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Ukraine: Blitzkrieg, Festfahren oder Zwickmühle

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Attila JANDI / Shutterstock.com

KOMMENTAR

Es gibt drei große Szenarien für die weitere Entwicklung des Kriegs in der Ukraine:

  • Blitzkrieg: Moskau wartet nicht darauf, bis die NATO an Kiew Waffen schickt, sondern nimmt in einer Blitzaktion das ganze Land in wenigen Tagen ein. Dies würde die Welt vor vollendete Tatsachen stellen, Putin den Status eines Halbgottes in der Propaganda verleihen und weitere große Sprünge vorbereiten.
  • Festfahren: Der Konflikt wird weitergeführt wie bisher. Folgen: Kiew würde wohl in die NATO aufgenommen werden und wäre erst einmal tabu. Russland hätte wieder Kontrolle über die Rüstungsbetriebe in der Ostukraine und könnte den Zeitplan für die Modernisierung des eigenen Militärs bis 2020 einhalten.
  • Zwickmühle: Russland treibt das Spiel mit seinen unmarkierten grünen „Urlaubssoldaten“ weiter und die NATO liefert Waffen an Kiew. Die Ukraine verwandelt sich in eine Art Vietnam-Desaster oder eine Wiederholung des russischen Afghanistan-Fiaskos. Zu viele Tote, zu hohe Kosten, eine Blamage.

Zu verlockend ist die Einnahme der Ukraine oder zumindest die Einverleibung in Russlands Eurasische Union: Auf einmal stünde man mitten in Europa, am Balkan, nur einen kurzen Wasserweg entfernt vom nahen Osten und einen Kanal entfernt vom Mittelmeer. Dann fehlt nur noch die Einnahme des Baltikums (eisfreie Häfen) und der Rest der Eroberung Europas könnte beginnen.

Ließe sich die Türkei zu einer Partnerschaft und einem Austritt aus der NATO bewegen, würden sich die Machtverhältnisse auch im mittleren Osten gewaltig verschieben und der Konflikt nähme sehr schnell globale Ausmaße an.

Hat das angloamerikanische Establishment in Wirklichkeit Russland genau da, wo man es haben möchte? Diktatorisch regiert, auf gnadenlose Expansion aus, militärisch stark aber nicht finanziell auf stabilen Beinen? Der zweite Weltkrieg reanimierte damals die halbtote amerikanische Wirtschaft und räumte das gesamte Konzept des Nationstaats aus dem Weg zugunsten des Globalismus. Für Russland gibt es heute kaum noch einen Weg zurück. Es regiert nicht nur Putin sondern eine ganze Reihe an irren Fanatikern, die sich nicht mit dem Status Quo als banale Kleinmilliardäre zufriedengeben. Durch eine taktische Mischung aus Provokationen und leicht zu ergatternden Beutestücken wie die Krim lässt Russland sich dazu verleiten, ein monströses Riesenreich zu expandieren, welches unmöglich zu verteidigen und zu bezahlen ist. Je mehr militärische und diplomatische Erfolge Putins Oligarchen feiern und der Westen sich schwach stellt, umso mehr werden die Russen den Bezug zur Realiät verlieren.

Die NATO machte nie irgendwelche Anstalten, um ernstzunehmende Streitkräfte als Abschreckung in die Region zu verlegen. Man nimmt eine Invasion durch Russland offensichtlich in Kauf. Es würde rund 180 Tage dauern, NATO-Streitkräfte zur Verteidigung der Ukraine zu verlegen. Viel zu spät.

Zweifellos haben amerikanische Behörden und private Kanäle in den letzten Jahren Geld in die Ukraine gesteckt, um Einfluss auf das politische Geschehen dort zu nehmen, allerdings konnte niemand ernsthaft erwartet haben, dass sonderlich viel dabei herausspringt. Schließlich hat jeder mit Einfluss in der Ukraine eine Vergangenheit beim KGB. Die Ukraine ist nicht Libyen oder Tunesien.

Es wird immer noch im Netz gelogen, laut einer US-Funktionärin wären 5 Milliarden Dollar in den Maidan-Aufstand gepumpt worden. In Wirklichkeit floss dieser Betrag in einem Zeitraum von rund 20 Jahren in das Land. Die Putin-Propagandisten schreien „US-Staatsstreich“ von den Dächern und missachten dabei völlig die ukrainische Bevölkerung, die überwiegend keine Lust hatte, sich an Russland zu ketten.

Was soll das für einen Sinn ergeben, aus dem Hintergrund den Maidan-Aufstand zu leiten, aber keine Streitkräfte aufzubieten, die eine neue Regierung verteidigen könnten? Die Amerikaner mussten wissen: Die Ukraine ist kein NATO- oder EU-Mitglied, schlecht verteidigt und jeder von Wichtigkeit in dem Land hat eine Vergangenheit im KGB. Die CIA konnte zwar mithelfen, Janukowitsch loszuwerden, aber alles was zurückbleibt, ist nicht viel besser.

Etwas stinkt hier ganz gewaltig.

Der bizarre „arabische Frühling“ ersetzte US-treue Diktatoren wie Assad oder Mubarak, die mit mehr Wirtschaftshilfe heil durch ihre Krisen gekommen wären, mit seltsamen und verstrittenen Fanatikern. Was haben die Amerikaner davon wirklich?

