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Russlands Wirtschaft wird sich nur sehr langsam von der Pandemie erholen

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Der russische Rubel ist auf den niedrigsten Stand seit Monaten gefallen, da verwirrende makroökonomische Daten und die Furcht vor erneuten Ausbrüchen des Coronavirus in Europa Investoren in Scharen in sichere Häfen strömen lassen.

Gegenüber dem US-Dollar druckte der Rubel am Freitagmorgen in Moskau 73,5, nachdem er in den vergangenen zwei Wochen mehr als 4% verloren hatte. Damit fiel die russische Währung gegenüber dem Dollar auf den niedrigsten Stand seit 11 Wochen.

Noch schlechter entwickelte sich der Rubel gegenüber dem Euro mit einem Kurs von 87,2 – dem schwächsten Wert seit dem 30. März, als Russland gerade erst in die Coronavirus-Sperre eingetreten war. Analysten sagen, dass der Euro derzeit besonders stark ist, gestützt durch das bahnbrechende, 750 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket, auf das sich die europäischen Staats- und Regierungschefs kürzlich geeinigt haben.

Die russische Zentralbank hat ihren Leitzins auf 4,25 Prozent gesenkt, um die russische Wirtschaft nach der Coronavirus-Pandemie auf Trab zu bringen.

Die jüngste Senkung – von 4,5% – stellt ein neues Rekordtief für Russlands Zinssätze dar und ist die dritte Abwärtsbewegung der Zentralbank in Folge, seit sie Mitte April begann, die Zinssätze als Reaktion auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu senken.

Russland hat sein Ziel, eine der fünf größten Volkswirtschaften der Welt zu werden, in einer umfassenden Neuausrichtung seiner ehrgeizigen nationalen Entwicklungsziele fallen gelassen.

Das Ziel wurde von Präsident Wladimir Putin nach seiner Wiederwahl 2018 umrissen, wurde aber bei den neuen sozialen und wirtschaftlichen Zielen Russlands, die am Dienstag angekündigt wurden, nicht berücksichtigt.

Das russische Finanzministerium will die Staatsausgaben ab dem nächsten Jahr um bis zu 10% kürzen, um die Staatsfinanzen nach der Coronavirus-Pandemie wieder in Ordnung zu bringen.

Es hat vorgeschlagen, den russischen Haushalt im Zeitraum 2021-2023 um insgesamt 65 Milliarden Dollar zu kürzen, berichtete der russische Nachrichtensender RBC. Teile des Haushalts, die nicht zweckgebunden sind, werden einen Rückgang der Ausgaben um bis zu 10% erfahren, und die Verteidigungsausgaben könnten um 5% gekürzt werden, sollte der Vorschlag des Finanzministeriums angenommen werden.

Analysten der Economist Intelligence Unit (EIU) prognostizieren, dass die russische Wirtschaft erst Ende 2024 wieder das Niveau vor dem Koronavirus erreichen wird.

Russland werde eine der langsamsten Erholungsgeschichten der Welt sein, prognostiziert die EIU, und alle anderen BRICS-Länder – Brasilien, Indien, China und Südafrika – werden sich voraussichtlich schneller erholen.

Die russische Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal um 9,5-10%, schätzt die Zentralbank in einem neuen Bericht vom Mittwoch.

Die wirtschaftliche Erholung des Landes werde „allmählich, langwierig und ungleichmäßig“ verlaufen, wobei die Spillover-Effekte von Unterbrechungen der Produktions- und Lieferketten noch zunehmen würden, fügte die Bank hinzu.

Während die russischen Energieunternehmen “wieder einmal” durch Interventionen der russischen Regierung gerettet wurden, sind die Produzenten noch nicht über den Berg. Die Zentralbank versucht, mit ihren Reserven in Höhe von 570 Milliarden Dollar Anfang März vorsichtig zu sein, und hat dem Drang widerstanden, übereilt auf den Markt zu drängen, um den sinkenden Rubel zu stützen, was dazu führen könnte, dass die Dollarvorräte dahinschmelzen ohne größere positive Wirkung.

Zwar wird der russischen Wirtschaft eine gewisse Robustheit attestiert, aber die Virus-Pandemie kann angesichts des maroden Gesundheitsystems zu massiven Unruhen führen und dem Militär steht nicht genügend Geld zur Verfügung, um mit den Amerikanern und der EU mithalten zu können.

