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Peer Steinbrücks Image-Waschmaschine für den ukrainischen Oligarchen Rina Achmetow

Datum:

Mstyslav Chernov/Unframe CC-3.0
Von Jürgen Roth
In der Ukrajinska Pravda wurden im Dezember 2010 die von Wikileaks veröffentlichten Depeschen der US-Botschaft in Kiew nach Washington veröffentlicht. Zwei davon beziehen sich auf die Person Rinat Achmetow. In seiner Depesche vom 2. Februar 2006 beschrieb John Herbst, der US-Botschafter in Kiew, wie die Partei der Regionen versucht, ihr Image zu ändern, um ihren Ruf als „Obdach für kriminelles Milieu“ loszuwerden.

„Mit Hilfe des dicken Portemonnaies von Achmetow, des Paten der Donezker Sippe, entschieden die Führer der Partei der Regionen, das Image ihrer politischen Kraft zu ändern. Dafür wandten sie sich an erfahrene Polittechnologen, die ihre Dienste bereits Vertretern des politischen US-Establishments erwiesen.“

Und heute wird er als glaubwürdiger Partner für die wirtschaftliche Erneuerung der Ukraine benötigt, unterstützt von so ehrenwerten Sozialdemokraten wie Peer Steinbrück über eine Agentur zur Modernisierung der Ukraine – welch ein politischer Zynismus.

„Seine Konkurrenten starben entweder im Kugelhagel oder bei Bombenexplosionen“, war im Jahr 2004 in einigen seriösen Medien zu lesen.[i]

Auf jeden Fall ist er heute der reichste Mann der Ukraine. Und das hängt unter anderem damit zusammen, so beschreibt es Alexander Paschkhawer, Direktor des Zentrums für wirtschaftliche Entwicklung in Kiew, dass „unsere Milliardäre mit einer korrupten Bürokratie kooperieren, weil sie keinerlei Konkurrenz wünschen. Und die korrupte Bürokratie bildet für ausländische Investoren eine unüberwindbare Barriere.[vi] Zur Erinnerung. Im Jahr 2004 wurde Achmetows Vermögen auf zirka zwei Milliarden Euro geschätzt, knapp vier Jahre später auf fünfzehn Milliarden Euro und im Jahr 2010 auf „vierundzwanzig Milliarden Euro.“[vii]

Mit solch einem Vermögen könnte man nicht nur in der korrupten Ukraine alles und jeden kaufen.

Bis zur friedlichen Revolution auf dem Maidan-Platz im Winter 2004 in Kiew, als die bislang stabilen Machtstrukturen nachhaltig erschüttert wurden, gab es kaum Journalisten, die über andere als die offiziellen Wahrheiten schrieben. Rinat Achmetow war Tabu. Plötzlich herrschte eine Zeitlang Presse- und Meinungsfreiheit und selbst in der Justiz brach für einige Monate das Gefühl der Freiheit aus. Diese Zeit ist vorbei.

Der Oligarch und keine Vergangenheit? 

Thomas Urban schrieb am 22. Dezember 2004 bis heute unwidersprochen in der Süddeutschen Zeitung:

„Zu Sowjetzeiten soll Achmetow als Chef einer Hütchenspielerbande im Schwarzmeerkurort Sotschi erstes Kapital angehäuft haben.“

Stimmt das? Nachprüfbar ist es nicht, denn was über seine Vergangenheit, gerade in den achtziger Jahren und Anfang der neunziger Jahre angeht, darf weder gesprochen noch geschrieben werden. Es beschädigt seinen Ruf lässt er mitteilen.

