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Analyse von Luckes Mitgliederentscheid für die Richtung der AfD

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Foto: Shutterstock

KOMMENTAR

Die AfD zeigt, wie ungeheuer problematisch es zugeht, wenn sich alle möglichen verschiedenen ideologischen Unzufriedenen unter einem Dach vereinigen wollen. Bevor überhaupt ein echtes, verbindliches Parteiprogramm durchgesetzt wird, versuchen sich diverse Flügel gegenseitig zuvorzukommen mit Resolutionen und Entscheiden über die Ausrichtung der Partei: Die Liberalen wollen eine liberale AfD, die Russlandfreunde wollen eine Ausrichtung an Russland, die Völkischen wollen eine völkische Ausrichtung, usw.

Parteichef Lucke hingegen hat nach Festigung seiner Führung einen eigenen Mitgliederentscheid über die „politischen Festlegungen der AfD“ verteilen lassen. Gelingt ihm dieser Vorstoß, kann er ohne die üblichen Grabenkämpfe diesen Herbst ein echtes Parteiprogramm vorlegen. Er scheint zumindest zu verstehen, dass eine erfolgreiche Partei es möglichst vielen Wählern recht machen muss. Der CDU gelingt diese Taktik der eierlegenden Wollmilchsau exzellent: Sie behauptet konservativ zu sein, gleichzeitig aber trieft deutlich sichtbar überall der Sozialismus hervor. Sie ist windelweich im Bezug auf Muslime in Deutschland, will aber das Einwanderungsrecht endlich restriktiver handhaben wie andere Länder auch. Sie betont das Christliche, gibt sich aber auch säkular. Sie gibt vor, „für Deutschland“ zu sein, arbeitet aber nach Kräften dem Superstaat EU zu.

Man kann Lucke also zunächst nicht vorwerfen, ein „Systemling“ zu sein, nur weil er einfach diese grundlegende und simple Strategie anwendet um zu verhindern, dass die AfD eine Nischenpartei wird. Es ist aber ein Drahtseilakt, denn ohne genügend Abgrenzungen käme kaum ein Wähler der CDU auf die Idee, bei der AfD ein Kreuz zu machen. In Luckes Text heißt es:

Die AfD lehnt Fundamentalkritik an unserem Staat, unserer Gesellschaft oder unserem Wirtschaftssystem ab. Wir üben sachliche Kritik an einzelnen Fehlentwicklungen, bejahen aber eindeutig die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen, sozialen Rechtsstaat und die Soziale Marktwirtschaft.

Damit werden gleich mehrere Ziele angestrebt: Die Möglichkeit, verfassunsgfeindliche Elemente aus der Partei ausschließen zu können, die mit ihrem Getrommel dem Ruf schaden und damit den Wählerkreis abschrecken. Gleichzeitig wird zumindest versprochen, nicht über Nacht mit der Axt an die Sozialleistungen heranzugehen. Unzählige Bürger sind mindestens teilweise angewiesen auf staatliche Gelder; es wäre also dumm, diese Wähler von vorneherein zu verschrecken.

Die AfD unterhält keine Kontakte zu Vertretern der sog. Neuen Rechten, der sog. Identitären Bewegung oder zu Organisationen im Dunstkreis des Rechtsradikalismus. In diesen Kreisen wächst Gedankengut, das mit den Grundüberzeugungen der AfD unvereinbar ist, sodass jeder Kontakt der Partei und ihrem Ansehen schaden würde.

Erneut die Abgrenzung von kurzlebigen Bewegungen oder solchen Gruppen, die ein ewiges Nischendasein führen.

Wir lehnen eine Zusammenarbeit mit Parteien ab, die europafeindliche oder ausländerfeindliche Positionen vertreten. Dazu zählen z. B. der französische Front National und die niederländische Partij voor de Vrijheid.

Niemand weiß, wieviel Taktik oder Überzeugung in dieser Abgrenzung drinsteckt. Man kann kaum vom Ruf der FN oder der PvV profitieren, also ist eine Abgrenzung die bessere Wahl.