Russland konnte während dem arabischen Frühling zwar theatralisch die Rolle der vernünftigeren Großmacht spielen, wirkte aber recht schwach, konnte die Revolutionen und Militäraktionen nicht verhindern. Einzig bei Syrien gelang es Putin und Lawrow, nicht ganz so überflüssig auszusehen. Die NATO verlor durch den arabischen Revolutionsquatsch ein paar verlässliche, krumme Partner-Regime und provozierte Russland, etwas Spektakuläres zu unternehmen, oder ansonsten auszusehen wie ein Mäuschen.

Ausgerechnet der geflüchtete Janukowitsch selbst war es gewesen, der eigentlich große Deals mit den westlichen Konzernen Chevron und Royal Dutch Shell förderte und befürwortete. Bis 2020 erhoffte er sich, das eigene Land im Bezug auf Gas autark zu machen (eine Vorstellung die Albträume bei der Gazprom-Mafia auslöst) und sogar zu exportieren. 2004 versuchte Janukowitsch die Wahlen in der Ukraine zu stehlen und wurde mit Hilfe der US-geförderten Orangenrevolution wieder weggeputscht. In den nächsten Jahren half ihm aber ausgerechnet eine amerikanische Top-Firma dabei, sein Image wieder aufzupolieren, dieselbe Firma die schon die die US-Präsidentschaftskandidaten Bushs, Bob Dole und Ronald Reagan beriet.

Was ist hier wirklich los?

Die Welt geht in die nächste Phase

Unter den russischen Zaren grassierte ein vom orthodoxen Christentum begleiteter Expansionswahn: Russland sei das dritte Rom und Gott wolle angeblich, dass sich das Großreich auf den mittleren Osten, Asien, den Balkan und Osteuropa ausdehnt. Die Sowjets murksten die Zaren ab und expansionierten ohne christliches Getue brutalst ihr Reich. Nach dem heutigen Selbstverständnis besinnen sich die russischen Machthaber einfach wieder auf das alte, christlich-zaristische Modell. Entweder zeigt das neue Reich Zähne, oder es droht zu zerfallen.

Sich die Krim zu holen, war militärisch einfach, aber teuer. Die Folgen für die russische Wirtschaft belaufen sich bereits auf umgerechnet 500 Milliarden Dollar. Für den stolzen Preis erkauften sich die Oligarchen im Putin-Regime eine wichtige Kontrollstation für das Schwarze Meer. Wie die Bevölkerung unter dem Abenteuer leidet, ist den Oligarchen herzlich egal. Putin machte sein erstes Vermögen, indem er Volkseigentum in den Westen verschacherte und seine Mitbürger dadurch hungern ließ. Holt man sich mit blanker Gewalt auch noch die Ukraine, dann verändert sich vieles dramatisch:

  • Russland offenbart seine Position als expansionistische Großmacht und wird besoffen vor lauter Selbstvertrauen. Im Vodka- und Kokainrausch träumen die Oligarchen dann von der baldigen Einnahme ganz Europas
  • Die negativen wirtschaftlichen Folgen für Russland wären so groß, dass man den Handel in enormem Umfang umstellen muss: Eine planwirtschaftliche Ostblock-Ökonomie wie früher. Grenzen dicht.
  • Russland würde seinen bisher nützlichen, künstlichen und völlig unverdienten Ruf verlieren, eine defensive und besonnene Großmacht zu sein. Umgekehrt verbessert die NATO ihren Ruf dramatisch
  • Die NATO hätte den nötigen Anlass, weitreichende Veränderungen vorzunehmen: Das reihenweise Auffliegen-lassen von Ost-Spionen, eine Wiedererstarkung der Spionageabwehr, Aufrüstung. Außerdem würde es eine Umorientierung der NATO geben; weg von der Spezialisierung auf Krieg gegen asymetrische Feinde wie al-Kaida, hin zur alten Spezialisierung auf Kampf gegen staatliche Großmächte.

Die Westmächte haben wirklich alles in den letzten Jahren getan, um Russland dabei zu helfen, wieder zur Großmacht zu werden: Waffendeals, Zugang zu Westmärkten, unnötige Käufe von Russengas, das Wegschauen beim Tschetschenienkrieg oder dem Smolensk-Attentat, die Erlaubnis dass Russenagenten und Russenmedien sich überall im Westen breitmachen durften, unnütze Operationen wie „Iraqi Freedom“ die Russland daneben relativ vernünftig aussehen ließen, usw.

Jetzt kommt womöglich die nächste Phase. Die NATO kündigte kürzlich sämtliche praktische Kooperation mit Russland auf. Die NATO-Länder können nach einer Invasion der Ukraine durch Russland alle weiteren  bisherigen direkten und indirekten Hilfen an den Ostblock einstellen. Ab dann muss der neue Ostblock selbst klarkommen und hoffen, dass die eigenen Kräfte bei einem späteren Krieg gegen den Westen ausreichen.

Die NATO hätte den drigend benötigten großen Feind im Osten um alles zu zentralisieren. Bye-bye Nationalstaaten. Entweder kommt es zum Weltkrieg und die NATO gewinnt weil sie mehrere Schritte voraus ist, oder aber der Westblock und der Ostblock führen einen langen kalten Krieg oder sie einigen sich auf eine gemeinsame Weltregierung. Oder Ost und West stecken längst unter einer Decke und planen die kommenden Konflikte heimlich zusammen damit am Ende eine Weltregierung herauskommt.

2016 wird wohl die Ära von Präsident Obama zu Ende sein, dessen wichtigster Einfluss ein Agitator von der kommunistischen Partei der USA gewesen war. Sein Nachfolger wird wohl ein konservativer Hardliner sein.

AlexBenesch
AlexBenesch
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