Ein „Sturz“ Putins durch Generäle oder Geheimdienstler würde nur zum Schein eine Veränderung bringen

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Kommentar

Westliche Medien werden angefüttert von aktiven und ehemaligen Funktionären aus den Geheimdiensten und der Außenpolitik. Das Mantra lautet, Wladimir Putin hätte ernsthaft erwartet, mit kaum 200.000 Truppen und minimalen Luftwaffenoperationen würde Kiew nach drei Tagen fallen und die ganze Nummer würde im Prinzip ablaufen wie Hitlers anfänglicher Anschluss von Nachbar-Territorien mit viel Pomp, bevor der richtige Krieg begann. Putin sei nun gewaltig frustriert und würde seine Staatsfunktionäre anbrüllen, so wie Hitler einst in der späteren Kriegsphase. Das Regime sei nach dem Motto „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ auf ihn zentriert worden durch einen Personenkult und durch die entsprechende Kommandostruktur und falls er plötzlich stirbt, oder abgesägt wird, dann wären große Veränderungen die Folge. Mit jedem Tag, an dem der Krieg in der Ukraine nicht gut läuft und die Sanktionen die russische Wirtschaft erdrücken, erodiere Putins Machtbasis und die Wahrscheinlichkeit erhöhe sich für eine Palastrevolte.

Gerade der durchschnittliche deutsche Zuschauer von SPIEGEL TV und öffentlich-rechtlichen Dokus zum Dritten Reich fühlt sich angesprochen und meint, die Lage einschätzen zu können.

Die tatsächlichen Kommandostrukturen Russlands sind aber geheim und wuchsen aus dem KGB heraus. Putin war nur aus der dritten Reihe, während Leute mit Format wie Primakow die Strippen zogen. Auch die heutigen begüterten Staatsfunktionäre in Russland sind nicht anders als Leute aus arabischen Großclans, die in Berlin herumfahren im Lamborghini, aber offiziell gemeldet sind als Hartz4-Empfänger. Das Auto ist registriert auf die Briefkastenfirma von der Briefkastenfirma vom Onkel vom Cousin vom Bruder. Würde der Fahrer sich gegen seinen Clan stellen, stünde er sofort vor dem Nichts.

Wer hat denn das Spiel erfunden, bei dem Geheimdienst-Assets als Pseudo-Oligarchen aufgebaut werden und große Paläste bauen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Das britische Kolonialreich. Und eben jenes britische Kolonialreich verwandelte London zu Londongrad, wo heute noch Polizisten mit dem Kronen-Emblem Reporter verscheuchen von den Villen der betuchten Russen.

Als Hitler mit seinen Kriegen begonnen hatte, streckten seine Generäle die Fühler aus nach Großbritannien, um geheime Verhandlungen zu führen: Hitler umbringen oder auf seinen Obersalzberg verbannen, Polen weitestgehend zurückgeben und dafür Sicherheitsgarantien bekommen von den Briten. Eine Schlüssel-Bedingung war die erweiterte Sicherheitsgarantie, falls das Absägen/Ermorden von Hitler zu einem Bürgerkrieg führen würde. Die NSDAP-Führung hätte sich nämlich an die Macht klammern und einen Kampf gegen die Generäle führen können. In diesem Fall wäre Deutschland besonders geschwächt gewesen und dementsprechend anfälliger für Angriffe von außen.

Es kam nie zu dem internen Sturz Hitlers (aus teils sehr ominösen Gründen) und er traf genau die Entscheidung, auf die es Britannien abgesehen hatte, nämlich einen Angriff gegen die Sowjetunion mit 3 Millionen Mann, anstatt die britischen Inseln einzunehmen. Hitlers Geheimdienste wussten sehr wenig über Russland, schon gar nichts über die 35.000 gepanzerten Fahrzeuge dort. Umgekehrt erfuhren die Russen bald alle Details aus der deutschen Militärführung.

Genauso könnte es eben nicht zu dem Sturz Putins kommen. Auch dann, wenn Putins Generäle und Geheidienstchefs die Fühler international ausstrecken. Es wird gemunkelt, dass der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit „Herzproblemen“ von der Bildfläche verschwunden ist. Er wurde seit 12 Tagen nicht mehr gesehen und im Fernsehen wurden alte Aufnahmen und Bilder von ihm gezeigt, heißt es in Berichten oppositioneller Medien.

Wladimir Putins Risiko, durch einen Putsch unter Führung des russischen Sicherheitsdienstes abgesetzt zu werden, wächst jede Woche, behauptet Vladimir Osechkin. Der russische Präsident soll dem FSB die Schuld dafür geben, dass es ihm nicht gelungen ist, schnell die Kontrolle über das Land zu übernehmen. Ist das wirklich glaubwürdig? Putin ist narzisstisch und würde demnach immer andere für Versagen verantwortlich erklären, aber mit 200.000 Mann und dem Ruf Russlands war nie eine Chance auf eine einfache Übernahme der Ukraine.

Unter Berufung auf seine Quelle sagte Osechkin der Zeitung, dass die privilegierten Geheimdienstagenten des Landes daran gehindert wurden, zu ihren Ferienhäusern zu reisen, oder dass sie nicht in der Lage waren, „ihre Kinder nach Disneyland Paris zu bringen“. Die FSB-Agenten, die sich an ein besseres Leben gewöhnt hätten, wollten nicht „in die Sowjetunion zurückkehren“, sagte Osechkin.

