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Gauweiler verlässt Bundestag: Held oder Taktierer in Trachtenjacke?

Datum:

Henning Schacht/CC BY-SA 3.0

  • Versehentlicher Auftritt mit radikalem muslimischem Imam, Kontroversen um seine lukrativen Mandanten und eine völlig verquerte Russlandpolitik
  • Die ganze CSU als Limited Hangout? Stimmen sammeln für Berlin und Brüssel
  • Machtkampf im Hintergrund

Kommentar

Der CSU-Vize und prominente Eurokritiker Peter Gauweiler legt sein Bundestagsmandat nieder, offiziell aus Protest wegen dem Rettungsdebakel um Griechenland, inoffiziell wird vermutet, dass er wegen seinem Abstimmverhalten die Parteikollegen brüskiert hat und einen Machtkampf verlor. Die Rechnung ging nicht auf, ihn als Stimmenfänger zu gebrauchen, um ein Abwandern der eurokritischen Wähler an die AfD zu verhindern. Die AfD hatte ihre Erfolge bei der Europawahl und in zwei Landtagswahlen, der Druck auf Gauweiler wuchs, doch endlich wie der Rest der CDU/CSU abzustimmen, wenn es um Geld geht. Ist er der konservative, heimatverbundene Rebell? Oder war der Anti-Euro-Kurs eher eine Scharade, um das konservative Stimmvieh bei Laune zu halten?

Eigentlich ist die gesamte CSU ein Limited Hangout. Sie soll einen Haufen Stimmen sammeln, muss dafür aber zumindest so tun, als würde man eigensinnig gegen Berlin agieren.

Ein weiterer Stein des Anstoßes ist Gauweilers extrem positive Haltung zu Russland. Eine solche Haltung hatte zwar die CDU/CSU bis vor nicht allzu langer Zeit auch, aber plötzlich sei nun mal alles anders und Gauweiler will nicht mitschwimmen und geht nach Moskau. Hat da die Kanzlerin Donnerblitze geschleudert? Auch CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller ist bei der Kanzlerin wegen eigenmächtiger Vorstöße, (u. a. Ukraine-Hilfskonvoi) in Ungnade gefallen. CSU-Chef Seehofer selbst weiß, wie schnell man abserviert werden kann: Ausgerechnet die BILD-Zeitung veröffentlichte im Januar 2007 Informationen über eine langjährige außereheliche Beziehung, in der er zum vierten Mal Vater wurde. BILD begründete die Enthüllung damit, Seehofer habe sein Privatleben stets „groß plakatiert, wer es politisch einsetzt, muss sich daran messen lassen.“ Die gezielten Indiskretionen gegenüber BILD wurden von anderen Medien dem internen CSU-Machtkampf zugeschrieben.

Immer wieder stimmte und klagte Gauweiler gegen große Projekte der CDU: Der Vertrag von Lissabon, die Euro-Rettungsschirme. Er ist bekannt als Kritiker des Euro, der Vorratsdatenspeicherung, der Irak- und Afghanistaneinsätze. Gleichzeitig stimmte er aber auch für Unfug und Umstrittenes, wie die PKW-Maut, für die Fortführung der Bundeswehreinsätze im Südsudan und anderswo, sowie für den flächendeckenden Mindestlohn. Bei vielen Abstimmungen war er schlicht nicht da.

Zu beschäftigt?

Mindestens 967.500€ Nebeneinkünfte werden dem Juristen Gauweiler in den ersten neun Monaten der Legislaturperiode zugeschrieben, berichtete der SPIEGEL, basierend auf Berechnungen von abgeordnetenwatch.de. Es könnte aber auch viel mehr Geld sein, denn ab einer bestimmten Grenze pro Geschäft müssen keine näheren Angaben gemacht werden. Wer die Mandanten sind, an denen er verdient hat, steht nicht in seinem Bundestagsprofil. Es handelt sich unter anderem um brisante Kandidaten wie die Erben von Leo Kirch, die sich mit der Deutschen Bank fetzen. Ex-Vorstandschef Josef Ackermann ist ein regelmäßiger Gast bei den elitären Bilderberg-Konferenzen und inzwischen ausgerechnet Verwaltungsratspräsident der Bank of Cyprus, das größte Geldinstitut der Republik Zypern. Die EZB hat angekündigt: Sollte Zypern sich nicht auf das ausgehandelte Rettungspaket von Euro-Staaten und Internationaler Währungsfonds einlassen, könnte der Geldfluss in wenigen Tagen versiegen. Ein weiterer Mandant Gauweilers war der umstrittene Augsburger Laborarzt Schottdorf:

Das Mandat war umstritten, weil Gauweiler im Auftrag Schottdorfs die Arbeit eines Untersuchungsausschusses im Landtag einschränken wollte. Dieser geht Ungereimtheiten bei der Aufarbeitung einer Affäre um Abrechnungen des Laborarztes nach.