Während der Perestroika, Ende der achtziger Jahre, der 1966 geborene Rinat Achmetow war gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt, muss er in der Millionenstadt Donezk einen Akhat Bragin getroffen haben. Bragin begann seiner Karriere als Toilettenmann in der Bahnhofsstation Kiew und wurde gleichzeitig vom KGB angeworben. Dann ging er ins Kohlerevier Donezk. Wenig später kontrollierte er bereits den Schwarzhandel, das illegale Glücksspiel und die Hotelprostitution. Nach ihm wurde bereits Ende 80er Jahre gefahndet, wegen Betrug. Daraufhin tauchte er für sechs Monate unter und suchte gleichzeitig Kontakte zu den zuständigen Sicherheitsbehörden, um die „Sache“ zu „glätten“. Sehr oft konnten Bragin und Freunde auch später in letzter Minute vor der Verhaftung fliehen. Man vermutete undichte Stelle bei der Miliz. Aufgrund seines guten Kontakts mit Hennadij Wassiljew (damals stellvertretender Staatsanwalt in Donezk und später Generalstaatsanwalt der Ukraine unter Kutschma), änderte zum Beispiel ein Hauptzeuge, der Bragin des Mordes beschuldigte glücklicherweise seine Aussagen und die Fahndung wurde aufgehoben.

Gegenüber seinen damaligen Freunden lobte er einen neuen Partner,  Rinat Achmetow. Das sei ein Mann mit schneller Auffassungsgabe und der Fähigkeit schnell zu handeln. Kenner der Szene sprechen davon, dass Rinat Achmetow für Bragin, Spitzname Alik Grek, im Donezk-Stil arbeiten soll. Das waren sicher keine Tätigkeiten eines Sozialarbeiters.

„Akhat Bragin galt als ein Mann von „großer Autorität“, sowohl bei den lokalen Behörden wie in der Unterwelt. In dieser Zeit war der 22jährige Rinat Achmetow mit Mr Bragin verbunden. Er beauftragte ihn Geschäfte im Donezk-Stil durchzuführen.“[x]

Anfang der neunziger Jahre spielten im erbarmungslosen und blutigen Machtkampf um die Ressourcen des Donbas drei Gangsterbosse eine entscheidende Rolle: Yevhen Shcherban, Akhat Bragin und Jakov Kranz. Alles bekannte kriminelle Autoritäten.

Yevhen Shcherban begann seine Karriere 1985 als Direktor eines Supermarkts in Donezk und war, über seine engen Kontakte zu Vertretern der örtlichen kriminellen Strukturen, ungewöhnlich schnell politisch aufgestiegen. Was mit seinen erfolgreichen Geschäften im Handel mit Kohle und Eisen zu tun hatte. Im Zuge der Gouverneurswahlen wurde er 1994 Gouverneur des Donezk und bei den Parlamentswahlen im selben Jahr bekam er einen Sitz im ukrainischen Parlament in Kiew.

Jakov Kranz leitete die so genannte Luxowskaja gruppirowka (Lux-Gruppierung), benannt nach dem Unternehmen Lux und dem dazugehörigen Hotel Lux. Er begann als Kleinunternehmer in einer kleinen Stadt im Donbas. Was er dort genau machte ist unbekannt, doch er dürfte damals bereits Kontakte zu kriminellen Syndikaten gehabt haben, weil kein „Zechowiki“ (Kleinunternehmer) in der Gorbatschow-Zeit diese recht unangenehmen Kontakte zu kriminellen Autoritäten vermeiden konnte. Danach erhielt er ein Angebot nach Donezk zu ziehen, um zusammen mit der Bande der Gebrüder Jewhen und Anatolij Kuschnir zu arbeiten. Sie ernannten Jakov Kranz sehr schnell zu ihrem To?-Manager.

Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre, waren die Banden von Kuschirs und Bragin befreundet, um nicht zu sagen, liiert. Plötzlich stellte die Staatsanwaltschaft in Donezk fest, dass das Hotel Lux unrechtmäßig an Kranz verpachtet worden sei. Der Pachtvertrag wurde seitens der Kommunalbehörden gekündigt und das Hotel an Bragin (zur Pacht) übertragen.

