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Rezension von „The Young Stalin“: Der windige V-Mann des Zarengeheimdienstes

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„The young Stalin: The early years of an elusive revolutionary“ von Edward Smith aus dem Jahr 1967 widmet sich der Frage, ob Stalin in seiner Frühzeit ein Informant des Zarengeheimdienstes Ochrana gewesen war. Die gewöhnlichen Historiker machen darum einen riesigen Bogen und erklären dünn, dass uns keine 100% eindeutigen Akten vorliegen und damit sei das Thema erledigt. So funktioniert aber das Geheimdienstwesen nicht. Geht es darum, die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, ob jemand für einen Geheimdienst gearbeitet hat, verwenden Profis eine standardisierte Vorgehensweise bei ihrer Analyse. Und Smith ist ein Profi:

Edward Ellis Smith war Historiker, Schriftsteller, Auslandsdienstoffizier und CIA-Agent. Nach seinem Abschluss an der West Virginia University im Jahr 1939 wurde er nach Deutschland entsandt, um im Zweiten Weltkrieg zu dienen. Nach Kriegsende wurde er ausgewählt, die Naval Language School zu besuchen, wo er fließend Russisch lernte. Von 1946 bis 1947 besuchte er die Strategic Intelligence School im Pentagon und die Counter Intelligence School im Camp Holabird. Smith begann nach seinem Abschluss seine Arbeit an der amerikanischen Botschaft in Moskau und fungierte als stellvertretender Militär- und Wirtschaftsattaché. 1950 wurde er vom Geheimdienst der US-Armee zum Abteilungsleiter ernannt, der die wirtschaftliche und politische Abteilung der Sowjetunion untersuchte und die Politik in sowjetischen Angelegenheiten analysierte. Gegen Ende 1953 trat er zurück, um Geheimdienstoffizier der CIA zu werden, und absolvierte verschiedene Missionen in ganz Moskau.

Man fühlt sich bei Smith deutlich besser aufgehoben als bei Autoren wie Robert C. Tucker. Letzterer denkt wie ein Historiker, nicht wie ein Geheimdienstler und beschränkt sich auf die (zugegebenermaßen unvollständige) Aktenlage. Smith hingegen

  • zeigt die gezielt gestreuten Falschinformationen zu Stalins Bewegungen auf: Wann er sich wo aufhielt, wann er mal wieder aus der Haft entlassen wurde oder floh.
  • macht deutlich, wie unwahrscheinlich es ist, dass Stalin so oft über tausende Kilometer reisen konnte, obwohl er ein gesuchter Mann war und durch zahlreiche Checkpoints hindurch musste
  • arbeitet heraus, wie Stalin diverse Aktionen und Operationen förderte, und andere dabei in Schwierigkeiten brachte, während er selbst rechtzeitig verschwand
  • stellt klar, dass der Druck der Behörden und insbesondere des Geheimdienstes auf Stalin schon bei dessen erster bedeutender Verhaftung enorm gewesen sein muss. Die Wahrscheinlichkeit einer Rekrutierung ist viel höher, als die Sichtweise, dass er nicht rekrutiert wurde.
  • Berücksichtigt Stalins narzisstische und psychopathische Persönlichkeit, die bereits in seinen frühen Aktivisten-Tagen dafür sorgte, dass er andere Menschen benutzte und hinterging

Das Buch von Smith enthält keine roman-ähnlichen Beschreibungen und Erzählweisen, so wie es auf Wunsch von Verlagen bei so vielen Sachbüchern der Fall ist, sondern es ist eine lineare Erzählung, die sich auf das Wesentliche beschränkt und wie man sie von einem Geheimdienstler erwarten würde.

Die dienstlichen Vorschriften des Zarengeheimdienstes Ochrana dienten späteren sowjetischen Geheimdiensten als Vorbild, weil hier sehr viel geheimpolizeiliche Erfahrung z. B. über die Anwerbung von V-Leuten oder die verdeckte Überwachung und Beobachtung interessierender Personen, zusammengefasst waren. Aufgebaut wurde die Basis der Ochrana von den Verwandten der Zaren auf dem britischen Thron.

Ab welchem Punkt der Infiltration liegt eine Kontrolle der sozialistischen Bewegungen durch den Geheimdienst vor? Und kontrollierte der Geheimdienst dann auch die Revolution?

AlexBenesch
AlexBenesch
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