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Zweites Verbotsverfahren: V-Leute bei NPD abgezogen, aber V-Leute beim NSU ignoriert

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Kommentar

Gegen die NPD wird zum zweiten Mal ein Parteiverbotverfahren geführt; etwas dass nur zweimal in der bundesrepublikanischen Geschichte vor Gericht Erfolg hatte: Einmal im Falle einer nationalsozialistischen Nachfolgepartei, ein anderes Mal bei der Kommunistischen Partei Deutschlands. Eigentlich sind die Hürden sehr hoch, aber es wird erwartet, dass man behauptete Verbindungen zu der Mordserie des ominösen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) als Beleg für eine aggressiv-kämpferische Haltung nennen wird.

Die V-Leute an den Schaltstellen wollen die deutschen Geheimdieste inzwischen abgezogen haben, damit sich das Fiasko des letzten Verbotsverfahrens nicht wiederholt. Um aber die aggressiv-kämpferische Haltung mit Bezug auf die NSU-Morde zu behaupten, werden jede Menge V-Leute im NSU-Umfeld ignoriert. Eigentlich müsste wegen der schieren Zahl und Relevanz der V-Leute im Umfeld des NSU das Verbotsverfahren gegen die NPD erneut scheitern.

Am 3. Dezember 2013 reichte der Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Verbot der NPD nach Artikel 21 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ein. Dabei stützt sich der Antrag auch auf ein Gutachten des Münchener Instituts für Zeitgeschichte (IfZ). Die Wissenschaftler sehen darin das politische Programm der NPD weitestgehend identisch mit der Ideologie der NSDAP unter Adolf Hitler. Was noch für ein Vebrot fehlt, ist der Zusammenhang mit dem NSU und der Beweis einer aggressiv-kämpferischen Haltung.

Die NPD würde es eigentlich seit Jahren nicht mehr geben, wäre nicht das letzte Verbotsverfahren am 18.3 2003 eingestellt worden. Stein des Anstoßes war berüchtigterweise, dass 30 der 200 Vorstandsmitglieder als sogenannte V-Personen des Bundesamtes für Verfassungsschutz tätig waren und diese entgegen den Vorschriften einen wichtigen Einfluss auf das Beobachtungsobjekt genommen hatten.

Die Rolle des Verfassungsschutzes bei der Überwachung der Gruppe, insbesondere des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und seines ehemaligen Präsidenten Helmut Roewer, ist Gegenstand einer breiten politischen und medialen Debatte. Nach wie vor existieren zahlreiche Ungereimtheiten, Fragen sowie Verdachtsmomente aufgrund der zahlreichen Pannen, die im Umfeld der NSU-Observierung passierten. So berichtete die Welt am Sonntag im September 2012, dass Thomas S. etwa 1995 oder 1996 1,1 kg TNT an Uwe Mundlos geliefert habe. Er wurde von 2000 bis 2011 als V-Mann „VP 562“ vom Berliner Landeskriminalamt geführt und soll bei mindestens fünf Treffen Hinweise zu den NSU-Mitgliedern gegeben haben. Die Bundesanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen S. ein, konnte aber den Anfangsverdacht gegen Thomas S. bislang nicht vertiefen. S., der 1995 bis 1996 eine Affäre mit Zschäpe gehabt hatte, behauptet, er habe von den Straftaten des NSU nichts mitbekommen.

Der Spiegel berichtete über mindestens drei V-Leute im Umfeld von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in den 1990er Jahren. Mitte Dezember wurde bekannt, dass der Thüringer Verfassungsschutz den Aufenthaltsort der untergetauchten Gruppe zumindest zeitweilig gekannt hatte. Außerdem soll der Thüringer Verfassungsschutz laut Bild am Sonntag eine Geldzahlung an das Zwickauer Trio eingeräumt haben. Demnach ließ der Geheimdienst der Terrorzelle über Mittelsmänner mehr als 2.000 DM für gefälschte Pässe zukommen. Dies habe ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes am 6. Dezember 2011 vor der geheim tagenden Kontrollkommission des Thüringer Landtags berichtet. Am 21. April 2006 wurde in Kassel kurzzeitig ein Mitarbeiter der hessischen Landesbehörde für Verfassungsschutz mit Codename „GP 389“ wegen Verdachts der Beteiligung am Mord an Halit Yozgat festgenommen.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb im November 2012, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz einen V-Mann in die rechte Szene eingeschleust haben soll, der mit finanzieller Unterstützung am Aufbau des sogenannten Thule-Netzes mitwirkte. Der Bericht schreibt, dass nach Angaben nicht genannter Quellen der Verfassungsschutz nach vorsichtiger Schätzung im Laufe der Jahre womöglich weit mehr als 150.000 Mark an jenen anfangs noch unpolitischen V-Mann bezahlt haben könnte, der sich dann in der Szene radikalisierte.

Im April 2013 sendete der Südwestrundfunk im Magazin Report Mainz einen Bericht über 50 V-Leute. 15 davon hätten ein fünf- bis sechsstelliges Honorar von den Sicherheitsbehörden bekommen, mindestens sechs davon seien im Einsatz für den NSU gewesen. Im Oktober 2013 berichtete die Berliner Zeitung, dass die Akten eines wichtigen V-Mannes mit Namen Tarif bereits im November 2011 vernichtet wurden. Tarif hatte Kontakte in den Thüringer Heimatschutz und entwickelte das Konzept der autonom operierenden neonazistischen Gruppen. Das politische Magazin Fakt recherchierte, dass der ehemalige V-Mann, der bereits seit 10 Jahren in Schweden lebt, Michael See ist. Er soll Verbindungen zum terroristischen Netzwerk Combat 18 und dem Thüringer Heimatschutz gehabt haben.

