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Das bedeutete Bismarcks Rückversicherungsvertrag mit Russland wirklich

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Manche Konservative meinen heute, sie handeln nach Bismarcks Gusto, wenn heute von irgendwelchen Allianzen mit dem Moskauer Regime geträumt wird. Besonders in der Bismarck’schen Tradition verstehen sich viele Mitglieder der AfD. Aber würde Bismarck heute wirklich so strategisch denken? Was würde heute Bismarck tun? Er würde zuallererst verstehen, dass Deutschland sich nicht zerreiben lassen darf zwischen den USA und Russland. Eine drastische Umorientierung nach Osten würde bedeuten, dass das militärisch schwache Deutschland einfache Beute wäre für den russischen Expansionsdrang nach Westen. Moskaus Militär könnte einen Enthauptungsschlag gegen Deutschland und Frankreich vornehmen und innerhalb weniger Wochen ganz Europa besetzen. Alternativ käme eine Aufnahme Deutschlands in eine „eurasische Union“ ebenso einer Kapitulation gleich. Moskau hält den deutschen Konservativen die größte Karotte von allen vor die Nase, wäre sogar bereit, Deutschland die Rückgabe der Ostgebiete und eine erneute Teilung Polens anzubieten. Das wirkliche Ziel des Kreml ist aber nicht, den deutschen Konservativen zur Erfüllung irgendwelcher Wünsche zu verhelfen, sondern einzig und allein Deutschland zu spalten und damit zu schwächen. Absolut verhindern will Moskau, dass mitten in Europa ein neues, souveränes, wirtschaftlich starkes und militärisch hochgerüstetes deutsches Reich entsteht.

Außerdem gäbe eine Achse Berlin-Moskau den USA und Großbritannien Vorwand, gegen Deutschland vorzugehen. Es war schon immer die große Schwäche der Deutschen, insbesondere während dem Deutschen Reich zu Bismarcks Zeiten, geheimdienstliche Kampagnen zu durchschauen und Spionageabwehr zu betreiben. Sich heute oberflächlich auf Bismarck zu berufen, bedeutet einerseits die Geschichte nicht zu verstehen, andererseits die Geheimdienstwelt nicht zu verstehen.

In seinem “Thesenpapier Außenpolitik” verstieg er sich der stellvertretende AfD-Bundessprecher Alexander Gauland gar zu Vergleichen mit Bismarcks Rückversicherungspolitik. Die Welt schrieb dazu:

Übrigens entdeckte auch die DDR in ihrer Spätphase zu Beginn der 1980er Jahre Bismarcks Außenpolitik für sich. Im Februar 1983 stufte das unter Moskauer Kontrolle arbeitende Ost-Berliner Zentralinstitut für Geschichte den Reichsgründer als “Staatsmann von hohem Rang” ein.

Natürlich wollten die Sowjets kein echtes, umfangreiches Bild von Bismarcks Außenpolitik vermitteln, sondern nur ein diffuses „Er verbündete die Deutschen mit Russland.“

Frank Schäffler von der FDP durchschaute Gauland schnell:

Der AfD-Außenpolitiker Alexander Gauland hat kürzlich in einem Thesenpapier „Elemente der Bismarckschen Rückversicherungspolitik gegenüber Russland“ eingefordert. Er will also in der Außenpolitik links blinken und heimlich rechts fahren. Bismarcks Politik war es nämlich, eine neutrale Rolle im Falle eines Krieges zwischen Russland und Österreich-Ungarn einzunehmen. Dies wurde in einem Geheimvertrag 1887 vereinbart. Wenn man die AfD ernst nimmt, dann meint dies in bismarckscher Manier nichts anderes als an unseren Bündnispartnern vorbei geheime verteidigungspolitische Vereinbarungen mit Russland zu treffen.

Am 18. Juni 1887 unterzeichneten er und der russische Außenminister Nikolai Karlowitsch de Giers ein auf drei Jahre befristetes Geheimabkommen. Im ersten Teil des Abkommens verpflichteten sich beide Parteien zu wohlwollender Neutralität im Kriegsfall, also auf ein Stillhalten, falls Russland unprovoziert von Österreich-Ungarn, Deutschland unprovoziert von Frankreich angegriffen würde. Davon ausgenommen waren folglich ein deutscher Angriffskrieg gegen Frankreich und ein russischer Angriffskrieg gegen Österreich-Ungarn. Weiterhin erkannte das Deutsche Reich die historischen Rechte Russlands auf dem Balkan, insbesondere in Bulgarien, an. Im zweiten Teil, dem „Ganz Geheimen Zusatzprotokoll“, sicherte das Deutsche Reich Russland moralische und diplomatische Unterstützung für den Fall zu, dass Russland es für nötig erachte, seinen Zugang zum Mittelmeer durch die Meerengen zu verteidigen.