Jakov Kranz wurde am 10. November 1992 um 17.50 Uhr vor seinem Büro umgebracht. Zwei Killer mit einer Pistole und einem Maschinengewehr beendeten seine kriminelle Laufbahn. Weder Killer noch Auftraggeber wurden gefunden, obwohl der Auftraggeber Akhat Bragin sogar zu seinem Begräbnis kam.

Die Beerdigung zwei Tage später war prächtig. Alle seine Freunde kamen, um von ihm Abschied zu nehmen. Auf Fotos ist aber nicht nur Bragin zu sehen, der jetzt das Unternehmen Lux übernehmen sollte, sondern auch Rinat Achmetow. Als junger Mann ist er mit seinem rötlichen Haar gut auf den Aufnahmen zu erkennen.

Von den bekannten kriminellen Autoritäten waren jetzt nur noch Bragin und Shcherban übrig geblieben, Ob Rinat Achmetow damals der Stellvertreter von Bragin war, wie in Kiew behauptet wurde, ist nicht zu beweisen, da es dazu keinerlei Unterlagen gibt.

In dieser Periode, also zwischen 1992 und 1995, kauften die herrschenden kriminellen Autoritäten bereits in großem Stil Anteile an Industrieunternehmen, die damals zu Spottpreisen zu haben waren, weil die Fabriken als unrentabel galten. Sie waren jetzt die wichtigsten Bündnispartner der alten wirtschaftlichen Elite, der ehemaligen kommunistischen Nomenklatura geworden. Ohne ihre Kooperation wären die Raubzüge nicht möglich gewesen.

Der Clou war, dass Bragin den noch unbekannten Viktor Janukowitsch für eine geschäftliche Kooperation gewinnen konnte. Der heutige ukrainische Staatspräsident war Ende der achtziger Jahre Leiter des Donezker Autoparks, also Herr über Taxis, Busse und eine LKW-Flotte. Diese Beziehungen sollten sich später für Viktor Janukowitsch in jeder Beziehung auszahlen. Im Donezk entstand eine Art Mini-Sowjetrepublik. Sie wurde gemeinsam von der regionalen Administration und Unternehmern geleitet, die geschickt Steuern hinterzogen, ihre Unternehmen gewinnbringend ausbauten und eine zunehmende Anzahl von Unternehmen unter ihre Kontrolle zwangen. Die roten Direktoren, also jene der staatlich kontrollierter Firmen erhielten entweder attraktive Angebote, mit bestimmten Firmen zu kooperieren oder wenn sie diese Angebote ausschlugen schieden sie auf die eine oder andere Art und Weise aus. Morde waren dabei nicht unbedingt das ultima ratio. Was verkauft oder gekauft wird, wie und für welchen Preis – all das wurde von den wahren Herrschern der Region bestimmt. Politiker und Betriebsdirektoren, die nicht bereit waren, mit den Strukturen zusammenzuarbeiten, wurden kurzerhand aus dem Weg geräumt.

Die Jahre bis 1995 waren immer noch von blutigen Machtkämpfen um die Herrschaft des Donbas geprägt. Hunderte junge Menschen, die sich den Gangsterbossen angeschlossen hatten weil sie keine andere Alternative hatten um schnell zu viel Geld zu kommen, wurden  erschossen und sind bis heute verschwunden. Niemand hatte damals eine Anzeige gemacht, weil jeder wusste, dass die Miliz auf der Lohnliste der sich im Kriegszustand befindlichen Gangsterbosse stand. Die Bosse  kontrollierten ab 1992 nicht nur das gesamte Kriminalitätsgeschehen. Darüber hinaus übten sie bereits Einfluss auf politische Entscheidungen, sowohl auf Gemeinde- wie auf Landesebene aus, und sie griffen auf die profitablen Industriesektoren, insbesondere die Kohle zu.

