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Die große Wirecard Comedy-Show: Von der „Bumsbude“ zum DAX-Konzern mit nichts dahinter

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Bild: Rico Markus/Shutterstock.com

Kommentar

Lange Zeit hatte ich null Interesse an dem Fall Wirecard und zig weitere Fälle wirkten wesentlich relevanter und interessanter. Schon wieder ein corporate scandal? Bilanzfälschungen? Stellt sich heraus, dass der Wirecard-Fall lustiger ist als alle „Try not to laugh“-Compilations auf Youtube oder Videos von Spendengeiern aus der Truther-Szene.

Jörn Leogrande war der PR-Fuzzi bei dem Laden Wirecard und schrieb das Buch „Bad Company“ (Penguin Verlag) ohne Ghostwriter über die Geschichte, wie eine belanglose „Bumsbude“ aus München, die mit Fake-Online-Blumenshops Zahlungen versteckte für Pornos und Online-Glücksspiel, zum DAX-Konzern aufstieg, ohne auch nur irgendein nennenswertes Produkt zu haben oder irgendein Alleinstellungsmerkmal. Man hatte nichts außer Powerpoint-Folien, PR-Satzbausteine und Presseerklärungen laut denen man ein Transaktionsvolumen von 800 Milliarden Euro erreichen und klassische Banken aussterben lassen wird wie die Dinosaurier. Soll heißen, man gab vor, das zu sein was Paypal wirklich war.

Das große Märchen, das an Aktionäre vermarktet wurde, besagte dass Jan Marsalek der nächste Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg sei und dass endlich einmal ein deutscher Konzern im Tech-Bereich auf globaler Ebene im Club der Großen (Google, Facebook usw.) mitspielen kann. Es ist ja längst ein Meme geworden, dass jede narzisstische Nulpe mit CEO-Titel meint, der nächste Jeff Bezos zu sein. Um ein Visionär zu sein, ein corporate god, müsse man sich nur aufführen wie ein Guru, große Fantasien schwingen und dann seine Belegschaft antreiben, um diese Träume wahr werden zu lassen. Nun ist es aber so, dass gigantische US-Konzerne sich häufig aus einer engen familiär vernetzten Oberschicht heraus entwickeln, und sogar einen heimlichen militärischen oder geheimdienstlichen Hintergrund aufweisen. Deshalb sind solche US-Konzerne trotz mancher Verrücktheiten (Drogen auf Bestellung am Arbeitsplatz, wilde Partys, guruhafte CEOs usw.) einfach gut organisiert, liefern Produkte die sie versprechen und haben einen konkreten Nutzen für das angloamerikanische Empire.

Wirecard hingegen war auch dann noch eine Bumsbude, als die Firma schon am DAX gelistet war und den Aktionären suggerierte, sie sollen schon mal einen Lamborghini ordern und sich nach einem Ferienwohnsitz auf den Kanaren umsehen.

Richtige Tech-Konzerne hatten Führungsfiguren mit Top-Abschlüsse von Harvard oder dem MIT. Die konnten überblicken, was ihre Belegschaft denn eigentlich entwickeln sollte. Marsalek von Wirecard hatte nicht mal Abitur, keine relevante Bildung im Programmieren und bekam seine Anstellung in der Frühzeit der Firma nur, weil er vorgab, sich mit dem Wireless Application Protocol (WAP) auszukennen und verbrannte dann schlappe 2 Millionen Euro, was Wirecard fast gekillt hätte.

Das einzige, was bei Wirecard über längere Zeit reibungslos lief, waren Zahlunsgabwicklungen für Pornoseiten, Online-Glücksspiel das in den USA weitgehend verboten war, und der „Subprime“-Markt, also Zahlungsdienstleistungen im Internet für zahlungsschwache Kunden, die unbedingt 29,95$ zahlen wollten für eine Pornoseite, aber von keiner Bank bei Trost eine VISA oder Mastercard bekommen hätten. Das waren noch die Zeiten, als Leute für Pornos bezahlten. Dieser ganze Geschäftsbereich wäre also für Wirecard ohnehin kollabiert. Und dann kamen noch die amerikanischen Staatsanwaltschaften und das FBI mit der Kettensäge, um Online-Casinos dicht zu machen.

