gelangen, ist deren Problem.

In den 1700er und 1800er Jahren jedoch veränderte sich der Imperialismus durch die moderne Wissenschaft und Verwaltung. Durch die entsprechende Logistik ließen sich immer mehr Soldaten aufbieten, mit Eisenbahnen transportieren, zielgerichtet einsetzen und verpflegen. Die Franzosen und insbesondere die Briten preschten hervor, während das islamische Kalifat und Russland hinterherhinkten. Für die Muslime und die Zaren (plus den gewöhnlichen russischen Adel) galt Konservatismus über alles, also Hauptsache immer mehr Grund und Boden und die antike römische Tradition des Herrschens.

Bei dem sogenannten „Krimkrieg“ von 1853 bis 1856, der längst nicht nur auf die Halbinsel beschränkt war, sondern weltumspannende Ausmaße annahm konnte man sehen, dass das römische Modell an seinem Ende angekommen war.

Der Konflikt schien zunächst nur ein weiterer von vielen zu sein zwischen Russland und dem türkisch-islamischen Großreich. Der Historiker Orlando Figes sprach gar von dem „letzten Kreuzzug“ Die europäischen Mächte hatten Jahrhunderte zuvor bereits realisiert, dass es viel zu teuer und aufwendig war, tiefer in den muslimischen Raum vorzudringen. Großbritannien war im Vorfeld des Krimkriegs der wichtigste Handelspartner des Osmanischen Reiches. Zwar waren die britischen Monarchen immer enger verwandt mit den russischen Zaren über Linien wie Schleswig-Holstein und Hessen, aber die Zaren mussten sich die Macht teilen mit dem alteingesessenen Adel, der in alle Ewigkeit das traditionelle römische System mit den Bauernleibeigenen fortsetzen wollte, das in Europa bereits beendet war. Auch die Amerikaner als Partner der Briten setzten nicht auf Leibeigenschaft. Eine Ausweitung Russlands zulasten der Türken schien den Briten unklug. Genauso wenig wollte man, dass die Türken mehr Erfolg haben.

Der Krieg war mechanisierter geworden und begleitet von massiven Propagandakampagnen, aber hatte noch nicht die Dimensionen erreicht des „totalen Kriegs“ wie im frühen 20. Jahrhundert. Russland bedrängte die Türken und Frankreich sowie Großbritannien erklärten formell Russland den Krieg.

Insgesamt umfasste die aufgebotene französische Armee etwa 30.000 Mann. Die Briten hatten 26.000 Mann geschickt. Die Russen zogen sich schnell zurück.

Im Jahr 1828/1829 war bei einem Krieg noch die Hälfte der russischen Soldaten an Epidemien und Krankheiten verstorben. Über 200.000 Mann mussten in einem Zeitraum von mehreren Monaten in Lazaretten behandelt werden. Später im Krimkrieg tat sich ein gewisser Nikolai Pirogow hervor auf dem Gebiet der improvisierten Feldchirurgie mit Narkosemitteln und wurde dadurch zu einem Nationalhelden. Wurde man als russischer Soldat durch ein Geschoss oder Splitter verwundet, hatte man sehr schlechte Karten, weil alleine der Transport in ein Krankenhaus die Kriegslogistik überforderte und dann stieß man auf einen Mangel an medizinischem Personal und Material. Mit Pirogows Triage-System und Amputations-Marathons inklusive neuer Techniken erzielte er deutlich höhere Überlebens-Raten als die Franzosen und die Briten.

Während in Frankreich und Britannien ein regelrechter Hype entstand über Kriegsberichterstattungen, galt in Russland fast ein informationstechnischer Blackout. Wochen nach einer wichtigen Schlacht gab es darüber eine kurze Meldung. Das Informationsvakuum wurde gefüllt durch allerhand Gerüchte. Das Spitzelsystem machte Jagd auf Personen, die im privaten Kreis Zweifel an der offiziellen Darstellung äußerten.

