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Forschung legt nahe: Standard-Content über „Verschwörungen“ macht Leute noch machtloser

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Kommentar

Das „Routledge Handbook of Conspiracy Theories“ soll das Standardwerk sein zu der Forschung über „Verschwörungstheorien“. Im Prinzip kann jeder minderbegabte Faker vorgeben, ein Experte zu dem Thema zu sein. Man muss nur dieselben paar wenigen Binsenweisheiten verinnerlicht haben (verängstigte, nicht-analytisch-denkende Menschen glauben an Verschwörungstheorien…) und fertig ist der Lack.

Je größer der Markt für schlechten Verschwörungs-Content wird, umso größer wird der Markt für schlechte Forschung zu schlechtem Verschwörungs-Content. Kurzfristig lassen sich zwar manche Verschwörungs-Influencer ins Ausland verjagen, Geldquellen lassen sich abdrehen, Anzeigen bei der Polizei aufgeben und die großen Social Media-Plattformen bereinigen. Aber die Gesellschaft bleibt genauso kaputt wie sie es bisher war, die nächste größere Krise (Cyber, Ost-West-Konflikt usw.) kommt bestimmt und wie immer anlässlich einer größeren Krise wird es einen neuen Boom geben für schlechten Verschwörungs-Content. Und je krasser die Krise, umso mehr steigt die Bedrohung durch verstrahlte Verschwörungsaktivisten und durch neue Maßnahmen der Regierungen.

Gäbe es nicht so viel Müll-Content über (vermeintliche) Verschwörungen, müssten sich Pia Lamberty und solche Gestalten richtige Jobs suchen. Sie könnten nicht länger Vollzeit damit zubringen, die immergleichen fünf Binsenweisheiten aufzublasen auf langwierige Statements.

Die John Birch Society wird in dem „Routledge Handbook of Conspiracy Theories“ nur kurz und oberflächlich erwähnt, ohne näher einzugehen auf die ausladende Finanzierung und die Nähe der antikommunistischen Zirkel zu den Geheimdiensten. In der heutigen Zeit gibt es einen noch viel größeren Wust aus Seilschaften von amerikanischen Milliardären aus der Industrie und dem Umfeld der Republicans, die in ihre schier endlosen Taschen greifen, um das Zielpublikum vollzudröhnen mit manipulativen Narrativen.

Auch die Schilderungen über die lange Geschichte antisemitischer Märchen fallen im „Routledge Handbook“ extrem knapp und oberflächlich aus. Dabei hatten ja gerade die entscheidenden Fakes, wie der Rothschild-Waterloo-Mythos und die Protokolle von Zion, den Effekt, dass alle Sünden des britischen Kolonialreichs und der USA zunehmend fehlinterpretiert wurden bei einem gewissen Zielpublikum als die Sünden einer heimlichen jüdischen Weltregierung. Dem angloamerikanischen Hochadel, Großindustriellen und einflussreichen Politikern spielte der Unsinn in die Hände und wurde dadurch verstärkt, dass jüdische Kleinstfamilien wie die Rothschilds unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit beispielsweise vom britischen Thron und der Regierung beauftragt worden waren, mit Bonds zu handeln, um britische Militäraktionen zu finanzieren. Der Bond-Handel war legal, öffentlich und nach damaligen Maßstäben völlig normal. Das Konzept des fraktionalen Reserve-Bankings unter Führung der Bank of England und des Hochadels ging auf und war den Systemen konkurrierender europäischer Mächte überlegen. Mit ihren glasklaren Ansprüchen auf Weltmacht sorgten Britannien und die USA natürlich für viel Unmut bei anderen Großmächten. Und die konservativen Kreise in ebenjenen anderen Großmächten waren das Hauptziel der antisemitischen Propaganda. Nicht der Hochadel der Welfen, Wettiner und Reginare würde die Fäden ziehen, Kriege anleiern und Kolonien rücksichtslos ausbeuten. Nein, man erzählte das Märchen, dass jüdische Kleinstfamilien das britische Kolonialreich und die USA ungehindert übernommen hätten. In Wirklichkeit waren „Hoffaktoren“ (auch abschätzig als Hofjuden bezeichnet) nach wie vor unter adeliger Kontrolle. Die Rothschild-Banken konnten grundlegender Logik und historischer Realitäten zufolge nur die Tarnorganisation sein für den Hochadel und der Geheimdienste des Hochadels.

