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Höckes „Grundsatzerklärung“ ist voller Logikprobleme und Luftschlösser, die AfD ist nach dem Superwahljahr 2021 in ernster Gefahr

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Kommentar

Mit äußerst missverständlicher Frisur und Dauer-Werbe-Lächeln gab Björn Höcke am Wochenende seine „Grundsatzerklärung“ zum Zustand der AfD ab; natürlich gefilmt von seinen Haus- und Hofmedien, dem COMPACT-Magazin. Beim AfD-Parteitag war er zuvor leise geblieben und wurde von Meuthen als bloßer „Landespolitiker“ herabgewürdigt.

Im Nachhinein erklärte Höcke nun seine Wunsch-Fantasie (in seinem Kopf ein Masterplan), dass der „Weg zur Macht“ über die Länder führe, was heißen soll, zunächst über Bundesländer auf dem Gebiet der „ehemaligen DDR“. Es ist das uralte Argument, der rechte Flügel habe im Osten ja Ergebnisse um die 20% eingefahren, also gebe der Erfolg dem Flügel recht. Im Oste leben aber fünfmal weniger Menschen als im Westen und selbst im Osten ist das Potenzial ausgereizt und die Umfragewerte rückläufig. Bei einer COMPACT-Konferenz warb er bereits um Sympathien von moskaufreundlichen Linken für eine Art Querfront. Wollen die Linken nicht so recht, würde er einen rechts-sozialistischen Kurs fahren und damit den Linken die Wähler abspenstig machen. Das soll sein Masterplan sein.

Eine neue DDR mit rechter oder querfrontlerischer Planwirtschaft, eingebunden in den Ostblock aus russischer Versager-Wirtschaft und chinesischer Ausbeuterei wäre für die DDR-Bewohner ein episches Desaster.

Und: Selbst eine theoretische Koalition im Osten aus AfD und einer linken/nationalbolschewistischen Partei könnte sich nicht legal von der BRD abspalten ohne dass die gesamte BRD zustimmt. Also bliebe für die Realisierung einer neuen DDR eigentlich nur russische Hilfe übrig, in verschiedensten Formen. Der alte Elsässer träumt nach wie vor von der großen Revolution. Wie “deutsch-konservativ” und fair diese neue DDR sein würde, kann man sich ausmalen. 

Er schwadroniert von einer taktischen Meisterleistung, Ramelow losgeworden zu sein. Ramelow konnte jedoch weiterregieren mit Rot-Rot-Grün. Die CDU/CSU insgesamt will von der AfD nichts wissen und dadurch ist Höcke machtlos und kommt nicht vorwärts. Er meint, symbolhafte Publicity Stunts könnten irgendwie den Erfolg bundesweit bringen, aber die Meinungsforschung spricht hier ganz klar dagegen. Er will zwei Sachen gleichzeitig, die sich logischerweise ausschließen. Er will „die CDU vor sich hertreiben, damit diese sich an die AfD anpassen muss, aber gleichzeitig will er seinen harten rechtssozialistischen Kurs fahren, der bei der Bevölkerung nicht ankommt. Er kann nicht das gemäßigte Bürgertum vergraulen und gleichzeitig anziehen.

Ein Machtkampf mit Meuthen möchte er „nicht vom Zaun brechen“ weil das „nicht in seinem Interesse läge“. Dann zieht er sofort den Vergleich mit Frauke Petry, die die Partei hätte spalten wollen und vom Hof gejagt wurde. Soll wohl heißen: Alles Meuthens Schuld, dass jener nicht den angeblich genialen Luftschloss-Masterplan Höckes folgen will. Er stellt zweifellos Meuthens Machtposition in Frage. Das hätte er auch direkt am Parteitag tun können. Dann würde aber sein „Meuthen-ist-der-Spalter-Argument“ nicht mehr richtig klappen, denn er selber wäre ja auch einer, der eine Spaltung forciert. Also macht es Höcke lieber hintenrum auf einer kleineren Bühne und unterstützt von der neurechten Kreml-Postille COMPACT.

