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Das okkulte Russland

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Offiziell präsentiert sich das neu-rechte russische Regime als das „dritte Rom“ und das Zentrum christlicher Moral in der Welt. Unter der Oberfläche jedoch wuchert der Okkultismus und befeuert revolutionäre Kämpfer, die ganz Europa einnehmen wollen.

Die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti zitierte Experten des Innenministeriums, laut denen Satanismus eine größere Bedrohung für die nationale Sicherheit geworden sei als islamische Radikalisierung. In einem anderen Report von Ria Novosti erklärte ein führender russischer Psychologe, dass es im Land mehr okkulte Heiler als echte Ärzte gibt. Man schätzt „800.000 Magier“. In russischen Zeitungen finden sich unzählige Kleinanzeigen, in denen die Mystiker und Okkultisten ihre Dienste anbieten oder neue Leute für ihre Gruppen anlocken wollen. Laut einer Erhebung des Levada-Meinungsforschungsinstituts haben 20% aller Russen bereits auf solche Anzeigen geantwortet.

Alle klassischen Elemente sind vorhanden: Das verlorene Paradies alter Zeiten, in denen die Seelen noch nicht in den Körpern und der Materie gefangen waren und mit ihrer Gedankenkraft Realität erschaffen konnten. Der Absturz in Sünde und Verfall. Die priesterlichen Retter die Anleitung geben wollen, wie man durch Ritus und andere Methoden darauf hinarbeitet, wieder Erleuchtung und Vergöttlichung zu erreichen. Eigennützige, gefährliche Definitionen von Gut und Böse. Und schließlich: Der Wille zu universeller Macht.

Okkultismus in Russland ist ein sträflich vernachlässigtes Forschungsgebiet und erfährt inzwischen glücklicherweise vermehrte Aufmerksamkeit. Ein äußerst lesenswerter wissenschaftlicher Artikel ist „The Occult Revival in Russia Today and Its Impact on Literature“ von Birgit Menzel. Sie arbeitet an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Translation, Sprache und Kultur. Russland heute ist besessen vom Okkultismus. Und wie immer mischt der Staat gehörig mit, um seine politischen Ziele zu erreichen. Birgit Menzel hält fest:

„In den 1990ern handelten nicht weniger als 39% aller Sachbücher [in Russland] im Bereich Geisteswissenschaften von okkult-esoterischen Themen.“

Bereits die Zaren und der Adel vertieften sich bereits in die Kaballah und andere mystische Glaubenssysteme. Dem stinkenden, sexbesessenen Guru Rasputin gelang es sogar, das Zarenpar von sich abhängig zu machen. Ironischerweise war es ein Netzwerk aus esoterischen Logen im ganzen Land, das der zaristischen Geheimpolizei trotzte und sich an der Verschwörung gegen die Zaren beteiligte und wichtige Vorbereitungen traf für die revolutionären Umstürze.

Die sowjetische Akademie der Wissenschaften beschäftigte sich mit okkulten Steckenpferden wie Telepathie, Hypnose, Parapsychologie, intergalaktischen UFOs, Yetis, und dem Tungus-Meteoriten. Die Theosophie hatte einen gewaltigen Einfluss auf die russische Literatur und die Kunst. Stars der marxistischen Kultur wie Anatoly Lunacharsky, Maxim Gorky und Sergei Eisenstein waren begeistert von den Lehren. Dies zeigen Studien wie die von Maria Carlson, Bogomolov, Obatnin und Stahl-Schwaetzer.

gurdjeff

Bernice Rosenthals Studie „The Occult in Russian and Soviet Culture“ konzentriert sich auf bestimmte Phasen der Sowjet-Zeit. Allerdings muss noch viel Forschung geleistet werden im Hinblick auf den Okkultismus nach Stalin, der die sowjetische Wissenschaft infiltrierte. Nach dem Verbot in den 1930er Jahren emigrierten viele Theosophen und Antroposophen ins Ausland, nichtsdestotrotz blieben die Verbindungen aktiv. Der geheime Rosenkreuzer-Templer in Moskau existierte bis 1937. Der sowjetische Geheimdienst hatte sogar „Spezialagenten für okkulte Angelegenheiten“ um Verhöre durchzuführen.

Der Maler und mystische Theosoph Nikolai Roerich wurde zu einer international bedeutsamen Figur. Er brachte orientalische Einflüsse in den russischen Okkultismus und übersetzte Helena Blavatskys Werk „The Secret Doctrine“ ins Russische. Nach seinem Tod 1947 war er eine offiziell gefeierte Figur in der Sowjetunion und gilt heute als Kultfigur.