Weitere Mandanten sind u.a. Tom Enders, Chef von Airbus; Stefan Mappus, ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg; die Metro; die Österreichische Bundesbahn und der frühere Münchner Wiesn-Wirt Sepp Krätz.

In einer Erläuterung meinte Gauweiler, die Zahlen würden Umsätze beschreiben, nicht Einkommen. Außerdem stehe er im „freien Berufsleben“ und würde seinem „erlernten Beruf nachgehen“. Das bedeutet zwar, dass er auf eigenen Beinen steht und nicht für seinen Lebensunterhalt auf ein Mandat angewiesen ist, dennoch ist die Frage interessant, wie er seine Arbeitszeit aufteilte. An sehr vielen Abstimmungen war er gar nicht beteiligt. Im April 2012 berichtete Der Spiegel mit Verweis auf Abgeordnetenwatch.de, dass Gauweiler seit der Bundestagswahl 2009 insgesamt 36 von 62 Abstimmungen im Bundestag aufgrund von Abwesenheit verpasst hatte. Dies war die höchste Fehlquote aller Bundestagsabgeordneten. Zwischen 2002 und 2009 fehlte er bei einem Drittel der Abstimmungen. In der Legislaturperiode bis 2013 fehlte er sogar bei der Hälfte aller Abstimmungen.

Staatsmann?

Er gibt sich gerne groß und staatsmännisch. Seit 1968 ist er in der CSU, bekleidete er aber eher nebensächliche Positionen wie im Ausschuss für Kultur und Medien, im Unterausschuss für Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Auschusses, oder Posten in Bayern für Landesentwicklung und Umweltfragen.

Nach den Anschlägen auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris wollte er einen großen Auftritt, um sich mit Muslimen zu solidarisieren. Dummerweise ging er dazu in die Freimann-Moschee in München zu dem Imam Ahmed al-Khalifa. Mit dabei war Béchir Ben Hassan aus Tunesien, der als Salafist gilt und sich für die Anwendung der Scharia in seiner tunesischen Heimat ausspricht. In einem Video ruft er zur Gewalt gegen Menschen auf, die den Propheten Mohammed beleidigen. Der SPIEGEL berichtete:

2009 durchsuchten Sicherheitsbeamte die Moschee und die Wohnung von al-Khalifa. Er stand unter anderem im Verdacht, Kontakt zu Islamisten zu unterhalten. Das Verfahren gegen al-Khalifa wurde später eingestellt. Der bayerische Verfassungsschutz hatte den Mann über Jahre wegen mutmaßlicher Kontakte zu Islamisten im Visier.

Die Moschee sei früher laut dem Autor Stefan Meining ein wichtiger Ort für Anhänger der radikalen Muslimbruderschaft gewesen. Natürlich duldet oder beschönigt Gauweiler nicht den radikalen Islam, aber solche peinlichen Versehen wiegen schwer, denn er gilt als jemand, der publikumswirksam und staatsmännisch über innen- und außenpolitische Angelegenheiten spricht.

Bei der Bundeswehr in Afghanistan ist er ganz erregt und poltert, dass die Einsätze nicht zum deutschen Grundgesetz passen, wenn aber die Russen die Krim erobern und den Osten der Ukraine, ist er verständnisvoll und meint, jedes Gebiet soll doch bestimmen, wo es hingehören will. Dass die ukrainische Verfassung für solche Abspaltungen einen Bundesbeschluss vorschreibt, fällt plötzlich unter den Tisch.

Kauft Gauweiler den Alt-KGB-Kadern in Moskau den Wandel hin zum christlich-konservativen Imperium etwa ab? Gauweiler ist kein Bismarck und Russland kein geeigneter Partner für Deutschland. Gauweiler plapperte die üblichen Talking Points der Russen nach: Der Westen habe nach dem Fall des Eisernen Vorhangs das neue Russland ignoriert und ständig frustriert, Moskau gehöre zu Europa dazu, sowie Schenkelklopfer wie

„Wenn Deutschland und Russland gute Beziehungen hatten, dann war das immer gut für Europa“.

Er reiste am 12. September 2014 nach Moskau, um als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Auswärtige Kultur das „Jahr der Sprache und Literatur in Russland und in Deutschland“ zu eröffnen. Während seines Besuchs kritisierte er die Sanktionspolitik gegen Russland. Diese sei eine feige Politik, die in die falsche Richtung gehe sagte er am 12. September 2014 gegenüber der dpa. Gauweiler traf in Moskau auch mit Vertretern der Kirchen, der Wirtschaft und hochrangigen Politikern zusammen, er sprach auch mit dem russischen Parlamentspräsident Sergei Naryschkin.

AlexBenesch
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