Das mag zutreffen, aber es gab bereits unter Stalin massive Säuberungen in höchsten Parteikreisen und unter Mao wurde auch immer wieder die gesamte Partei gesäubert, weil die kommunistischen Funktionäre auf die Bremse traten und nicht mehr konstant im Kriegsmodus dachten. Die Gewöhnung an Luxus hatte einst dazu geführt, dass die Araber die Kontrolle verloren über das islamische Kalifat, denn die kriegsmüden Araber rekrutierten lieber türkische Seldschuken als Kämpfer, was letztendlich dazu führte dass Türken das Kalifat regierten. Im Disneyland oder in einer Schweizer Ski-Hütte können reiche Russen theoretisch eben auch unerlaubte Gesprächskanäle etablieren mit den Westmächten. Wer weiß, ob westliche Geheimdienste nicht einfach nur Gesprächsbereitschaft vortäuschen, um russische Figuren innerhalb des russischen Regimes zu diskreditieren.

Das russische Regime heute würde sicherlich nicht seinen Geheimdienstlern direkten Zugriff geben auf die internationalen Bankkonten und Tarnfirmen. Wer sich weigert, wird aussortiert. Viele hoffen auf einen Giftanschlag gegen Putin, aber genauso weiß kein anderer Staatsfunktionär, ob seine Haushaltshilfe heimlich Gift in den Kaffee mixen oder die Unterwäsche mit Thallium kontaminieren würde. Bei Hitler ranken sich bis heute Spekulationen um seine Leibärzte, aber schleichende Vergiftungen hätten durch unzählige Personen aus seinem Umfeld stammen können. Der ganze Obersalzberg war Sperrgebiet für den Führer, aber der Organisator Martin Bormann wurde von dem zweifachen Pulitzer-Preis-Träger Louis Kilzer enttarnt als Spion, der den Russen alle militärischen Pläne übermittelte. Es wäre nicht schwer gewesen für Bormann, der mehr oder minder den Zugang zum Führer geregelt hatte, Agenten einzuschleusen und zu rekrutieren, um Hitler schleichend zu vergiften. Nicht um ihn umzubringen, weil ansonsten die Generäle nach der Macht gegriffen hätten.

Im Moment läuft der Krieg in der Ukraine miserabel und solange Putin sich ans Amt klammert, geht das russische Imperium den Bach hinunter aus Sicht amerikanischer Strategen. Es ranken sich Gerüchte um eine mögliche Krebserkrankung Putins und um seine aktuellen öffentlichen Auftritte mit aufgedunsenem Gesicht und gequältem Ausdruck, der nicht unbedingt nur durch den Stresspegel zustandekam. Vielleicht arbeitet Putin eben nur für eine geheime KGB-Kommandostruktur, die er selbst nicht genau und vollständig kennen darf. Vielleicht hatte die KGB-Kommandostruktur von Anfang an eingeplant, Putin wie einen Alleinherrscher aussehen zu lassen, um ihn strategisch zu einem späteren Zeitpunkt abzuservieren, damit man einen Neuanfang behaupten kann und sich die internationalen diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen normalisieren.

Genauso ist es denkbar, dass Putin, ob todkrank oder nicht, eine konstitutionelle Monarchie ausruft und sich zum Zaren krönen lässt. Dieser Schachzug wäre propagandistisch besser, als das Geschwätz über die Osterweiterung der NATO als Rechtfertigung für seinen Ukraine-Krieg. Ein neues Zarenreich kann auch ohne Putin geschehen und als Erneuerung bzw. Restauration der vorkommunistischen Verhältnisse vermarktet werden.

Mit drei kleinen Atomwaffen und einer offen deklarierten Partnerschaft mit China könnte Putin den Ukraine-Krieg für sich entscheiden, sich in St. Petersburg die Krone aufsetzen lassen vom KGB-Patriarch der orthodoxen Kirche und dann einen triumphalen Besuch machen in Kiew und die Stadt umbenennen in St. Putinburg.

2 Kommentare

  1. Hinzu kommt noch, daß Putin den Großteil seines Einflusses im Westen, dem er über zwanzig Jahre aufgebaut hat, mit seinem Angriff auf die Ukraine zerstört hat. Insbesondere Osteuropa wird das lange nicht vergessen und als Barriere für russische Machtexpansion Richtung Westen fungieren.

  2. Für Russland ist die Ukraine schon verloren. Sie werden es wohl schaffen den Donbass abzutrennen, aber viel mehr ist nicht drin, weil die allermeisten Ukrainer eben keine Russen sein wollen. Mehr noch: Die Ukraine und die Ukrainer, auch in Russland, werden zukünftig ein Anti-Russland darstellen und westliche Ideen und Protest nach Russland tragen.
    Gleichzeitig glaube ich, daß es Russland gelingt sich als von Amerika unabhängiger politischer Pol zu etablieren, aber dieser Pol wird sehr schwach sein und nicht viel mehr als Russland und Weißrussland umfassen. Selbst Kasachstan hat längst den Weg Weg von Russland eingeschlagen und lässt die Russen jetzt bei der Umgehung von Sanktionen hängen.
    Russland fehlt vor allem die wirtschaftliche Basis um wirklich stark zu sein und auch die stark hierarchische Machtstruktur mit ihrer Vetternwirtschaft und Inkompetenz wird sich immer mehr als Bremsklotz erweisen.

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