Am 12. Mai 2001 berichtete die Thüringer Allgemeine (TA), die Landesverfassungsschutzbehörde Thüringen führe den Neonazi Tino Brandt seit mehreren Jahren als Spitzel. Die TA observierte im Vorfeld ihrer Veröffentlichungen ein Treffen von Brandt mit seinem Verbindungsmann beim Verfassungsschutz. Sowohl Brandt als auch die NPD leugneten zunächst. In einem Interview mit der Zeitschrift Der Spiegel vom 21. Mai 2001 gestand Tino Brandt schließlich selbst, seit 1994 unter dem Decknamen „Otto” für den Verfassungsschutz in Thüringen gearbeitet zu haben. Zu Beginn des Jahres 2001 hatte er seine Tätigkeit nach eigenen Angaben eingestellt, doch gab es nach seiner „Abschaltung” noch sieben Nachbereitungstreffen mit dem Amt. In der gesamten Zeit kassierte Brandt für seine Mitarbeit über 200.000 DM, das heißt wöchentlich etwa 800 DM Honorar.

Geheimdienste sind nicht dem sogenannten Legalitätsprinzip verpflichtet, was bedeutet sie sind nicht verpflichtet ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn sie Kenntnis von einer Straftat erlangen. V-Personen sind keine klassischen Angestellten des Verfassungsschutzes; ihre Tätigkeit wird geregelt durch das „Verpflichtungsgesetz nichtbeamteter Personen“. Mit seiner Unterschrift schwört der Verbindungsmann, strengste Verschwiegenheit selbst gegenüber Polizei und Gerichten zu wahren und konspirative Vorschriften einzuhalten. Nach der Enttarnung hieß es lediglich, die Behörde hätte sich von den V-Männern rollen und abzocken lassen für wertlose Informationen ohne es gegenzuprüfen und zu bemerken, was alles andere als realistisch ist.

Ein widersprüchlicher Wust an Regelungen gibt den Geheimdiensten erheblichen Spielraum. Offiziell darf das BfV  nicht zu Handlungen verleiten und niemanden zu Handlungen nötigen, die extremistische Aktionen unterstützen. Der niedersächsische Landestag legte jedoch beispielsweise fest, was alles straffrei im Zuge des Kampfes gegen Rechts begangen werden darf:

Die Fortführung einer verfassungsfeindlichen Partei oder Vereinigung, die Verbreitung deren Propagandamittel und sogar die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Gleichzeitig darf eine V-Person aber  nicht zu entscheidenden Vorgängen beitragen oder maßgeblich Einfluss auf das beobachtete Objekt nehmen. Im Gegensatz zu ausgebildeten Agenten, die unter falscher Identität eine Neonazi-Karriere aufbauen und sich entweder als Vorkämpfer der freiheitlich-demokratischen Grundordnung betrachten oder einfach nur die Karriereleiter erklimmen möchten, braucht es für die Anwerbung von V-Personen aus dem jeweiligen Millieu etwas „Überredung“. Das BfV kann durch seine exzellenten Verbindungen diverse Ermittlungsverfahren beschleunigen, verschärfen oder gar stoppen. Anstatt für „die Sache“ ein paar Jahre in den Knast zu wandern, entscheiden sich manche lieber dafür, einfach fortan zwei Herren zu dienen.  Es ist in den meisten Bundesländern sogar erlaubt, Jugendliche, Ärzte und Abgeordnete anzuwerben.

„Axel Reichert“ von der Baden Württembergischen Polizei beispielsweise interpretierte seinen Handlungsspielraum großzügig und schulte Kader für die REP, gründete die mitgliederstarke Kameradschaft Karlsruhe und verteilte NS-Devotionalien aus einer polizeilichen Asservatenkammer an Mistreiter. Ein anderer Polizist wurde zum Whistleblower und verriet schließlich den Spuk. Ein Gericht urteilte, dass die Exekutive sich „verfassungsfeindlich“ verhalten hätte. „Tilo Brandt“ baute den Thüringer Heimatschutz mit auf und gilt als ein wichtiger radikalisierender Einfluss auf die NPD. Seit 1994 stand er im Dienst des BfV. Rechtsikone Horst Mahler verteidigte ausgerechnet mit dem späteren Bundesinnenminister Otto Schily 1969 Gudrun Ensslin und Andreas Baader von der RAF.

Er ging in den  Untergrund und wurde später verteidigt von Hans-Christian Ströbele und Gerhard Schröder. Adolf Hitler stand zu den Zeiten des NSDAP-Vorläufers DAP im Dienst des deutschen Inlandsgeheimdienstes und infiltrierte beispielsweise die Kommunisten. Es existieren solide Informationen darüber, dass der einfältige Marinus Van der Lubbe unbemerkt von SA-Spitzeln unter den Kommunisten angeworben worden war für ein „Fanal“ das eine Revolution einleiten sollte. Dieses Ereignis ging als Reichstagsbrand in die Geschichtsbücher ein. Durch Zufall entdeckte Waffenverstecke in der BRD, die zu dem Rechtsaktivisten Heinz Lembke zurückverfolgt wurden, enthielten genügend Material um in den Händen von Terroristen eine Nation ins Chaos zu versenken: Arsen, Zyankali, 14.000 Schuss Munition, 50 Panzerabwehrrohre, 156 kg Sprengstoff, 230 Sprengkörper, 258 Handgranaten. Ein Sieg gegen Rechts? Dummerweise handelte es sich dabei um Bestand geheimer NATO-Zellen in Deutschland. Die modernen Harpoon-Funkanlagen stammten von AEG Telefunken und konnten mit 6000 Km Reichweite verschlüsselte Funksprüche an Verbindungsoffiziere übertragen.

wikipedia-Zitate unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“

AlexBenesch
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