spot_img

Die Geheimnisse des gescheiterten Putsch-Versuchs in der Türkei

Datum:

shutterstock-erdogan-1375



Hintergrund

42 Tote, über 1000 Verletzte und Festnahmen von rund 1500 Militäroffizieren und Soldaten, die an dem gescheiterten Putschversuch gegen die Regierung von Recep Erdogan teilgenommen haben sollen. Das ist die nüchterne Bilanz einer bizarren Nacht voller Verschwörung und Verrat.

Wer steckt hinter dem Putsch?

Die Tatsache, dass hunderte wichtige Militäroffiziere koordiniert zugeschlagen hatten, deutet darauf hin, dass es ausländischen Support gegeben hat. Denn für einen erfolgreichen militärischen Staatsstreich ist die ausländische Duldung der Vorgänge von entscheidender Bedeutung. Allerdings erhöht sich mit der Anzahl der Verschwörer auch die Wahrscheinlichkeit, dass Verschwörer heimlich abgehört wurden oder sich nur zum Schein an der Verschwörung beteiligt haben. Der Putsch-Plan soll die Ermordung Erdogans eingeschlossen haben, was natürlich bedeutet hätte, dass die Putsch-Regierung sich unter gewissen Voraussetzungen im Ausland als alternativlos hätte präsentieren können. Denn immerhin steht für die NATO sehr viel auf dem Spiel.

Die Türkei ist zwar immer noch NATO-Staat, aber das System Erdogan ist viel eigenständiger und eigensinniger als die bisherigen Machtzirkel in der Türkei. Zu eigensinnig? Die klassische Abmachung zwischen USA und Türkei war immer, dass die Türkei ein säkularer Staat bleibt und nicht versucht, eine Neuauflage des islamischen Khalifats aufzuziehen. Erdogan aber liebäugelt mit Großreichsideen, ließ sich einen Khalifenpalast bauen und säuberte seine Reihen von den wichtigsten Konkurrenten. Einer von Erdogans größten Rivalen war Mustafa Koc, Vorsitzender einer gigantischen Unternehmensgruppe, Gast bei elitären Bilderberg-Konferenzen und vernetzt mit dem sogenannten „tiefen Staat“, verschwörerische Zirkel in der Türkei. Er starb mit nur 56 Jahren am 21. Januar 2016 nach einem Herzinfarkt auf einer Reise. Wurde er von Erdogans Geheimdiensten ermordet? Der andere große Rivale Erdogans ist sein ehemaliger Verbündeter Fethullah Gülen, der Anführer der Gülen-Bewegung der seit 1999 im amerikanischen Exil lebt.

Traditionell pflegte das türkische Militär beste Beziehungen zu den Amerikanern und holte sich in der Vergangenheit mehrfach amerikanische Hilfe für die Machtübernahme und die Auflösung des Parlaments.

Im März 1947 übernahmen die USA die britische Schutzmachtrolle für Griechenland und für die Türkei, die zudem Kredite erhielten, um einer Machtausweitung im Zuge der Sowjetischen Gebietsansprüche in der Türkei entgegenzuwirken. Wegen dieser Auseinandersetzungen gab die Türkei schließlich ihre Neutralität auf und trat am 18. Februar 1952 gemeinsam mit Griechenland der drei Jahre zuvor gegründeten NATO bei. Am 31. Oktober 1959 stimmte Ankara der Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen zu. Schon am 9. Januar 1948 hatten die USA begonnen, Militärgüter zu liefern. Am 14. Juli 1948 wurden in einem Schauprozess 14 Kommunisten verurteilt. Ende des Jahres trat die Türkei der UNESCO bei.

Das türkische Militär putschte beispielsweise am 12. September 1980. Auslöser war die sehr instabile Phase in den 1970er-Jahren, die durch wechselnde politische Koalitionen, politische und wirtschaftliche Instabilität und Terrorakte durch das extrem rechte und linke politische Spektrum geprägt war. Das Militär unter General Kenan Evren verhängte über das Land das Kriegsrecht und verbot alle politischen Parteien. Die Junta ging heftig gegen die kurdischen Separatisten und linke Oppositionelle vor. Am 7. November 1982 wurde die von den Militärs vorgelegte und bis heute gültige Verfassung der Republik Türkei durch eine Volksabstimmung angenommen und trat am 9. November 1982 in Kraft.