Dieser Rückversicherungsvertrag war also keine enge Partnerschaft, sondern ein befristetes Kalkül, das sich nicht auszahlen sollte. Russland näherte es sich Frankreich an und verabredete mit ihm 1892 eine Militärkonvention und 1894 schließlich mit dem Zweiverband ein festes Bündnis. Damit trat die von Bismarck stets gefürchtete Zweifrontenlage für das Deutsche Reich ein und die Grundlagen der mächtepolitischen Blöcke im Ersten Weltkrieg waren gelegt.

Guido Preparata, Ökonom und Professor in den USA, schrieb: Die plötzliche Machtentfaltung des Deutschen Reiches in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nötigte das britische Commonwealth dazu, ein weitreichendes Manöver gegen die kontinentale Landmasse der Welt zu lancieren. England schloss eine Tripelallianz mit Frankreich und Russland ab, die das Deutsche Reich einkreisen sollte (1907).

Anfangs hatte England der deutschen Politik kaum Aufmerksamkeit geschenkt, da es zu sehr von der französischen Konkurrenz in Sachen Kolonien und von dem “Great Game” in Zentralasien, wo seine militärischen Kräfte gegen das zaristische Russland standen, in Anspruch genommen war.

Doch als die Charakteristik des Handels zwischen England und Deutschland sich unter Leitung des Meistertaktikers und Kanzler des Reiches, Otto Bismarcks, allmählich umkehrte, das heißt als Deutschland aufhörte, nur noch der Lieferant von Nahrungsmitteln für das Vereinigte Königreich und Empfänger seiner Industrieerzeugnisse zu sein, und stattdessen selbst zu einer wachsenden Industriemacht wurde, begannen das britische Außenministerium und die mitwirkenden Clubs über die Angelegenheit mit Besorgnis nachzudenken.

Weder die russische noch die französische Regierung glaubte wirklich, dass die deutsche Regierung einen Angriffskrieg gegen sie beabsichtigte. 1914 hatte Deutschland keinen Grund, einen Krieg anzufangen, beanspruchte keine Lände, hatte keine Rachegelüste und wusste, dass ein allgemeiner europäischer Krieg leicht seine Handelsmarine und seinen Handel zerstören könnte.

Wenn das anglofranzösische Geld und die deutsche Begriffsstutzigkeit Russland von einer Verständigung mit dem deutschen Reich abgebracht hatten, so stand ebenso die langjähige und intensive militärische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Russland entschieden jedem weiteren verspäteten Wunsch Deutschlands, das nicht mehr Reparierbare zu reparieren, im Wege.

Aus der Entente cordiale (zu zweit) mit Frankreich wurde die Tripelallianz mit Russland im Boot. 1907 handelte der Kopf hinter der Verstrickung Deutschlands in den Ersten Weltkrieg, Lord Grey, Großbritanniens Außenminister, mit Russland die Teilung des Irans im Austausch für Afghanistan aus und die Übergabe von Tibet.

1912 unterschrieb England ein geheimes Flottenabkommen mit Frankreich, und Frankreich tat das gleiche mit Russland.

Ab dem Frühjahr 1914 war die Entente zum Überfall auf die Deutschen bereit. Am 29. Mai 1914 berichtete Edward House, US-Präsident Wilsons Hauptberater und Amerikas graue Eminenz hinter dem angloamerikanischen imperialen Bruderschwur, aus Europa:

“Wann immer England sein Einverständnis geben wird, werden Frankreich und Russland gegen Deutschland und Österreich vorgehen.”

Im Sommer 1914 stellte sich Deutschland nach dem Mord in Sarajevo hinter Österreich und Russland hinter Serbien. Die englische Diplomatie konnte nun beide in die Falle tappen lassen: Den Verbündeten ebeneso wie den Feind. Am 6. Juli informierte Großbritanniens Außenminister Lord Grey den deutschen Botschafter, dass Russland nicht bereit sei zu intervenieren und dass Großbritannien weder mit Russland noch mit Frankreich eine bindende Verpflichtung eingegangen sei: Eine bewusste Lüge.

Zwei Tage später versicherte der britische Außenminister den Russen, dass “laut sehr zuversichtlichen militärischen Quellen” die deutschen rasch Divisionen nach Osten würfen und dass die Situation für das Reich ungünstig sei: Eine noch größere Lüge.

AlexBenesch
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