Die AfD stünde für eine „solidarische Leistungsgesellschaft“. Eine leere Phrase die man von jeder Partei hören könnte. Er macht billiges Framing, wenn er fordert, dass kurz vor dem Superwahljahr 2021 die Partei gefälligst „geschlossen“ auftreten solle. Auch das ist eine langweilige Wiederholung des uralten Mantras: Schuld sind die anderen, die ihn kritisieren. Vor allem schuld an möglichen schlechten Wahlergebnissen 2021. Die Partei ist so gut wie tot, da nach Wahlschlappen nächstes Jahr auch keine konstruktive Analyse stattfinden wird. Höcke und seine Hofmedien werden den Gemäßigten alles vorwerfen, nichts geht vorwärts und die Partei macht entweder erfolglos weiter wie bisher, oder spaltet sich in den Untergang oder gerät voll auf Höckes Kurs und stirbt damit Westen, wo fünfmal mehr Menschen leben als im Osten.

Höcke benutzt weiter seine hohlen Satzbausteine, faselt von „Mut“ statt „erhobenem Zeigefinger“. Seinen innerparteilichen Kritikern wirft er vor, die gleichen Vorwürfe von „Rückwärtsgewandtheit“ anzubringen wie die Altparteien. Es ist die übliche Paranoia, die auch von der COMPACT zelebriert wird, laut der die Höcke/Flügel-Gegner irgendwie bewusst oder unbewusst dem Establishment zuarbeiten würden. Dabei haben 90% der deutschen Wähler gewaltige Probleme mit der Partei, und einige Probleme haben mit Höcke und Rückwärtsgewandtheit zu tun. Und das ist das Aus für Höckes Träume.

Die Altparteien (die Höcke zu den „Globalisten“) zählt, brauchen ja gerade extrem rechte Traumtänzer, um daneben seriös zu wirken. Irgendwie entgeht Höcke dies, während er schwadroniert über die „Strategien“ der Globalisten. Fragt er sich im stillen Kämmerlein, wie stark ehemalige Stasi-Netzwerke, die britischen Geheimdienste, die amerikanischen, die israelischen und die französischen bisher schon seine Partei infiltriert haben? Vertraut er seinen Parteigenossen hauptsächlich wegen deren Gesinnung und deren Treuebekundungen ihm gegenüber? Glaubt er, patriotische Gefühle und Gerede ersetzen Spionageabwehr?

Als nächtes wird es blanke Komik: Gegen diese globale Elite sei „Donald Trump vor vier Jahren in den Kampf gezogen“. Höckes Verständnis von Politik scheint auf dem Level der Telegram-Filterblase zu sein. Sonst müsste er wissen, dass Trum aus der Roy Cohn-Mafia stammt und nur dem Verschwörungspublikum zuzwinkerte, um deren Wählerstimmen für die Republikanische Partei abzustauben. Trumps Personal entstammte denselben üblichen Kaderschmieden wie immer in der amerikanischen Politik. Trotzdem wetterte Höcke gegen die USA als „Schild und Schwert der Globalisten“. Man kann jetzt wieder spekulieren, aus welcher billigen und schlechten Literatur er seine Überzeugungen hat, wer über die USA die Kontrolle hat. In Wirklichkeit ist es deutsch-stämmiger Welfenadel und darunter ein Haufen zumeist angelsächsischer Clans. Was Höcke glaubt, sind Mythen und Märchen, die auf die Zielgruppe, der Höcke angehört, zugeschnitten wurde. Höcke ist voll drauf reingefallen und merkt es nicht.

Sein Niveau ist Telegram gemischt mit dem COMPACT-Siff und er macht tatsächlich Werbung für eine narzisstischen Immobilienhai, der ein paar Jahre lang der Republican Party als Kühlerfigur diente. „Wir stehen an seiner Seite!“ meint Höcke, und das nach Trumps Wahlniederlage.