Akhat Bragin, jetzt nach dem Tod von Kranz der führende „Unternehmer“, Besitzer des Fußballklubs Schachtor Donezk und Gangsterboss, wurde am 15. Oktober 1995, während eines Spiels von Schachtor Donezk mit seinen Leibwächtern in der VIP-Lounge seines Stadions in die Luft gesprengt. Die Bombe auf der Ehrentribüne explodierte am Sonntag um 17.05 Uhr, kurz nach Anpfiff des Meisterschaftsspiels Schachtor gegen Tawrija Simferopol. Die hohe Sprengkraft zerfetzte seinen Körper. Nur ein Unterarm mit einer Rolex-Uhr soll von Bragin übrig geblieben sein.

Mit ums Leben kam auch sein Sicherheitschef, ein ehemaliger KGB-Oberst und Chef der Abwehrabteilung der KGB-Verwaltung im Gebiet Donezk. Rinat Achmetow der Bragin ins Stadion begleitete verlies vor der Explosion zu seinem Glück das Stadion. Die mehr oder weniger korrupten Seilschaften aus Politik und Wirtschaft kontrollierten bereits die politische Infrastruktur im Donbas und begrenzten den politischen Wettbewerb, indem sie alle möglichen Konkurrenten bedrohten und ausschalteten. Öffentliche Institutionen wurden de facto für private Geschäfte eingenommen. Gesellschaftliche Organisationen nur deshalb gegründet, um andere Gruppen zu marginalisieren und die Entstehung  zivilgesellschaftlicher Organisationen zu unterbinden.

Nach der Ermordung Bragins wurden aus der Gruppierung Kuschnirs zahlreiche Führungspersonen von Auftragskiller niedergestreckt. Unter merkwürdigen  Umständen kam auch Gangsterboss Jewhen Kuschnir ums Leben. Und am 3. November 1996 fiel der letzte der noch lebenden kriminellen Autoritäten einem Attentat zum Opfer. Yevhen Shcherban und seine Ehefrau wurden von drei Killern erschossen, als sie aus dem Flugzeug ausstiegen.[xi] Sie kamen gerade von einer Geburtstagsparty aus Moskau zurück. Yosif Kobzon war der Mann, dessen Geburtstag sie gefeiert hatten. Er galt zur damaligen Zeit als einer der wichtigsten Unterstützer krimineller Autoritäten in Russland. Die Mörder und ihre Auftraggeber wurden nie gefunden.

Jetzt könnte für Rinat Achmetow, inzwischen 29 Jahre alt, die Zeit gekommen sein, selbst geschäftlich in den Vordergrund zu treten. Er übernahm den renommierten Fußballklub Schachtjor Donezk sowie das Unternehmen Lux, und er war plötzlich ein einflussreicher Mann im Donezk. Erst von diesem Zeitpunkt gibt es auch konkretere öffentliche Informationen über seine offizielle Biografie Demnach habe er kurz nach seinem Studium in der Staatsuniversität von Donezk zu Beginn der neunziger Jahre, ein kleines Unternehmen gekauft das hervorragend lief und sich danach eine Bank gekauft.

„Nach dem Tod von Bragin und weiteren Angriffen gegen die Führungsmitglieder des Donezk-Clans Mitte der neunziger Jahre, kam Rinat Achmetow zu der Erkenntnis, das es notwendig sei sein Image zu verändern also aus dem Schatten herauszutreten und ein respektiertes Mitglied der Gesellschaft zu werden. 1996 wurde er Präsident des Shakter Fußballclubs, was ihn sofort in die gleiche Liga der einflussreichsten Kiewer Tyconnen hievte. Als die blutige Periode im Krieg über die Donbas-Herrschaft vorüber war, begann er die Prinzipien bürgerlichen Verhaltens zu unterstützen.“[xii]

Der bislang in den Donbaser Industriellenkreisen doch eher unbekannte Rinat Achmetow gründete die Dongorbank (Donecker Stadtbank), während er durch Übernahme des Unternehmens Lux weitere rentable Firmen übernahm. Als Hauptsponsor und Präsident des Fußballvereins ließ er ein Internat für talentierte Nachwuchsspieler bauen und das Fußballstadion renovieren. Sein Fußballclub Schachtjor Donezk ist eine Aktiengesellschaft und betreibt selbst weitere Untenehmen. Außerdem spielte die Mannschaft in den letzten Jahren immer wieder bei internationalen Wettbewerben wie der Champions League oder dem UEFA-Cup mit und brachte so ihrem hohen Präsidenten gute Einnahmen.

