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Einer der letzten großen Kreml-Kritiker auf offener Straße erschossen

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De Visu / Shutterstock.com

Einer der letzten großen Kreml-Kritiker, Boris Nemzow, wurde im Regierungsbezirk Moskaus auf offener Straße erschossen. Vier Kugeln aus einem vorbeifahrenden Fahrzueg trafen Nemzow in den Rücken. Wie bei solchen Fällen üblich, reagierte das Putin-Regime mit der Verschwörungstheorie, die Opposition stecke hinter der Tat, um Putin schlecht aussehen zu lassen. Alternativ wird angeboten, außer Kontrolle geratene prorussische Separatisten, die in der Ukraine Krieg führen, hätten ihn beseitigt, oder islamische Extremisten beabsichtigen mit der Tat, das Land zu destabilisieren. Es wird keine 24 Stunden dauern, bis die üblichen Lügner aus den Internet-Blogs davon überzeugt sind, die CIA oder der Mossad hätte das Attentat verübt.

Wie dem auch sei, es sind bereits genug Putin-Kritiker eiskalt ermordet worden um zu wissen, dass es keine echten Ermittlungen geben wird. Russland ist ein Universum davon enfernt, auch nur irgendwelche rechtsstaatlichen Züge aufzuweisen. Der Innenminister der Russischen Föderation übernahm persönlich die Leitung der Ermittlungen.

Nemzow hinterlässt vier Kinder. Fehlt nur noch die Schach-Ikone Garri Kasparow. Wenn er auch noch umgebracht wird, gibt es niemanden mehr von Format.

Vor wenigen Jahren noch waren solche Vorkommnisse in der westlichen Presse kein großes Ereignis – man erinnere sich an den flauen Protest nach der Ermordung von Alexander Litwinenko oder Anna Polikowskaja, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen. Zu mächtig war der Einfluss Russlands und zu groß waren die Bestrebungen, die EU und die Russische Föderation zu verschmelzen. Oder man erinnere sich an das mediale Schweigen zu dem Flugzeugdesaster von Smolensk, bei dem die polnische Elite ausradiert wurde und Russland unter Bruch internationaler Verträge alleine die Ermittlungen führte.

Inzwischen hat sich allerdings der Politik zufolge „die Sicherheitslage verändert“ und so ist die Ermordung von Nemzow nun Top-Meldung überall in Deutschland, zusammen mit Kommentaren und Vorwürfe in Richtung Putin von Politikern wie Röttgen von der CDU sowie Statements von der Kanzlerin und dem Außenminister. Wie haben sich doch die Zeiten geändert.

Der deutsche Enthüllungsautor Boris Reitschuster kommentierte die Ereignisse auf Facebook:

Der ermordete Putin-Gegner Boris Nemzow wollte offenbar einen Enthüllungsbericht über den Einsatz des russischen Militärs in der Ukraine veröffentlichen. Das berichten übereinstimmend Oppositionelle und Gesprächspartner des Ermorderten. Vor zwei Wochen hatte Nemzow in einem Interview gesagt, er habe Angst, dass Putin ihn töten lassen werde.

Er war mein Freund. Er war ein Lichtblick. Ich habe ihn zum letzten Mal im Oktober getroffen, wir wanderten durch die Berge. Er hatte Angst, dass man ihn umbringt. Und dennoch war er, Vater von vier Kindern, voller Lebensfreude, voller jugendlichem Charisma. Er strotzte vor vitaler Energie. Der frühere Vize-Premier und heutige Oppositionsführer war ein krasser Gegensatz zu den „Biorobotern“ aus der KGB-Retorte. Putin, so hieß es, war neidisch auf ihn. Sie waren Intim-Feinde, seit Boris unermüdlich die Korruptions-Schemas des Kremls enthüllte, schrieb, wie Putin und sein Clan das Land ausbeuten. Boris war zuweilen exzentrisch, aber immer aufrecht. Er wurde als Spion Amerikas verunglimpft, als fünfte Kolonne, als Faschist. Doch er war stärker als die Angst. Boris Nemzow wurde ein Opfer des Hasses, den das System Putin schürt. Ein leuchtendes Andenken Dir, Boris! Dein Lächeln können sei nicht töten! Und es ist ein Sinnbild für ein neues, ein anderes Russland.

Nemzows Berichte waren ein seltener Einblick in das russische Regime. In dem folgenden Video (ab Minute 40) geht es beispielsweise um den exorbitanten Diebstahl, der eine kleine Gruppe zu Milliardären machte.

Auch im Fall des ermordeten Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko dauert es lange, bis Großbritannien echte Ermittlungen gestattete. Erst nach dem größeren Zerwürfnis zwischen Putins Russland und dem Westen war auf einmal alles anders. Innenministerin Theresa May kündigte Anfang vergangenes Jahr das sogenannte „Public Inquiry“ an.

2006 starb Litwinenko an einer Vergiftung mit der radioaktiven Substanz Polonium. Die Spur führte zu einem KGB-Bodyguard, einem weiteren Russen und zu Wladimir Putin. Sein Halbbruder Maxim erklärte zunächst, Alexander sei einer von Putins größten Feinden gewesen.

usammen mit Juri Felschtinski, einem US-amerikanischen Historiker russischer Herkunft, verfasste er 2002 das Buch Eiszeit im Kreml. Das Komplott der russischen Geheimdienste. Die auf Menschenrechtsfragen spezialisierte russische Nachrichtenagentur Prima, die vom ehemaligen Sowjetdissidenten Alexander Podrabinek geleitet wird, ließ das Buch in Lettland drucken und wollte es in Moskau mit einer Auflage von 4400 Exemplaren verkaufen. Der Lastwagen mit der Auflage wurde indes im Rahmen einer Antiterror-Aktion beschlagnahmt.

Die zentrale These des Buches ist, dass die Sprengstoffanschläge von 1999 auf Wohnhäuser in Moskau und anderen russischen Städten, bei denen rund 300 Menschen den Tod fanden, entgegen den Behauptungen von offiziellen russischen Stellen nicht von tschetschenischen Terroristen verübt wurden. Vielmehr gingen die Anschläge – so die Autoren – auf das Konto des russischen Geheimdienstes FSB und dienten im Rahmen einer Strategie der Spannung als Vorwand für die Entfesselung des Zweiten Tschetschenienkriegs.

Dieselbe Theorie vertraten auch Mitglieder einer öffentlichen Kommission um Sergei Kowaljow. Ihre Mitglieder wurden von einer Reihe von tödlichen Zwischenfällen heimgesucht.

AlexBenesch
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