Yury Mamleev entdeckte in den 1950er Jahren die westlichen Klassiker okkulter Literatur in der Moskauer Lenin-Bibliothek: Evola, Lévi, Papus, du Prel. In der Untergrundliteratur gab es auch Texte von Blavatsky, Steiner und Uspensky. Nach einem Boom der Parapsychologie, UFOs, Aliens und Yetis in den 60er Jahren wurden diese Themen 1977 wieder höchst offiziell verboten. In den 80er Jahren kam dann die starke Verbreitung des Neuheidentums, in den 1990ern dann fielen alle Begrenzungen weg.

Es gab eine Explosion der Popularität fanatischer Ideologen und Okkultisten, die ein russisch-europäisches Großreich anstreben, wie Gaidar Dzhemal, der durch das Buch von Pauwels und Bergier seine okkulte Karriere startete und ein enger Freund des berüchtigten Alexander Dugin und von Mamleev ist. Dieses Neuheidentum ist eine Renaissance alter slawischer Glauben. Alexander Dugins Überzeugungen basieren auf der Vorstellung einer indo-arischen Rasse und verbreiteten sich wie ein Lauffeuer unter russischen Politikern, Militärs, Intellektuellen und vielen Extremisten.

Er steht nun der Administration von Präsident Putin nahe und beeinflusst auch das Denken europäischer politischer Kreise. Er bewundert Hitler und huldigt Nazi-Esoterikern wie Karl Haushofer. 2003 gründete er die Internationale Eurasische Bewegung, inspiriert von esoterischen Faschisten wie Julius Evola und Alain de Benoist. Seine Texte sind schwer beeinflusst von Astrologie, Atlantis-Mythen und Kabballah-Symbolik.

Eine auserwählte indo-arische Rasse, geleitet von mystischem Geheimwissen, soll nach Meinung vieler Anhänger des russischen Okkultismus die Welt säubern von wertlosen Menschen. Klassiker-Autoren wie Gurdjieff und Roerich hielten die Mehrheit der Menschen schon für absolut unerleuchtet und praktisch kaum lebendig.

Macht-Ambitionen Russlands im Bezug auf Europa sollen nicht nur mit militärischen, politischen und wirtschaftlichen Methoden verfolgt werden, sondern auch mit Hilfe der Verbreitung esoterischer Kreise. Europa ist längst durchsetzt mit New Age und Okkultismus.

Die russische orthodoxe Kirche wurde von Überläufern als KGB-Vehikel bezeichnet. Die Geheimdienste werden auch kaum ein Problem damit gehabt haben, Kontrolle über die esoterischen Bewegungen zu erlangen. Nichts in Putins Russland darf ungehindert Verbreitung finden, das nicht den Segen von oben genießt.

Der russische Okkultist und Polit-Professor Alexander Dugin werkelt wie kein zweiter daran, die Rechten Europas zu rekrutieren und ideologisch auf Linie zu bürsten für die große, heilige Mission: Ein faschistisches Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok.

Ende der 60er Jahre nahm Dugins Okkultistenkarriere in Moskau Form an. In der Juzinski-Gasse wurde ein knallharter Mix aus Kabbala, schwarzer Magie, mittelalterlichem Alchimismus und Okkultismus gepredigt. Die Saufereien und Drogenexzesse waren so heftig, dass die Teilnehmer regelmäßig im Krankenhaus oder in der Psychiatrie landeten.

„Besonders geehrt wurden wahnsinnige Experiemnte mit sich selbst. Es hieß, dass der kürzeste Weg zum Göttlichen begangen wird, wenn man alles Menschliche in sich überwindet. Um sich selbst so ‚tief wie möglich zu erkennen‘  krochen die Neophytenauf allen Vieren um das Puschkin-Denkmal herum und fletschten ihre Zähne nach Hundeart. […] Und wen sie schon tranken, dann bis zum Vollrausch. Wenn sie weiter gingen, dann mit Azeton oder mit schmutziger Brühe aus einer Pfütze.“

Fast alle der Gruppe starben an Überdosen oder Leberschäden. Dugin war fast der einzige, der auf diesem „Pfad der Erleuchtung“ nicht in der „schwarzen Phase“ steckenblieb.

In einem Interview in Moskau von 1998 äußerte er, dass die europäische neue Rechte sich entweder für die USA oder für Russland entscheiden müsse. Wählen sie Russland, hieße das dass gleichzeitig auch das barbarische Element und brutale Handlungsweisen mitgewählt werden.

„Die Neue Weltordnung wird nicht kommen durch alternde Herren die sich zu Seminaren treffen. […] Man muss ein Messer nehmen, eine Maske anziehen, Abends aus dem haus gehen und mindestens einen Amerikaner töten.“

„Ich weiß nicht ob irgendwer von den Aktivisten der neuen Rechten jemals Artilleriefeuer erlebt hat, aber unsere Leute gehen nicht nur zu Meetings oder kämpfen an den Barrikaden, sondern sie gehen auch in echte Kriege. […] Die neue Rechte ist nur ein Projekt, und wir sind die Architekten. Die Zukunft gehört wahrlich uns.“

AlexBenesch
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