Aber was wissen schon die „Experten“ über Verschwörungstheorien davon. Sie glauben, dass Verschwörungstheorien auf ganz normale Leute zurückgeht und man sie deshalb ganz einfach eindämmen und bekämpfen könnte. Es klappt halt nur nicht. Dabei wiederholt man doch so fleißig dieselbe Handvoll Binsenweisheiten, die sich in Studien bestätigen ließen. Menschen mit geringerer Bildung, weniger analytischem Denken und größerer Angst glauben eher schlechten Verschwörungs-Content.

Kurzfristig scheint Verschwörungs-Content zu wirken wie eine Droge; beruhigend und stimulierend zugleich. Der Konsument wähnt sich im Besitz besonderes Wissens, hat eine starre Vorstellung davon, wer die Guten und wer die Bösen sind, schließt sich mit Gleichgesinnten zusammen und denkt, dass die großen Geheimnisse gelüftet sind und nur noch kommuniziert werden müssten. Wie bei Drogen so üblich, treten allerdings Entzugssymptome und Gewöhnungseffekte auf, sodass die Person zunehmend geschwächt wird und der Dauerkonsum irgendwann diejenigen negativen Emotionen befördert, die man mit der Droge eigentlich betäuben wollte.

Die Forscher meinen, dass Verschwörungs-Content (samt zugehörigem Lifestyle) letztendlich zu mehr Frustrationen führt und Probleme werden einfach nicht gelöst. Der Konsument erlebt zunehmend Probleme mit seinem sozialen sowie beruflichen Umfeld und gibt sich vermehrt nur noch mit anderen Konsumenten ab, die sich gegenseitig bestätigen. Das (selbst-) destruktive und kriminelle Verhalten wird ausgeprägter. Der Verschwörungs-Content und der Lifestyle machen die Menschen weniger Einflussreich und vermindern deren Kontrolle über die Welt.

Kein Wunder, dass man das solange hat laufen lassen und sogar förderte (wie durch die John Birch Society oder generell durch angloamerikanische Geheimdienste). Untersuche die selbsternannten Experten ausführlich und auf nachrichtendienstlichem Niveau den Anreiz, dass Eliten Conspiracy-Bullshit zirkulieren (lassen)? Nein. Und so schaffen sie es auch nicht, das Problem von wirklich schlechtem Conspiracy-Content wirklich einzudämmen. Weil das wohl auch gar nicht beabsichtigt ist. Das Forschungsgebiet ist ein halber Scam, ein Bremspedal zu dem Gaspedal, mehr nicht.

Pia Lambertys Kapitel ist eines der schwächsten im ganzen Buch. Sie schreibt mit ihrem Co-Autor von dem „very basic concept“, ein Verschwörungsglaube bedeute, dass manche Leute sich verschworen hätten, um anderen Leuten zu schaden. Ohne Wahrheitsgehalt als Kriterium. Ihr Begriff wird somit bedeutungslos. Dabei gibt es längst etablierte Definitionen aus den Feldern Law Enforcement und Geheimdienste. Die Strafverfolgung kennt „organisiertes Verbrechen“ und die Geheimdienstler kennen feindselige Geheimoperationen. Es liegt entweder ein organisiertes Verbrechen oder eine feindliche Geheimoperation vor, oder nicht. Statt von einer schlechten „Verschwörungstheorie“ zu sprechen, kann man einfach von einer schlechten Analyse bzw. Hypothese sprechen, die dabei scheitert, organisierte kriminelle Handlungen oder Geheimoperationen zu beweisen oder genügend Anhaltspunkte finden für einen begründeten Verdacht. Lamberty liefert seitenweise überflüssiges Geschwalle über Definitionen, obwohl das in den ersten paar Kapiteln des Buchs und in weiteren Kapiteln bereist ausführlich besprochen wurde. Verwendet man etablierte Begriffsdefinitionen aus der Polizei- und Geheimdienstwelt, merkt man sofort, dass Lamberty und Kollegen gar nicht wirklich qualifiziert sind für die Materie; es sei denn es handelt sich um die Besprechung von Zeugs wie Flacherde.