2008 postete ein Blogger, der so ziemlich die einzige Person war, der die öffentlichen Bilanzberichte von Wirecard wirklich mal komplett durchgelesen hatte, unter Pseudonym eine Reihe an Vorwürfen, über eine mutmaßlich grotesk frisierte Buchhaltung. Schlimmer noch: Auf der Hauptversammlung der Wirecard AG im selben Jahr spricht jemand von dem Verein „Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger“ (SDK) am Podium und spricht dabei Punkte an, die schon der anonyme Blogger zuvor ins Netz gestellt hatte. Die SDK-Manager Markus Straub und Tobias Bosler brachten diese Kritik auch in ihren Börsen-Infobriefen. Die Wirecard-Aktie bricht um über 20% ein, etwas später nochmal um 40%. Wirecard verklagte die SDK und die Finanzaufsicht Bafin sollte prüfen, ob es sich bei den Vorwürfen um eine orchestrierte Kampagne handelte, bei der jemand sich bereichern wollte, indem derjenige auf den Fall der Aktie gewettet hatte (sogenanntes Shortselling). Jan Marsalek himself will in Erfahrung gebracht haben, dass Bosler und Straub von der SDK in London mit einem risikoreichen Hebel von 20 auf den Fall der Wirecard-Aktie gesetzt hätten. Angeblich sollen die SDK-Vorstände einen Millionengewinn eingestrichen haben. Die negative Presse über das Shortselling gegen bot dann für Wirecard die perfekte Gelegenheit, um von der eigenen funky Buchhaltung abzulenken. Bosler und Straub hätten sich angeblich bereichert und auch noch ihren Ruf als Beschützer von Aktionären gefestigt. Einige Anleger, deren Wirecard-Aktien im Kurs gefallen sind, hassen die SDK. Straub tritt 2008 noch von seinem Posten bei der SDK zurück. Eigentlich wollte der das „Schwarzbuch Börse“ schreiben. 2012 landen Straub und sein Kollege Bosler dann in Haft Nicht einfach nur wegen der Wirecard-Sache, sondern weil diese beiden „Beschützer von Kapitalanlegern“ eine ganze Reihe an Kapitalanlegern betrogen hatten. Bosler gönnte sich eine 20-Meter-Yacht, hieß es bei der Süddeutschen Zeitung. Der Trick funktionierte so: Man deckte sich mit billigen Aktien von jungen Schrott-Unternehmen ein, und dann jubelte man diese Firmen in der Presse hoch, damit möglichst viele Anleger die Aktie kaufen und damit den Kurs hochtreiben. Die Schlaumeier verkauften dann ihre Aktien mit Gewinn und dann krachte der Kurs in sich zusammen weil die Firmen hinter den Aktien nicht viel taugten. Dieser Scam lief in Dauerschleife und irgendwann begannen die Behörden zu ermitteln, denn die Sache hatte sich hochgeschaukelt zu dem größten mutmaßlichen organisierten Aktienbetrug in Deutschland. Diese Schrott-Aktien wurden u.a. beworben in einem der größten Finanz-Magazine von einem freien Mitarbeiter, der nach de Skandal umsattelte auf das Geschäft eines Online-Verschwörungs-Influencers. Er lebt nun im Ausland und zwar in einem Land, das kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland hat. Er kannte Bosler und Straub seit geraumer Weile.

Wirecard erholt sich dank Bosler und Straub von den eigenen Skandalen. Die bösen Shortseller hätten Wirecard einfach unfair attackiert. Wirecard floppt bei großen neuen Projekt-Ideen in Russland mit dem anvisierten Partner Megafon. Vier Jahre lang ackerte man an einer geplanten Tech-Demonstration im irischen Dublin nahe der Facebook-Zentrale, weil man unbedingt Mark Zuckerberg beeindrucken und von einer Kooperation überzeugen wollte. Im letzten Moment fragte die Wirecard-Führung, ob man das, was für Android programmiert wurde, nicht einfach auch auf Apples iPhones laufen lassen könnte, weil das cooler ist. Sicher. Man müsste dazu einfach noch mal alles von vorne anfangen. Zu der Demonstration in Dublin kam es dann nie.

Und so ging das in Serie. Entweder es hagelte Absagen, oder man stümperte herum, ohne nennenswert Geld zu verdienen, aber die verkündeten Bilanzwunder erweckten den Eindruck, man sei das neue Microsoft. Womit verdienen wir eigentlich unser Geld? Naja, mit irgendwas in Asien.

Dummerweise kommen immer mehr Enthüllungs-Storys in der Presse, die sich nicht dauerhaft mehr wegdrücken lassen mit Presseerklärungen über fiese Shortseller. Inzwischen gibt es Whistleblower und Dokumente, die bei großen Zeitungen landen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG legt einen Bericht vor, in dem es heißt, dass die wichtigsten Treiber für Umsatz bei Wirecard nicht nachweisbar vorhanden seien. Auch EY meint, man könne Konten mit angeblich 1,9 Milliarden Euro drauf in den Philippinen nicht verifizieren. Marsalek flüchtet, die Wirecard-Titanic sinkt endgültig.

Das Buch „Bad Company“ von Jörn Leogrande ist feinste corporate comedy und sehr lehrreich obendrauf. In jeder Branche gibt es solche Scam Artists und es ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, so etwas möglichst schnell zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Ich selbst habe aus nächster Nähe schon vor über 10 Jahren gesehen, dass der Bereich „alternative Medien“ dominiert wird von Verrückten und Kriminellen, die dem Publikum (i.e. den Investoren) vorgaukeln, dass die ganz großen Dinger gedreht werden und dass sie die Erfüllung der größten Träume möglich machen können.

Und genauso wie bei alternativen Medien immer wieder Geheimdienste im Hintergrund mitmischen, finden sich auch bei Marsalek und Wirecard ein Haufen Verdachtsmomente, auf die in dem Buch „Bad Company“ nicht eingegangen wird. Marsalek sei zu blöd gewesen für Verschwörungen abseits seiner Bilanzbuchhaltung und ihm fehle einfach die Konzentration, um sich länger als zwei Minuten auf eine Sache zu fokussieren.

Der deutsche Generalbundesanwalt (GBA) untersucht nach Angaben des deutschen Bundesjustizministeriums Anhaltspunkte dafür, „dass der österreichische Staatsangehörige Jan Marsalek von einem Mitarbeiter des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) als Vertrauensperson geführt wurde.“ Im Januar 2021 wurden in diesem Zusammenhang zwei BVT-Mitarbeiter und der ehemalige FPÖ-Nationalratsabgeordnete Thomas Schellenbacher verhaftet. Im 3. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages soll es auch um die Frage gehen, ob Marsalek Kontakte zum früheren Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche hatte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Marsalek

Zuletzt gesehen wurde er in Wien, wo er sich kurz vor dem Abflug von einem Privatflugplatz in einem italienischen Speiselokal mit einem früheren Mitarbeiter des österreichischen Verfassungsschutzes traf. Das Handelsblatt berichtete unter Berufung auf Unternehmer-, Justiz- und Diplomatenkreise, dass Marsalek auf einem Anwesen westlich von Moskau unter Aufsicht des russischen Militärgeheimdienstes untergebracht sei.

AlexBenesch
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