Evren war der Kommandant des türkischen Zweigs des NATO-Programms Gladio, die sogenannte Counter-Guerrilla. Er wurde zu einem Teil des neuen herrschenden Triumvirats nach einem Putsch 1980. Das Parlament wurde aufgelöst. Der Chef des CIA-Büros in Ankara, Paul B. Henze, erhielt damals einen Anruf aus dem Situation Room des Weißen Hauses: 

„Paul, deine Jungs haben es geschafft.“

Seal_of_the_Turkish_National_IntelligenceDie CIA unterhält auch eine Reihe an Spionen im türkischen Geheimdienst. 1977 gab der ehemalige Geheimdienstvize und CIA-Kollaborateur Sabahattin Savasman dies zu.

 

Die USA stabilisierten noch in der Anfangszeit Erdogans Wirtschaft und machten ihn zu Mr. Wirtschaftswunder, der sich hohen Umfragewerten in der Bevölkerung erfreuen konnte. Später jedoch gab es starke Spannungen, der wirtschaftliche Support wurde eingestellt und man sah eher Bemühungen, die türkische Wirtschaft zu sabotieren, in der Hoffnung, einen Regierungswechsel herbeizuführen. Gleichzeitig sah man eine Verstärkung der Volksproteste, die möglicherweise von ausländischen Geheimdiensten gefördert wurde. Die EU möchte sich gerne auf Kosten der türkischen Souveränität zu einer Mittelmeer-Union vergrößern, wogegen sich Erdogan sperrt. Aber nicht nur die Amerikaner und Europäer wollen Erdogan loswerden. Russland hat seit den Tagen des alten Khalifats und dem Krimkrieg eine Erbfeindschaft mit den Türken. Die Zaren hatten sich als Schutzmacht inszeniert, die Türken jedoch verraten. Die russisch-türkischen Beziehungen waren kürzlich an einem Tiefpunkt angelangt, als ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen wurde und wichtige wirtschaftliche Beziehungen aufgekündigt wurden. Vor einem Jahr bemühten sich die Russen noch um eine „strategische Partnerschaft“ mit den Türken. Die Türkei bezieht 60% des jährlichen Gasbedarfs von Russland und möchte ein Projekt realisieren, mit dem Russengas durch das schwarze Meer transportiert und eventuell bis nach Europa gebracht werden soll. Russland investiert auch in ein türkisches Atomkraftprojekt im Umfang von 20 Milliarden $.

Als aber eine Serie von Terroranschlägen immer weiterging und das wichtige türkische Tourismusgeschäft abwürgte, entschuldigte sich Erdogan plötzlich bei dem russischen Präsidenten Putin für den Abschuss des Kampfflugzeugs und bemühte sich wieder um wärmere Beziehungen. Außerdem wurde von Erdogan überlegt, sich von der EU abzuwenden und es lieber zu versuchen in der Ostblock-Wirtschaft und dem Club der Shanghai-Organisation.

War dies der Auslöser für einen Putsch, heimlich unterstützt von den Amerikanern? Oder hatten andere Mächte ihre Hände im Brei?

Die verhafteten Militäroffiziere des gescheiterten Putsches werden wahrscheinlich gründlich gefoltert und mit dem Tod bedroht werden, um nähere Informationen herauszubekommen über die Hintergründe. Es ist zu befürchten, dass Erdogan mit Hilfe von Foter und Schauprozessen in einem Aufwasch alle seine Konkurrenten pauschal anschwärzen lässt. International stehen die Kritiker von Erdogans herrischem Führungsstil nun etwas dumm da, weil nun klar ist, dass in der Türkei die Gefahr von großen internen Verschwörungen nun einmal sehr hoch ist.

AlexBenesch
AlexBenesch
Senden Sie uns finanzielle Unterstützung an: IBAN: DE47 7605 0101 0011 7082 52 SWIFT-BIC: SSKNDE77 Spenden mit Paypal an folgende Email-Adresse: [email protected]
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img

Related articles

Geheimdienste sollen verdeckte russische Finanzierung für Politiker in Europa aufgedeckt haben

Kommentar "Voice of Europe" schien wie eine typische, pro-russische Nachrichtenseite im Internet mit entsprechenden Beiträgen und Interviews mit europäischen...

Recentr LIVE (26.03.24) ab 19 Uhr: Dunkelfeld

Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Menschen die falschesten Vorstellungen von den drei Supermächten besitzen. https://youtu.be/Q87IgKxwsQo

Islamischer vs. westlicher Globalismus

Propaganda aus der muslimischen Welt enthält viele Elemente, die auch westliche Sozialisten verwenden, und solche, die bei westlichen...

ISIS-K ist Russlands nächstes Problem

Kommentar Russland unter den Zaren träumte davon, das ottomanisch-islamische Kalifat zu zerstören und zu übernehmen. In der sowjetischen Phase...