Kommentar
Der Ex-KGB-Agent Yuri Bezmenov erklärte geradeheraus:
Aus irgendeinem seltsamen Grund denken Leute automatisch, egal ob Hollywood-Filmemacher, Politikwissenschaftsprofessoren oder sogenannte Experten für sowjetische Angelegenheiten, wenn man den KGB erwähnt, es sei der größte Wunsch von Andropow und des KGB, Baupläne aus dem Westen für Überschallflugzeuge zu stehlen und diese dann dem sowjetischen Militärkomplex zu verkaufen.
So etwas ist aber nur ein kleinerer Teil der Geheimdienstarbeit.
Wenn wir betrachten, wieviel Zeit, Geld und personelle Ressourcen die Sowjetunion insgesamt außerhalb der eigenen Grenzen aufwendet, dann sehen wir, dass klassische Spionage nur einen kleinen Bruchteil von etwa zehn bis 15% ausmacht. Der Rest ist immer Subversion. Subversion im sowjetischen Sprachgebrauch bedeutet immer destruktive, aggressive Unterfangen, um ein fremdes Land oder eine ganze Region zu zerstören. Da gibt es keine Agentenromantik, keine gesprengten Brücken oder Mikrofilme, die in Cola-Dosen geschmuggelt werden. Keinen James Bond-Nonsens.
Das meiste dieser Aktivitäten ist offen, legal und leicht zu erkennen, wenn man ein wenig Zeit und Mühe in die Beobachtung investiert. Ein „Subversiver“ kann ein Austauschstudent sein, der hierherkommt, ein Diplomat oder ein Schauspieler, ein Künstler oder ein Journalist. Subversion ist eine zweispurige Straße. Man konnte die Sowjetunion nicht so leicht untergraben, weil die Grenzen geschlossen waren, die Medien zensiert werden und die Bevölkerung kontrolliert.
Subversion kann nur funktionieren, wenn der Agent ein empfängliches Zielpublikum hat. Es ist die höchste Kriegskunst, überhaupt nicht mit Waffen zu kämpfen. Stattdessen will man alles untergraben, was im Feindesland einen Wert hat. Solange, bis die Realitätswahrnehmung des Feindes dermaßen kaputt ist, dass er dich gar nicht mehr als Feind wahrnimmt. Dass dein System, deine Zivilisation, deine Ziele als Alternative betrachtet werden. Nicht unbedingt als schöne Alternative, aber doch zumindest als praktikabel, als besser. Man will die Subversion soweit treiben, dass man schlussendlich den Feind einnehmen kann, ohne eine einzige Kugel abzufeuern. In der UdSSR werden die Grundlagen der Subversion allen Schülern der KGB-Einrichtungen und der Militärakademien beigebracht.
Subversion verläuft in vier Phasen
Die erste nennt man Demoralisierung. Es dauert rund 15 bis 20 Jahre, um eine Gesellschaft zu demoralisieren. Solange braucht man, um eine Generation an Menschen zu erziehen. In diesem Zeitrahmen lernt ein Mensch, formt seine Weltsicht, seine Persönlichkeit und seine Ideologie. Die Werkzeuge sind Infiltration, Propaganda, direkte Kontakte usw. Alles, was die öffentliche Meinung beeinflusst.
Das Land das man angreifen möchte, begeht garantiert irgendwelche Schandtaten. Wenn es sich um eine freiheitliche demokratische Gesellschaft handelt, dann gibt es darin viele Gruppierungen und Organisationen. In jeder Gesellschaft gibt es Menschen, die gegen die Gesellschaft sind. Das können gewöhnliche Kriminelle sein, Leute die eine andere Ideologie vertreten als der Staat, gewissenhafte Feinde oder Psychopathen, die gegen alles sind. Und dann gibt es noch eine kleine Anzahl an Agenten, die für eine fremde Nation arbeiten. Gekauft, rekrutiert, umgedreht. Sobald alle diese Gruppierungen in eine einzige Richtung drängen, muss man sie weiter und weiter in dieselbe Richtung ziehen. Solange bis die Gruppierungen das ganze Land in den Kollaps, in die Krise zwingen. Wir stoppen den Feind nicht, wir helfen ihm sogar noch dabei, in die von uns gewünschte Richtung zu gehen.
Der nächste Schritt ist Destabilisierung. Wie geht das? Man braucht kein Bataillon an KGB-Agenten zu schicken, um überall Brücken zu sprengen. Man lässt die Leute das selbst erledigen, durch die Radikalisierung menschlicher Beziehungen. Keine Kompromissbereitschaft mehr. Kampf, Kampf, Kampf. Militarisierung sogar. Leute tragen ihre Meinungsverschiedenheiten nicht mehr im Rahmen von Recht und Gesetz aus.
Die Schläfer-Agenten kommen hierher oder sind bereits hier und werden aktiviert. Schwarz kämpft gegen weiß, gelb gegen grün, was auch immer. Die Schläfer werden zu Anführern des Destabilisierungsprozesses. Sie haben in der Vergangenheit Geld erhalten von gewissen Stiftungen.
Dies alles führt zur nächsten Stufe, der Krise. Die legitimen Einrichtungen der Macht in der Gesellschaft können dann nicht mehr funktionieren.
Nicht gewählte Räte, seltsame Gruppen, greifen nach der Macht und holen diese sich mit Gewalt. Krise bedeutet, dass die Gesellschaft nicht mehr funktionieren kann und kollabiert. Die Bevölkerung sucht nach Rettern in der Not, nach einem Messias. Ein starker Mann wird verlangt, eine starke Regierung. Ein Führer. Entweder kommt eine ausländische Macht herbei, oder einheimische Gruppen. Entweder kommt es zum Bürgerkrieg, oder zu einer Invasion.
Danach folgt die Phase der Normalisierung, ein zynischer Begriff. Der Begriff wurde entliehen von der Situation in Tschechoslowakei 1968. Die Sowjetpropaganda und zuvor auch die New York Times erklärten, die Lage im Land habe sich normalisiert. Die Panzer sind nach Prag gekommen und jetzt gibt es keinen Prager Frühlingsaufstand mehr.
In dieser Phase haben die selbsternannten neuen Herrscher der Gesellschaft keine Verwendung mehr für Revolution und revolutionäre Bewegungen. Es ist das genaue Gegenteil zu der anfänglichen Phase der Destabilisierung. Es handelt sich um eine Stabilisierung des Landes durch Gewalt. All die Schläfer und Aktivisten werden eliminiert, manchmal sogar physisch. Die haben ihren Zweck erfüllt und werden nicht mehr gebraucht. Die neuen Herrscher brauchen Stabilität, um das Land auszubeuten.“