In der Öffentlichkeit beschwört Putin, dass die Zentralbank “unabhängig” sei und abseits der Exekutivgewalt den Rubel schütze. Ähnliche Sätze hört man über die EZB oder die amerikanische FED. Die russische Zentralbank erklärt selbst, dass ihre Unabhängigkeit in der Verfassung garantiert würde. Insider sehen das anders: Eine hochrangige Quelle aus der russischen Regierung meckert darüber, dass die Bank Putins Schoßhündchen sei. Andere Kritiker erklären, dass Putin dennoch zuwenig über Geld verstehen würde. Die derzeitige Gouverneurin von Putins Gnaden ist Elvira Nabiullina, die ihren Führer 17 Jahre lang in Wirtschaftsangelegenheiten beraten hatte. Sie wiederum vertraut der Expertise von Ksenia Yudayeva, die in den USA ausgebildet wurde und für die Sberbank gearbeitet hatte, die größte Geschäftsbank deren Hauptanteilseigner ausgerechnet der russische Staat ist. Wenn die Zentralbank der größte Regulierer im Bankensystem ist und die größte regulierte Geschäftsbank überwiegend der Regierung gehört, reguliert die Sberbank sich praktisch selbst. Da werden Erinnerungen wach an Goldman Sachs in den USA, deren Top-Leute im Finanzministerium landeten.

CNN Money berichtete, dass ein ranghohes Mitglied von Putins Partei namens Yevgeny Fyodorov der Zentralbank vorgeworfen hatte, den Rubel zu kollabieren. Ermittlungen hätten bereits begonnen. Die Zentralbank sei ein “Feind”. Diese Verschwörungstheorie könnte in naher Zukunft eventuell einen Sündenbock schaffen, um abzulenken von den überall gestohlenen Milliarden und der miserablen Wirtschaftspolitik von Putin und dessen Gang. Außerdem gibt es verstärkte Hetze gegen “Spekulanten”, also all jene die versuchen, ihre Investments aus dem Rubel herauszubekommen, Geld ins Ausland zu verschieben und sich in Dollars und Euro zu flüchten. Kapitalverkehrskontrollen werden wohl bald als Zwangsmittel eingesetzt. Die mächtigsten Russen bunkern natürlich auch weiterhin ihr Geld offshore im Ausland in fremden Währungen. Das gewöhnliche Volk darf das sehr bald nicht mehr.

Die Zentralbank kann nicht zaubern und eine primitive Öl- und Gaswirtschaft in ein florierendes System verwandeln. Eine aktuelle Maßnahme war das Ende der festen Wechselkurse. Frances Coppola analysiert für Forbes Magazine:

[penci_blockquote style=“style-2″ align=“none“ author=““]Wenn ein Land ein System mit festen Wechselkursen betreibt, übernimmt es de facto die Geldmarktpolitik des jeweiligen Landes, an dessen Währung man die eigene Währung bindet. Im Fall des Rubels sind dies die Vereinigten Staaten. Und wie ich bereits erklärt habe, wird die Geldmarktpolitik der Fed wiederum zu einem bestimmten Grad von der [Zentralbank] Volksbank Chinas (PBOC) bestimmt, weil China große Dollarreserven hält und einen festen Wechselkurs zum Dollar.[/penci_blockquote]

Russlands Geldmarktpolitik sei demnach bislang abhängig gewesen von den Kräften der Fed und der PBOC. Indem man nun auf ein System der freien Wechselkurse umgestellt hat, vergrößerte sich zwar die Kontrolle der russischen Zentralbank über den Rubel, allerdings hängt der Rubelkurs in Zukunft vom Ölpreis ab, der momentan extrem tief liegt und noch Jahre so bleiben kann. Der Ölpreis liegt weit unterhalb der Schwelle, ab der die Ölförderung überhaupt für russische Konzerne rentabel ist. Anstatt Geld zu verdienen mit dem Rückgrat der russischen Wirtschaft wird also Geld verbrannt. Wenn die Währungsreserven zusammenschmelzen, droht die Staatspleite. Die Alternative ist eine stärkere Anbindung an den Wirtschaftsgiganten China und die Erschaffung einer Art Ostblock-Wirtschaft mit eigenem supranationalen Bankensystem. Genau dies wird seit Jahren vorbereitet.

AlexBenesch
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