Neben dem Fußballclub gehören ihm Hochöfen, Röhrenwerke und Koksereien, Medienunternehmen wie der Fernsehsender Ukraina und die Zeitung Segodnya (Heute), das Fünf-Sterne-Hotel Donezk-Palace, eine Brauerei und eine Telefongesellschaft, zusammengeschlossen in der „System Capital Management Group“ (SCM), in der er mit 90 Prozent Anteilen Mehrheitsaktionär ist. „Für die Zukunft der Ukraine und der Welt“ würde das Unternehmen eintreten, wurde in Werbekampagnen im englischen Fernsehsender BBC für SCM geworben.  Insgesamt beschäftigte er Mitte 2004 über dreihunderttausend Menschen. Gerade mal acht Jahre nach dem Tod von Bragin lebte Rinat Achmetow, zusammen mit seiner Frau und einem Sohn, auf einem riesengroßen Grundstück bei Donezk, das von Meter hohen Mauern umgeben war. Vor dem von Kameras überwachten Gelände stehen Betonsperren und mit Maschinenpistolen bewaffnete Hünen. Zeigte er sich auf der Ehrentribüne des von ihm finanzierten Fußballstadions, um seine Fußballer, die des Schachtjor Donezk anzufeuern, saß er hinter einer kugelsicheren Scheibe.

Einen seiner großen Deals gelang ihm übrigens, als er im Juni 2004 zusammen mit Viktor Pintschuk, dem Schwiegersohn von Leonid Kutschma, den staatlichen Betrieb Kryvorizhstal kaufte, eines der profitabelsten Unternehmen des Landes. Die beiden „Unternehmer“ hatten das mit einer Jahresproduktion von sechs Millionen Stahl und 52.000 Beschäftigen größte ukrainische Stahlwerk und eines der größten Metallurgiekonzerne der Welt für gerade mal 803 Millionen US-Dollar erworben. Ein internationales Konsortium hatte das Dreifache geboten. Aber Kutschma und Janukowitsch hatten die Verkaufsbedingungen so geschneidert, das Rinat Achmetow und Viktor Pintschuk den Zuschlag bekamen. Noch während der orangefarbenen Revolution erklärten Viktor Juschtschenko und Julia Timotschenko, dass sie nach ihren Sieg die Aufhebung dieser Privatisierung rückgängig machen würden.  Und so geschah es auch. Am 22. April 2005 wurde der Verkauf vom Wirtschaftsgericht in Kiew für ungültig erklärt.

Das erklärt vielleicht, warum Rinat Achmetow später  spendabler Gönner von Janukowitsch wurde und ihm seinen Wahlkampf im Jahr 2004 mitfinanzierte. Während der orangen Revolution und des Wahlkampfes sorgten Banditen im Donezk dafür, dass die Anhänger von Juschtschenko keine Möglichkeiten hatten, ihren Favoriten entsprechend zu verteidigen. Die Miliz schaute zu, wenn Schlägertruppen Anhänger von Juschtschenko verprügelten. Ein Betroffener: „Und danach machten sie sofort Drohanrufe bei den anderen Parteibüros, die in Donezk für Juschtschenko arbeiteten. Wenn Ihr nicht aufhört, sagten sie, dann passiert Euch dasselbe wie Siknajew. Man braucht schon Mut, um hier für die Demokratie zu kämpfen.“ Damit, so wurde vermutet, habe Rinat Achmetow sich gegenüber Janukowitsch für seinen Reichtum in dessen Amtszeit als Premierminister in Kiew und Gouverneur im Donezk erkenntlich zeigen wollen. Bis heute ist nicht ganz klar, ob er Viktor Janukowitsch als Strohmann für seine eigenen politischen Ambitionen vorgeschoben hat, was er in der Vergangenheit weit von sich gewiesen hatte.

