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Was der Prozess gegen Silk Road über die Frage nach der Moral des Drogenhandels zeigt

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Kommentar

Der Anwalt von Ross William Ulbricht hat es immer schwerer, vor Gericht zu argumentieren dass sein Mandant nicht der Manager des bekanntesten illegalen Auktionshauses im Internet namens „The Silk Road“ gewesen war. Die Anklage feuert aus allen Rohren, führt immer neue Zeugen und Beweismittel vor und baut auf jahrelange Ermittlungen diverser Behörden. Zu Beginn versuchte die Verteidigung noch zu leugnen, dass Ulbricht überhaupt jemals ein Betreiber war und pochte auf eine möglicherweise rechtswidrige Beschaffung von Beweismitteln.

Die Silk-Road-Seite sei ohne richterlichen Beschluss gehackt worden, um den Ort des versteckten Servers herauszufinden. Der Staat kontert, dass die verwendete Methode kein Hacking gewesen sei, der Server im Ausland nicht dem Schutz der US-Verfassung unterliege und außerdem dass die Webseite offensichtlich kriminelle Kaufgeschäfte von Drogen abwickelte und deshalb der Schutz gegen „unangemessene“ Durchsuchungen laut US-Verfassung nicht greife.

Inzwischen ist klar, dass Ermittler einfach Google benutzten, um die frühesten Erwähnungen von Silk Road zu finden. Jemand hatte im Internet Werbung für die neue Plattform gemacht und gab an anderer Stelle „rossulbricht at gmail dot com“ als seine Adresse an. Ein richterlicher Beschluss lieferte den Beamten Zugriff auf die E-Mails, die zu den Daten passen, die auf Ulbrichts später beschlagnahmten Laptop gefunden wurden.

Die Verteidigung war vor Gericht dazu übergegangen, Ulbricht darzustellen als jemand, der Silk Road nur kurrzeitig als technisches Experiment betrieben hatte und danach gleich in andere Hände gab. Diejenigen Betreiber, die aus Silk Road einen gigantischen Drogenbazar machten, seien ganz andere Personen gewesen, die Ulbricht unter falschen Vorwänden in die Bibliothek lockten, in der er verhaftet wurde. Diese Verschwörungstheorie wird angesichts der drückenden Beweislast und einigen Zeugenaussagen kaum jemanden beeindrucken.

Der Verhandlungstag am nächsten Montag soll zeigen, wie der nerdige Angeklagte für mehrere Auftragsmorde bezahlt hätte, um Probleme zu lösen. Nur einer der (glücklicherweise nicht ausgeführten) Auftragsmorde zählt zu den Anklagepunkten.

Der 29-jährige Betreiber mit Universitätsabschlüssen im Technologiefeld beteuerte unter seinem Alias „Dread Pirate“ immer wieder öffentlich, dass er eine Art libertärer oder anarchokapitalistischer Verfechter des freien Marktes sei und die Nutzer seines Auktionshauses niemandem Schaden zufügen würden. In Wirklichkeit profitierte Silk Road gerade durch die Illegalität und sackte geschätzte 80 Millionen Dollar an Komissionen ein. Wären Drogen legal, würden schnell Konzerngiganten den Markt dominieren, während kleine Online-Plattformen kaum von den winzigen Margen überleben könnten.

Auch das „Unschädlich“-Argument Ulbrichts hält keiner näheren Betrachtung stand. Die gehandelten Substanzen sind extrem destruktiv und halten die Konsumenten schnell in eine Abhängigkeitssituation. Einer der Zeugen vor Gericht beschrieb, wie er zunächst süchtig nach seinen Schmerzmitteln wurde und dann mit Heroin eine günstigere Alternative fand. Schnell hatte er einen täglichen Bedarf von 300$ und anstatt einen Entzug zu machen, wurde er zu einem Top-Verkäufer auf Silk Road und verschickte seine Ware an andere arme Teufel, die der Sucht nicht entkommen konnten. Andere auf Silk Road verfügbare Substanzen wie Kokain verursachen sogar bei relativ jungen Menschen massive Herzprobleme. Crystal Meth vernichtet Existenzen. Zweifellos wird ohne moralische Bedenken profitiert von dem Leid anderer. Abhängigkeit ist das Gegenteil von Freiheit und Süchtige können oft über ihren Konsum und ihre Lebensführung nicht mehr rational entscheiden.

Die Entkriminalisierung von Drogen in Portugal scheint bisher ein Erfolg gewesen zu sein: Der Konsum ist gesunken, nicht gestiegen. Allerdings schrecken wohl nach wie vor die hohen Preise, soziales Stigma und Verunreinigungen die Menschen ab. Fallen diese Faktoren auch noch weg, könnte der Konsum möglicherweise steigen. Wie dem auch sei, das Beispiel Portugal und das Argument für Entkriminalisierung machen den Betreiber von Silk Road nicht zu einem moralisch einwandfreien Individuum:

Ein verdeckter Ermittler beschwerte sich über die kleinen Mengen Drogen die gehandelt wurden und suchte einen liquiden Käufer für „mehr als zehn Kilogramm Kokain“. Laut Anklageschrift erklärte der Chef-Pirat, sich bei den registrierten Nutzern mit hohen Umsätzen „umzuhören“, fand dann auch tatsächlich einen geeigneten Kandidaten. Ein wichtiger Mitarbeiter von Ulbricht wurde nach Vollzug des Deals verhaftet. Empört darüber, dass der Verhaftete auch noch Geld von anderen Nutzern gestohlen haben soll, heuerte Ulbricht den Behörden zufolge den verdeckten Ermittler an, die betreffende Person zu verprügeln und das Geld zurückzufordern. Ziemlich bald soll aber das Ganze in einen Mordauftrag erweitert worden sein, um zu verhindern, dass das Opfer plaudert.

Für 80.000$ an kassiertem Geld kamen als Gegenleistung inszenierte Bilder des „Mordes“ zurück. Als Antwort erklärte Ulbricht, nun „etwas verstört“ zu sein, nichtsdestotrotz in der Zukunft eventuell wieder auf diese Dienste zurückgreifen zu wollen.

Dass neben gefährlichen Drogen auch kriminelle Dienstleistungen wie etwa Auftragsmorde, Hacks und Identitätsdiebstähle angeboten wurden, war dem Betreiber von Silk Road ebenso egal.

AlexBenesch
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