Die leibeigenen Bauern litten besonders, da junge Männer von den landwirtschaftlichen Höfen zum Kriegsdienst eingezogen wurden und die Bauern auch noch die Extra-Steuerlast tragen mussten. Es sollen auch gezielt Lügen gestreut worden sein, dass die Kriegsdienstleistenden später mit der Freiheit für sich und ihre Familien belohnt würden. Mangels Eisenbahnen musste Nachschub für die Truppen mit Pferden oder Ochsenkarren über verschneite Wege geliefert werden. Es fehlte an Winterkleidung, aber nicht an Wodka.

Obwohl die russische Armee insgesamt 1,2 Millionen Soldaten zählte, war diese zu keinem Zeitpunkt in der Lage, auch nur eine Anzahl von 200.000 Soldaten auf der Krim zu konzentrieren. Und so besuchte 1855 der neue russische Zar Alexander II. die Krim und bald darauf wurde ein Frieden geschlossen. Er heiratete Marie von Hessen-Darmstadt. Gemeinsam mit Großherzogin Alice von Hessen arrangierte sie die Ehe ihrer einzigen Tochter Maria mit Herzog Alfred von Edinburgh, der der zweite Sohn der britischen Königin Victoria und ihres Gemahls Albert von Sachsen-Coburg und Gotha.

Zar Alexander nahm die schlechte Performance im Krimkrieg als Anlass, um Bildungsreformen umzusetzen und die Leibeigenschaft der Bauern schrittweise aufzuheben. Der gewöhnliche russische Adel war erbost und erst die kommunistisch getarnte Revolution und der Bürgerkrieg ab 1917 fegte diesen gewöhnlichen Adel hinweg. Früher hatte die Faustregel gegolten, dass von der wehrfähigen Bevölkerung nicht mehr als fünf bis sechs Männer pro tausend zum Militär einberufen werden können, ohne das ganze System zu gefährden. Nach ihrer 25-jährigen Dienstzeit erlangten Soldaten soziale Freiheit.

Zudem wurden nach dem Krimkrieg mehr Eisenbahnen gebaut.

Im Bürgerkrieg nach der kommunistischen Revolution wurden beide Seiten des Konflikts mit westlichem Geld und Gerät versorgt. Planmäßig verlor der gewöhnliche russische Adel und wurde vertrieben. Sofort begannen immer mehr Technologieverkäufe durch primär amerikanische Firmen an die Kommunisten.

Während dem Zweiten Weltkrieg rettete das amerikanische Lend-Lease-Programm die sowjetischen Kriegsbemühungen gegen Nazideutschland. Der Kommunismus hatte die Bürger de facto in eine neue Leibeigenschaft getrieben, bei der der Besitzer des Ackerbodens und der Fabriken formell die Allgemeinheit war, und die Partei als Verwalter ähnlich Macht besaß wie in einem klassischen Adelssystem.

Die USA fütterten den Sowjetapparat an mit Technologieverkäufen und erhöhten dementsprechend ihre Verteidigungsetats. Nach dem Ende der UdSSR im Jahr 1991 kollabierten der russische Verteidigungshaushalt und die Amerikaner mussten sogar erhebliche Summen beisteuern, um das ehemalige sowjetische Atomwaffenarsenal zu sichern. Unter Putin wurde wieder die römische Tradition hervorgekehrt und die führenden Funktionäre und Oligarchen des Systems zogen in alte Paläste oder bauten sich neue.

Die verhältnismäßig kleinen Tschetschenienkriege zeigten, wie heruntergekommen das russische Militär gekommen war. Noch 2009 zeigte sich bei einer Großübung, dass man selbst mit Gegnern wie Polen oder Estland Probleme hätte. Die gegenwärtige Mobilisierung von 300.000 neuen Soldaten für den Ukrainekrieg bei einem Mangel an Essensrationen und Ausrüstung vervollkommnen das Revival zaristischer Verhältnisse in Russland. Es erinnert an uralte zustände, während die Amerikaner aus den Vollen schöpfen und immer mehr Hilfen liefern an Kiew.

AlexBenesch
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