Alles sollte sich ab dem Jahr 2005, im Zusammenhang mit der orangene Revolution ändern. Der Clan aus dem Donbas hatte seine wichtigsten Verbündeten in der Regierung und Administration verloren. Und es kam Bewegung in die politische Szene. Das jahrelange Schweigen um die wahren Herrscher des Donezk wurde durchbrochen.

Serhiy Kornych, der Chef der Abteilung für Organisierte Kriminalität im Innenministerium von Kiew, behauptete am 18. Juli 2005, dass Rinat Achmetow die „Top-Größe der Organisierten Kriminalität in der Ukraine sei.“ Ein schwerer Vorwurf. Innenminister Lutsenko und die damals noch amtierende Premierministerin Julia Timotschenko erklärten daraufhin, dass es bisher keine Beweise über seine Verbindungen zur Organisierten Kriminalität gebe – „bis jetzt.“ Hintergrund dieser Behauptung war, dass am 6. April 2005 Boris Kolesnikov, ein enger Vertrauter von Rinat Achmetow durch die Spezialeinheit im Kampf gegen das organisierte Verbrechen im Innenministerium verhaftet worden war. Der Vorwurf: Erpressung. Er war, so war in den Medien zu lesen, Top-Manager von zwei Unternehmen die im Besitz von Akhemtov waren: dem Shaktar Donezk Fußballclub und einem weiteren Unternehmen in Kiew.

Kurz nach der Verhaftung stürmten Abgeordnete von Janukowitsch das Büro der Generalstaatsanwaltschaft in Kiew und verlangten eine Erklärung für die Festnahme von Kolesnikov. Die Nachrichtenagentur Interfax berichtete, dass seine Partei der Regionen alles unternehmen werde, um Kolesnikov zu befreien, weil in in keiner Weise für die Gesellschaft gefährlich wäre.“[xiii]

Am 20. Juli 2005 verkündete der damalige ukrainische Innenminister  Hennady Moskal, dass Achmetow als Verdächtiger gehört werden soll, und zwar wegen eines Mordanschlages, wo ein Krimineller angeschossen wurde, aber überlebte und jetzt in Moskau lebt. „Dann geschah das was wir erwartet hatten“.

Demnach hätten Achmetows Leute, so eine Version, das Opfer in Moskau aufgesucht und ihn davon überzeugt, dass er besser eine Erklärung abgibt, wonach Achmetow nichts mit dem Mordanschlag zu tun habe. Noch am gleichen Tag, den 20. Juli 2005, veröffentlichte das Washingtoner Anwaltsbüro von Achmetow, dass eine eidesstattliche Versicherung vorliegen würde, wonach das Opfer Moskal erklärte habe, dass Rinat Achmetow nichts mit dem Mordanschlag zu tun habe. Der in die Kritik geratene Oligarch war jedoch im Sommer 2005 bereits aus der Ukraine ausgereist – Aufenthalt anfangs unbekannt. Denn ukrainische Journalisten hätten ihn gerne zu den Vorwürfen befragt. Irgendwo in Italien, von Sardinien ist die Rede, soll er jedoch ausländischen Journalisten Interviews gegeben haben, in denen er seine Unschuld beteuert. Aktiv für seinen „Freund aus dem Donezk“ wurde übrigens auch Viktor Janukowitsch. Er drohte einen nationalen Streik und Ungehorsam im ganzen Land zu organisierten, sollte die Regierung etwas gegen Rinat Achmetow unternehmen und wandte sich sogar schriftlich an den EU-Außenbeauftragten Javier Solana, klagte über eine „Terrorkampagne“, die von der gegenwärtigen Regierung gegen die politische Opposition losgetreten wurde.