Man schafft sich dumme Definitionen, die alles und nichts umfassen, um im Geschäft zu bleiben. Lamberty bringt wieder nur das altbekannte Geschwalle, dass Leute sich machtlos fühlen, nicht analytisch denken und deshalb an Verschwörungen glauben. Echt jetzt? Das gleiche simple Geschwalle wie in allen anderen chapters?

Das Individuum ist in der Welt tatsächlich fast machtlos. Ohne (Fach-)anwalt kapiert der Bürger nicht einmal grundlegendste Rechte und (straf-)rechtliche Prozedere. Die Polizei kann den Normalbürger nicht wirklich schützen, weil die paar Streifenbeamte die simplen Gesetzesverstöße beackern und bei den großen schnell an ihre Grenzen stoßen. Der Normalbürger kann mit geheimdienstlichen Zersetzungsmaßnahmen drangsaliert werden und irgendwie findet sich dann intern dafür der passende Gummiparagraph. Alle paar Jahre ein Kreuz zu malen auf einem Stück Recyclingpapier für Politiker, die der Bürger gar nicht wirklich kennt, ist keine Macht.

Später wird der Forscher David Robert Grimes von der Universität Oxford zitiert mit der Schätzung, dass 405.000 Mitwisser nötig seien, um den Klimawandel zu faken. Grimes‘ Hintergrund war ursprünglich Musik und Schauspielerei. Dann dämmerte ihm wohl doch, dass er einen richtigen Job braucht und studierte Physik. Was Geheimoperationen anbetrifft, scheint er komplett blank. Deshalb kann man auch seine lächerlichen Berechnungen in die Tonne treten, laut denen man z.B. einfach die komplette Anzahl an Personen zusammen-addiert, die im Bereich Klima arbeiten, um das Minimum (!) an notwendigen Mitwissern einer hypothetischen Verschwörung zu berechnen. Laut seinem Gestammel würde eine solche Operation selbstverständlich auffliegen. Dumm nur, dass Geheimoperationen nie auch nur annähernd so konstruiert sind. Geheimhaltung ist primär abhängig von zwei Faktoren, nämlich Expertise in Geheimhaltung und Geld, das für Geheimhaltungsmaßnahmen zur Verfügung steht. Geheimhaltung hat verschiedenste Preis-Leistungs-Kategorien. David Robert Grimes hat, so sicher wie die Erde eine Kugel ist, nie einen eigehenden Code-Audit gemacht von der alles entscheidenden HadGEM-Software, die im britischen Militärkeller (Türschild „Met Office“) auf einem amerikanischen Supercomputer läuft. Er hat nie ergründet, dass die Klimaforschung primär militärisch ist und dass das Thema viel zu wichtig ist, als dass man jeder ausländische Macht cleane Daten und Computer-Modelle aushändigt. Er hat sich anscheinend noch nie damit auseinandergesetzt, wie die bestehende Forschung über ein chaotisches, non-lineares System wie das Klima nicht gut genug ist, um das Klima des Jahres 2121 akkurat zu berechnen. Die echten Fehlerquoten zu berechnen, ist unmöglich. Der Versuch führt zu einer Vervielfältigung der ohnehin schon überwältigenden Datenmenge. Grimes beweist mit seinem Gestümper, warum böswillige Geheimoperationen so erfolgreich sind. Denn seine Fähigkeiten und seine Zeit sind so begrenzt, dass er nicht einmal grundlegende geheimdienstliche Prinzipien zu kennen scheint und sich dennoch anmaßt, mit seinem Fachbereich (Physik) komplett fremde, andere Fachbereiche erklären zu wollen. Ich selber würde mir nie anmaßen, in seinen Fachbereich Physik auf diese Weise reinzureden. Er hat letzten Ende das Gegenteil demonstriert von dem, was er eigentlich demonstrieren wollte.

Da draußen laufen also gefährlich naive Akademiker herum, die tatsächlich glauben, je mehr Personen an etwas beteiligt sind, umso unwahrscheinlicher werden Geheimoperationen. Um Gottes Willen.

Die Grimes-Studie:

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0147905

AlexBenesch
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