Wir bejahen die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO und in der EU. Wir treten allen Versuchen entgegen, die sich daraus ergebenden Souveränitätseinschränkungen Deutschlands zum Anlass zu nehmen, offen oder verdeckt den Austritt Deutschlands aus der NATO oder aus der EU zu fordern.

Dies wird den großen Pro-Russland-Flügel zum Ausrasten bringen. Schließlich formulierte beispielsweise Luckes Konkurrent Gauland Sätze in einem Papier, die nach fragwürdigen Verhandlungen mit Russland klingen. So manches Parteimitglied fabuliert von einer Achse Paris-Berlin-Moskau oder gar Eurasien, ohne dabei die erheblichen Gefahren für Deutschland zu verstehen. Lucke will zumindest nicht den Wähler verschrecken, der aktuellen Umfragen zufolge keine hohe Meinung zu den Russen mehr hat. Die vorherige, relative Popularität Putins unter den Deutschen basierte hauptsächlich auf jahrelanger wohlwollender Berichterstattung in den deutschen Massenmedien. Mit Russland-Anbiederung und Getöse über ein völliges, abruptes Herausbrechen aus Westbündnissen lassen sich kaum Wähler gewinnen. Eine Unterwürfigkeit Luckes im Hinblick auf NATO und EU ist dies noch lange nicht. Denn:

Wir setzen uns für die Auflösung des Euro-Währungsgebiets und eine grundlegende Reform der EU ein. Dazu könnte die Umwandlung des Europäischen Parlaments in eine Versammlung von Abgeordneten der nationalen Parlamente gehören.

Das klingt nach der Absicht eines Grundkonsens, den die meisten Wähler akzeptieren würden: Die EU als privilegierte Partnerschaft souveräner Staaten. Und:

Wir wollen Frieden und Freundschaft mit Russland, ohne dabei die Westbindung Deutschlands in Frage zu stellen. Wir akzeptieren das Sicherheitsbedürfnis Russlands, erwarten aber auch, dass Russland das Völkerrecht achtet und Konflikte ausschließlich friedlich löst. Dasselbe erwarten wir von den USA und allen unseren Bündnispartnern.

Das sollte eigentlich als Konsens reichen.

Wir bejahen die Soziale Marktwirtschaft und den freien Handel. Handelsabkommen wie TTIP sind für uns nur dann akzeptabel, wenn unsere Sozial-, Umwelt-, und Verbraucherschutzstandards gewahrt bleiben und wenn das Recht des Staates, dem Allgemeinwohl dienende Gesetze zu erlassen, nicht vor Schiedsgerichten angefochten werden kann.

Auch hier Konsensfähigkeit statt linker oder völkischer Komplett-Verweigerungshaltung.

Wir stehen uneingeschränkt zum Recht auf politisches Asyl, wenden uns aber entschieden gegen dessen weitverbreiteten Missbrauch. Vorhandene Gesetze und ergangene Urteile sind strikt und unverzüglich umzusetzen.
Angesichts der bedrohlichen demographischen Entwicklung anerkennt die AfD, dass Deutschland eine qualifizierte, sinnvoll gesteuerte Einwanderung braucht.

Und abermals eine klare Linie, ohne sich an diverse Bewegungen zu kletten, die kurzlebig und unnötig kontrovers sind wie PEGIDA, die durch ihr Führungspersonal und Beziehungen zu rechtsextremen Kreisen ihren eigenen Erfolg verbaut hat, oder die zwar langfristig aktiv sind, ohne jedoch Erfolg zu haben.

Manche werfen Lucke nun erneut „Verrat“ vor, allerdings scheint dies noch lange nicht gerechtfertigt. Die Piratenpartei erlebte durch ideologische Grabenkämpfe und fehlender klarer Führung ihr Absaufen. Vielleicht sollten einige AfD-Mitglider entspannter und strategischer an die Sache herangehen und sich nicht bremsen lassen durch diverse Ideologen. Erst wenn die AfD ein gefestigtes Programm und eine gefestigte Führung hat, kann sie tatsächlich Politik machen und sich DANN messen lassen.

Gelingt Luckes Plan, werden einige Ideologen wohl austreten oder zumindest nach außen über ihre Überzeugungen schweigen und versuchen, leise die Schaltstellen der Partei zu erobern.

AlexBenesch
AlexBenesch
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