Am sonnigen Dienstag, dem 16. August 2005, stürmten dann die Sicherheitsbehörden seine Unternehmen in Donezk  und suchten, wie in den Medien berichtet wurde, nach Beweisen für Steuerhinterziehung und andere kriminelle Taten. „Es scheint der Krieg hat begonnen“, schrieb die Kiew-Post.

„Und wenn er zurückkommt riskiere er zum ukrainischen Chordorkowsky zu werden….Wenn er schuldig ist, muss er selbstverständlich bestraft werden, ob die Strafe schlecht für ausländische Investoren ist oder nicht. Wir sind aber nicht davon überzeugt, dass die Bestrafung von Kriminellen westliche Interessen davon abhalten wird, ihr Geld in der Ukraine zu investieren.“ [xiv]

Der in Kiew vermisste Achmetow sagte in einem Interview in Italien gegenüber Journalisten des Wall Street Journal, dass er keinesfalls geflüchtet sei

„Wir haben eine Familientradition, dass wir jeden Sommer hierherkommen, um uns zu erholen. Ich bin bereit mit dem Staatsanwalt zu sprechen, wenn es etwas Seriöses zu sprechen gibt. Wir haben in der Ukraine unter den Bedingungen investiert, die es damals gegeben hat.“[xv]

Sein Anwalt hatte deshalb sogar den Europäischen Menschengerichtshof wegen des Vorgangs angerufen.

 


[i] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Juli 2010

[ii] Das Projekt The Organized Crime and Corruption Reporting (OCCRP) ist ein Joint Venture der Zentren für investigativen Journalismus in Sarajewo, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Kaukasus, der russischen Zeitung Novaja Gazeta, sowie einem Netzwerk  investigativ arbeitender Journalisten und Medien in Montenegro, Albanien, Moldawien, der Ukraine und Georgen.

[iii] www.reportingproject.net/football/clubs/clubs_uk_shaktar.html

[iv] http://www.reportingproject.net/

[v] http://www.kyivpost.com/news/nation/detail/96887/

[vii] Mark Rachkevych: Rich Man in a poor Country, KyivPost, 17. Dezember 2010

[viii] http://shakhtar.com/en/news/9383

[ix]  In einem Bericht der israelischen Polizei aus dem Jahr 1996 steht, dass er nicht nur in vielen Firmen

als Präsident tätig sei, sondern auch Kontakte zu Kriminellen  unterhalte: „Seit Beginn der neunziger Jahre wurde Kobsons Name immer häufiger in Verbindung zur russischen organisierten Kriminalität gebracht. Die israelische Polizei stellte Ende 1994 Verbindungen zur russischen Mafia her, als er sich mit Wladimir Belkin, Boris Birshtein und Shabtei Kalmanovich traf. Diese drei gehören zur Solnzewskaja-Organisation, die von Sergej Michailow geführt wurde. Kobson hat großen Einfluss in verschiedenen kriminellen Organisationen und ist als Schlichter und Entscheidungsträger bekannt.“

[x] Roman Kupchinsky: The Clan from Donetsk: www.ukrweekly.com/old/archive/2003/020304.shtml

[xi] http://www.ukrweekly.com/old/archive/1996/459601.shtml

[xii] Sergej Kiselev: The King of Donbass Feels the Heat, The Moscow News, 14. September 2005

[xiii] Roman Olearchyk: Achmetow associate detained by organized crime police; Kyiv Post, 7. April 2005

[xiv] Editorial, Achmetow on the lam, Kyiv Post, 17. August 2005

[xv] zit.n.: Wanted Ukrainian Millionaire Achmetow Claims Law Obedience from Italy, www.mosnews.com/news/2005/08/09/Achmetowinitaly.shtml, Mosnews.Com, 9. September 2005

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