Die Verschwörung hinter den Verschwörungsmedien

Kommentar

Mal abgesehen davon, dass gängige Verschwörungs-Influencer schon immer heillos zerstritten waren und bei einer gröberen Meinungsverschiedenheit oder aus anderen Gründen sofort mit dem Vorwurf kommen, der Konkurrent und Kritiker arbeite heimlich für die CIA, Aliens oder Reptiloiden; gibt es tatsächlich eine dokumentierbare „Verschwörung hinter Verschwörungsmedien“.

Es wäre für das angloamerikanische Empire dumm und kontraproduktiv, Verschwörungsmedien kategorisch zu verbieten, weil das erstens die Gesetze nicht hergeben und zweitens weil bei Verboten und heftigen Zugangsbeschränkungen die Nachfrage nach solchen Medien steigt. Viel einfacher ist es für Eliten gewesen, den Bereich einfach von Anfang an selbst aufzubauen und zu bezahlen. Damit unterhielt man ein Sammelbecken und nutzte das ganze immer wieder für größere Täuschungsmanöver.

Aus der Not geboren

Der eigentliche Beginn der modernen Verschwörungsmedien liegt in den späten 1700er Jahren. Die britischen Geheimdienste (damals noch hauptsächlich aus dem weitverzweigten Hochadel) hatten bei der Französischen Revolution mitgemischt und dabei gab es ein peinliches Informationsleck bei einer Tarnorganisation namens „bayerischer Illuminatenorden“. Die Gruppe war Teil der vom Adel gesteuerten Pseudo-Aufklärungsbewegung, mit der man die Gesellschaften transformierte ins neue Zeitalter der Wissenschaft. Die Polizei gelangte an Mitgliederlisten und Interna der Illuminaten und veröffentlichte diese Daten auch noch. Als Reaktion mobilisierten die Briten Propaganda-Bücher mit Autoren und Ghost-Writern aus den eigenen Kreisen, wie etwa John Robison (Royal Society), Barruel und von Starck. Man bediente ein globales Publikum in verschiedenen Sprachen und lenkte den Verdacht in alle möglichen Richtungen; nur nicht in Richtung des britischen Geheimdienstes. Diese Werke wurden die Grundlage der modernen Verschwörungsmedien, auch wenn die meisten modernen Szenegänger diese Geschichte ihrer eigenen Szene gar nicht kennen.

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In der nächsten Phase wurden in frühsozialistischen Kreisen, die völlig infiltriert waren von verschiedenen Geheimpolizeien diverser Adelshäuser, gezielt die Märchen verbreitet über eine jüdische Weltverschwörung. Britannien hatte höchst selbst seine neue Zentralbank „Bank of England“ mit dem fraktionalen Reserve-Banking aufgebaut, und kontrollierte zudem die pseudo-privaten Merchant Banks wie Barings oder Rothschild. Besonders die Rothschild-Märchen waren von zentraler Bedeutung: Man log einfach zusammen, der winzige Clan hätte nach der Schlacht von Waterloo das britische Reich hintergangen, den Aktienmarkt abgezockt und irgendwie gleich noch die City of London und die Bank of England übernommen. Ungehindert und ungestört. Einfach so. Praktisch alle Sünden des britischen Kolonialreichs wurden fortan zurechtinterpretiert als Sünden der „Weisen von Zion“. Der durchschnittliche Konsument von Verschwörungsmedien hat von Geschichte im Prinzip null Ahnung und betrachtet sich aber als im Besitz von besonderem Wissen. Die Szenegänger haben es bis heute nicht fertiggebracht, ihre eigene Szene kritisch zu hinterfragen. Selbsternannte Experten über Verschwörungen können nicht erkennen, wenn sie für eine Verschwörung benutzt werden. Der moderne politische Antisemitismus geht eindeutig zurück auf Frühsozialisten aus Frankreich und Deutschland. Auch dies ist den Szenegängern meist überhaupt nicht bewusst.

Rechts

Im Laufe der 1800er Jahre wurde die vermeintliche jüdische Weltverschwörung als zentrales Narrativ aus der linken Sphäre weitestgehend entfernt und stattdessen stark verbreitet in völkisch-rechten Kreisen. Die britisch-adeligen Geheimdienste hatten genügend Agenten auf deutschem Boden um das Denken der völkischen Szene entsprechend zu manipulieren und Tarnorganisationen zu unterhalten. Britanniens Adel spielte die Rolle der von den Juden entmachteten ehemaligen Herrscher und signalisierte als Finte eine Kooperationsbereitschaft mit der deutschen Bevölkerung. Die Nationalsozialisten übernahmen von den Angloamerikanern nicht nur die moderne Eugenik, sondern gleichzeitig die Narrative über eine jüdische Weltverschwörung. Für Britannien war es nicht schwierig, über das Adels-Netzwerk das Dritte Reich auszuhorchen.

Birch

Im Kalten Krieg strickten amerikanische Kreise nahtlos weiter an den etablierten Narrativen. Großindustrie-Clans wie von Koch Industries bezahlten die John Birch Society, die einfach alte Verschwörungsbücher als Quellen hernahm und den offenen Antisemitismus zurückfuhr. Die Bestseller-Bücher der Birch Society wie etwa Gary Allens Werk wurden reihenweise für den deutschen Markt übersetzt oder kopiert. Die deutschen/europäischen Autoren fügten immer wieder auch Dinge hinzu wie rechte Esoterik, Außerirdische, Gralsmythen oder Nazi-Glorifizierung.

Die Birch-Bücher waren der entscheidende Einfluss auf die Internet-Ära und Figuren wie Alex Jones, der seine ganze relevante Pseudo-Bildung aus ein paar Büchern der Birch Society bezogen hatte. Im Internet war das Kopieren und Publizieren viel einfacher und schneller als früher. Während der Bush-Administration und besonders nach 9/11 gingen die Republican Party und Sender wie FOX News öffentlich auf Abstand zu den Verschwörungsmedien. Pünktlich zu Beginn der Obama-Administration waren die Republicans und FOX zunehmend aufgeschlossen ggü. Verschwörungsmedien, was dann unter Trump so weit vertieft wurde, dass heute weite Überschneidungen existieren. Infowars ist heute eine Art FOX News für Menschen unterhalb von 50 Jahren.

Russen

Ab 2008 begann das russische Regime eine Kampagne, um sich als konservativ zu vermarkten und als anschlussfähig zu den US Republicans. Für diese Kampagne knüpften die russischen Geheimdienste einfach an die alten Narrative an. Sofort stand Ron Paul, der Pseudo-Libertäre und Birch-Anhänger, Gewehr bei Fuß beim neuen Sender RussiaToday (RT). Alex Jones machte eine 180-Grad-Kehrtwende. Immer mehr Influencer kopierten einfach, was die Russenmedien berichteten. Wer die Russenverbindungen beklagte, wurde abgestempelt als linker Agitator. Es sei eine linke Verschwörung, zu behaupten, dass russische Geheimdienste in der westlichen konservativen Szene mit illegalen Methoden wildern.

Fazit

Es existieren praktisch keine eigenständig denkenden, professionellen „Verschwörungsmedien“. Das angloamerikanische und russische Imperium kontrollieren seit über 200 Jahren die wesentlichen Narrative. Es ist enorm fahrlässig, seine Weltsicht von gängigen Verschwörungsmedien zu beziehen und seine persönlichen Entscheidungen daran zu orientieren.