Zum Thema Verfassungschutz leiert Höcke den gleichen altbekannten Käse herunter, den man seit Jahren als COMPACT-Opfer kredenzt bekommt: Man dürfe nicht die Nerven verlieren und seinem verlorenen bürgerlichen Status und seiner Ruhe hinterhertrauern. Die Geschichte hat gezeigt, dass viele Personen im rechten Spektrum schon von Geheimdiensten erwischt wurden und dann sehr schnell jeglichen Patriotismus vermissen lassen und überlaufen; sich rekrutieren lassen. Bis heute ist noch keine zweite Person neben Höcke gefunden worden, die die gleiche Schreibweise hat wie Landolf Ladig. Höcke scheint sein Verständnis über Geheimdienste aus der COMPACT entlehnt zu haben, was ein Garant ist für den Untergang. Höcke spulte hier nur wieder die alten Talking Points aus der Kubitschek/Schnellroda-Ecke ab.

Betreutes Denken für die rechte Szene

In der extremeren rechten Szene scheint es ein kleines Führungsgrüppchen zu geben, das die „Talking Points“ festlegt, die Art zu denken und zu sprechen. Wer davon abweicht, wird bedrängt, ausgeschlossen, angegriffen.

Auf eine Frage nach der Vergangenheit eines AfD-Politikers im Umfeld diverser rechtsextremer Organisationen kommt standardmäßig der Dreischritt aus Abblocken, Ablenken und Gegenangriff:

„Das sind bedeutungslose Jugendsünden. Es gibt keine extrem rechten Strömungen von Bedeutung. Die Linken/Muslime sind viel schlimmer. Und wer über rechtsextreme Kreise spricht, der ist ein Systemling/Feind/verdächtig.“

Curio von der AfD benutzte bewusst oder unbewusst diese Technik im WELT-Interview nach dem Halle-Anschlag wiederholt. Über Höckes Aussagen wolle Curio gar nicht reden. Die WELT zitierte dann aus einem COMPACT-Sonderheft, wie Höcke von einer kleinen, zersetzenden Geldelite sprach, im Geiste von George Soros, einem jüdischen Oligarchen. Curio wiederholte daraufhin einfach nochmal die Dreischritt-Technik; blockte ab, lenkte ab und setzte unterschwellig zum Gegenangriff an, dass der Interviewer die wahre Gefahr ignorieren würde.

Manche im rechten Lager teilen die Sicht des Halle-Terroristen über eine jüdische Weltverschwörung und betrachten die gesamte NATO als jüdisch kontrollierte Supermacht. Sie applaudieren den schwammigen Andeutungen von Höcke oder Kalbitz.

Was ist aber prinzipiell mit dem Problem, dass Geheimdienste Personen mit rechtsextremer Vergangenheit unter Druck setzen können mit Beweismitteln? Je rechtsextremer, umso leichter ist es für den Geheimdienst, jemanden zu rekrutieren. Und üblicherweise wird der Rekrutierte angewiesen, weiter zu hetzen. Dieses Thema wird konsequent abgeblockt mit einem Talking Point:

„Man kann ja jetzt nicht überall Verfassungsschutz-Leute vermuten und paranoid sein. Sonst ist man ja total gelähmt.“

Mit diesen Sätzchen drückt man sich um die Verantwortung, Spionageabwehr zu betreiben. Das ganze Thema wird einfach ignoriert, bzw. es wird der Dreischritt verwendet und der Gegenangriff gestartet, die Gemäßigten in der AfD bzw. die Flügelkritiker seien wahrscheinlicher V-Leute des Verfassungsschutzes.

Am wohlsten fühlen sich Flügel-Fans mit der begrenzten Sichtweise, der Verfassungsschutz würde hauptsächlich der AfD von außen unfairerweise einen Stempel namens „rechtsextrem“ aufdrücken zugunsten der Altparteien. Zwar kontrollieren die Altparteien tatsächlich den Geheimdienst, aber jener nutzt natürlich die Steilvorlagen, die der Flügel bietet und er versucht, die Partei zu infiltrieren, also Agenten oder V-Leute reinzuschicken bzw. V-Leute darin zu rekrutieren.

