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Rezension von „Der Spion“ mit Benedict Cumberbatch

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Bild: Loredana Sangiuliano/Shutterstock.com

„Der Spion“ mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle ist nun auf den gängigen Streamingplattformen zu leihen. Interessanterweise heißt der Film im englischen Original „The Courier“ was die Tätigkeit der Hauptfigur Greville Wynne besser beschreibt. Diese Person gab es tatsächlich, aber die Realität unterscheidet sich dann doch stark von dem Film.

https://youtu.be/2Avp72m1pFo

Der Film-Greville ist ein passabler britischer Geschäftsmann, der sich langweilt in seinem Beruf und seiner Ehe. Er hat weder irgendein besonderes Talent, noch irgendeine besondere Aufgabe im Leben. Der Geheimdienst Secret Intelligence Service (MI6) rekrutiert ihn gerade wegen seiner Bedeutungslosigkeit als einen Kurier für Material, das der sowjetische Colonel Oleg Penkowski liefert über das Atomwaffenprogramm und die Absichten zur Stationierung von Raketen auf Kuba. Penkowksi arbeitet für den Militärgeheimdienst und lässt es gegenüber seinen Vorgesetzten so aussehen, als hätte er den Geschäftsmann Greville rekrutiert als Beschaffer für Technologie. Zunächst soll Greville nur den Kontakt herstellen, aber bald werden die Besuche in Moskau, getarnt als Geschäftsbeziehung, immer häufiger und aus dem Amateur Greville wird ein immer ernsterer Profi im Spy Game. Das Risiko wird entsprechend höher.

Der Film ist um ein Vielfaches unterhaltsamer als so einige Verfilmungen von typischem LeCarré-Material aus den vergangenen Jahren. Es ist witzig und ernst zugleich; es geht um die Verhinderung eines Atomkriegs und nicht um irgendeinen kleinen Fall. Wer mit Spionagethemen und dem Kalten Krieg nichts anfangen kann, der wird sich vielleicht langweilen, weil es keine wilden Verfolgungsjagden gibt, keine Explosionen und keine Bond Girls. Gleichzeitig ist es aber so, dass einem, sofern man belesen ist in dem Thema, dann doch im Film zu krasse Fehler im „Tradecraft“ auffallen, die wohl einfach dazu dienen sollen, dass der Plot sich schneller bewegt. Außerdem ist einem am Ende klar, dass es sich bei dem Film um Werbung handelt für die angloamerikanische Geheimdienst-Community. Nicht einfach nur, weil die Sowjetunion in einem sehr negativen Licht dargestellt wird und so manche Komparsen wohl deswegen angeheuert wurden, weil sie ein stereotypes Aussehen haben. Fairerweise wird in dem Film darauf hingewiesen, dass die NATO ebenfalls mit Atomwaffen näher an die UdSSR rückte und dass auf beiden Seiten Panik und Paranoia herrschte. Der MI6 und die CIA werden geradezu glorifiziert in dem Film, auch wenn die Schattenseiten des Spionagewesens gezeigt werden. Ja, Agenten werden benutzt, so die Message, ja alles richtet sich letztendlich nach Notwendigkeiten und nicht nach menschlichen Prinzipien, aber die Aufgabe sei es wert und es gäbe trotzdem tiefe Freundschaften. In Wirklichkeit war Greville kein Amateur zu Beginn, sondern wahrscheinlich ein klassisch ausgebildeter Agent. Penkowski agierte nicht unbedingt aus Liebe für Frieden und Heiterkeit, sondern könnte eher darauf spekuliert haben, sich ein schönes Leben in Montana mit Spezial-Rente damit zu erkaufen. Oder Penkowski war ein Doppel-Agent, der den Angloamerikanern gezielt Material zuschanzen sollte, um die NATO bei der Kuba-Raketenkrise zu beeinflussen. Diese Krise war vielleicht von Anfang an so orchestriert gewesen, dass nie eine dauerhafte Stationierung der Atomraketen geplant war. Man muss also bei dem Film, genau wie in der Spionagewelt, immer damit rechnen, getäuscht zu werden. Der Film ist eine überhöhte, idealisierte Darstellung und eignet sich dazu, als nächstes richtige Bücher in die Hand zu nehmen zu dem Thema und auch bei diesen Büchern immer wachsam und misstrauisch zu sein.

Cast & Charaktere

Da solche Filme eigentlich nur aus Dialogszenen bestehen, steht und fällt alles mit dem Casting. Cumberbatch ist wie erwartet großartig und auch alle anderen Rollen sind zielsicher besetzt. Wir sympathisieren mit der Dame von der CIA und ihren Vorgesetzten und all ihren Eigenheiten. Die Briten sehen extrem britisch aus. Die Russen sehen extrem russisch aus, knapp unterhalb der Klischée-Grenze. Man mag selbst Grevilles Frau; vor allem wenn sie selbst irgendwann managen muss, welche Informationen sie mit wem teilt. Selbst die neugierige Nachbarin erweckt dann plötzlich Misstrauen.

Ton

Von der Filmmusik bekommt man so gut wie nichts mit, was das Erlebnis deutlich schmälert. Wenn man schon die Charaktere aus dem Kalten Krieg so herrlich stereotyp hinbekommen hat, ohne dabei abzudriften, dann ließe sich auch die Musik so gestalten. Der Film klingt nach nichts.

Bild

Die Cinematografie ist sehr angenehm, was auch dringend notwendig ist. Es wirkt klassisch und modern zugleich. Alles ist sehr „smooth“ im Stil von 35mm-Film, aber man hat eine moderne Schärfe und Klarheit. Manchmal ist das digitale Grading zu offensichtlich und etwas zu klischéehaft. Der Look macht viel an dem Film aus, weil er de Film tragen muss. Je größer der Bildschirm (oder die Leinwand) umso besser. Das Editing ist gelungen, also weder zu modern, noch zu altbacken.

Drehbuch

Die Geschichte bewegt sich flott voran und der Ton wird düsterer, je mehr Greville in das Spionagebusiness einsteigt. Anders als der reale Fall wirkt das Drehbuch, als sei es bei der Kuba-Raketenkrise um alles gegangen. Es ist hollywood-mäßig „over the top“, aber driftet nicht ins Lächerliche ab, weil im Kalten Krieg eben diese grundlegende Furcht vorherrschte, es könnte jederzeit zu einem Atomkrieg kommen.

Ikonografie

Es wird nichts Ikonografisches an dem Film im Gedächtnis hängen bleiben. Das historische Thema wurde schon vielfach verfilmt (oftmals schlechter) und der „Spion“ kann nichts eigenes auf die Leinwand bringen, was nicht in irgendeiner anderen Form schon vielfach gezeigt wurde. Es fehlt auch ein Soundtrack wie in „Roter Oktober“, den sich jemand separat gerne anhören würde.

AlexBenesch
AlexBenesch
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