Die Frage nach weiteren, internationalen Geheimdiensten, die die AfD unterwandern wollen, wird meist komplett ignoriert, weil kein Talking Point dafür verfügbar ist oder sie wird abgeblockt mit dem Standardsatz, man dürfe nicht paranoid sein.

Das Feld der wissenschaftlichen Meinungsforschung hat wiederholt gezeigt, dass selbst viele AfD-Wähler eine Abneigung haben gegen extrem rechte Strömungen. Man könnte zusätzlich durch Forschung Antworten beschaffen auf Fragen wie zum Beispiel: Hätten AfD-Wähler im Osten nicht AfD gewählt, wenn nicht Kalbitz und Höcke angetreten wären, sondern Leute ohne krasse Vergangenheit, aber mit klarer Linie? Wie viele potenzielle Wähler sind dauerhaft abgeschreckt? Das Feld der Meinungsforschung wird fast komplett abgeblockt von Flügel-Fans mit dem Talking Point:

„Der Flügel fährt höhere Wahlergebnisse ein.“

Der Flügel hat zwar relativ hohe Ergebnisse eingefahren, aber halt eben im Osten, wo fünfmal weniger Menschen wohnen als im Westen. Daraufhin wird der nächste Talking Point abgespult:

„Die Wessis sind gehirngewaschen.“

Anstatt die Probleme und Fehler des Flügels einzugestehen, sieht man hier wieder das Abblocken, Ablenken und den Gegenangriff. Die West-Wähler seien schuld, zu dumm, zu manipuliert. Man kann aber nicht ohne die gesamte Bundesrepublik die Grenzen dicht machen und andere wichtige Veränderungen erreichen. Daraufhin kommt der Talking Point:

„Dann machen wir eine neue, rechte DDR.“

Das geht aber nicht legal ohne Zustimmung der ganzen Bundesrepublik. Falls jemand konkrete Planungen vornimmt, um gewaltsam einen Teil Deutschlands abzuspalten, und falls derjenige sich ausländische Hilfe holt (wie etwa durch Russland), dann macht derjenige sich strafbar mit Landesverrat, Hochverrat, Spionage und Vorbereitung eines Angriffskrieges. Manche Flügel-Fans nennen die östlichen Bundesländer „Mitteldeutschland“ und deuten damit an, dass sie in einem Aufwasch gerne noch den alten Korridor von den Polen zurückerobern wollen, ein NATO-Mitgliedsstaat.

Weil die extrem rechte Szene sowieso stark infiltriert ist durch westliche Dienste, kämen solche Vorbereitungen ohnehin ans Licht und die West-Dienste könnten entsprechend darauf reagieren. Aber die Flügel-Fans wollen nicht, dass die Realität in Berührung kommt mit ihren Fantasie-Wunschträumen und so blockt man wieder ab mit dem Sätzchen, man dürfe ja nicht paranoid sein.

Russland wird’s schon irgendwie richten, denken sie oder deuten sie an. Dass im Falle einer neuen DDR Moskau die Kontrolle hätte und die ganzen Wunschvorstellungen über Souveränität und Wohlstand eben nicht in Erfüllung gehen würden, das blenden sie konsequent aus.

Geht es um die Grund-Dogmen der extremen Rechten, um Hitler, Holocaust und den Nationalsozialismus, wird entweder gar nicht öffentlich diskutiert, sondern nur angedeutet, oder es werden die Inhalte wiederholt, die aus den immergleichen Büchern der klassischen Verschwörungsliteratur und rechtsrevisionistischen Literatur ohne kritisches Hinterfragen kopiert wurden. Diese Inhalte gelten als Kernkriterium für Patriotismus und als selbstverständlich. Auf Kritik wird reagiert mit dem bekannten Dreischritt und mit der Milieukontrolle; Kritiker sollen möglichst weggedrängt werden, bis nur noch die Ja-Sager und Kult-Mitglieder übrig sind.

AlexBenesch
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