spot_img

Warum meine Frau aus der Partei der Vernunft (PDV) austritt

Datum:

Kommentar

Die Partei der Vernunft hat in ihrer kurzen Geschichte vor allem eines bewiesen, nämlich wie übertriebener Individualismus ohne feste Ordnung geradewegs ins Chaos führt. Man streitet sich seit Jahren hauptsächlich mit sich selbst und gelangt partout nicht aus der Bedeutungslosigkeit hinaus. Was wir sahen, war ein Schlamm-Wrestling zwischen den verschiedenen zerstrittenen Fraktionen der PDV, deren Bekanntheitsgrad ungefähr so groß ist wie der des Mountain Pygmy Possums: Anarchokapitalisten, Janich-Jünger, Facebook-Schwätzer, Unterstützer des alten Bundesvorstands, Feinde des alten Bundesvorstands, Befürworter einer straffen Führung, Befürworter einer „dezentralisierten“ Struktur und manche mehr.

Wäre die PDV ein Privatkonzern, würde niemand in ihn investieren, denn er produziert nichts und nur ein Bruchteil des Personals ist überhaupt aktiv. Stattdessen ist es wie mit einer AG, wo die passiven Aktionäre nach ihrer Rendite schreien und bei Nichtgefallen das Management austauschen wollen.

Nachdem der anarchistische Esoterik-Versteher Oliver Janich zuerst bei Focus Money und dann beim PDV-Bundesvorstand verschwand (und mit seinen früheren Aktientipps wenig Begeisterung auslöste), warf kürzlich fast der komplette verbleibende Bundesvorstand hin. Die Belastungsgrenze war erreicht bevor man auch nur den ersten bedeutenden Wahlsieg erreicht hatte.

Jetzt gibt es neue Gesichter an der Spitze und gleich das passende Interview, das die neue Bundesgeschäftsführerin Maria Zanke, eine Atemlehrerin und Kauffrau für Naturkost, sowie der neue stellvertretende Bundesvorsitzende Sven Teichmann dem anarchistischen Internet-Portal „Globale Freiheit“ gaben. Warum Funktionsträger einer politischen Partei überhaupt mit einer politikfeindlichen Webseite reden, die einer Nischen-Ideologie angehört, ist das erste das einem aufallen sollte.

Der 25 Jahre junge Teichmann bekennt sich als stellvertretender Bundesvorsitzender gegenüber den öligen Moderatoren, Anarchist bzw. Anarchokapitalist zu sein. Diesen mutmaßlich verfassungsfeindlichen Unsinn habe ich an anderer Stelle zur Genüge behandelt. Gesetze gibt es zuhauf gegen Bestrebungen, die staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abzutrennen. Egal wie sehr man versucht, die Ideologie zu umkleiden mit Begriffen wie „kommunale Selbstverwaltung“ oder „Abschaffung des staatlichen Gewaltmonopols“, letztendlich läuft es aber hinaus auf eine sogenannte Privatrechtsgesellschaft nach dem Geschmack eines Hoppe oder Molyneux, in der Islamisten, Scientology, oder Kommunisten Richter und Polizei spielen und Kasernen bauen dürften. Wenn jemand Grund und Boden an der deutschen Küste besäße, dürfte er dorthin Millionen chinesische Arbeiter und Soldaten ansiedeln. Die Freiheit ist ihre eigene größte Schwäche und die beste Waffe ihrer Gegner.

Für Teichmann zählt es als Lebenserfahrung, als 20-jähriger in Kanada ganz unbürokratisch mit Handschlag-Abkommen gearbeitet zu haben. Er erklärt nicht, was er gedacht hätte, wenn er beispielsweise wegen einem Arbeitsunfall im Rollstuhl gelandet wäre und sein Arbeitgeber sich jeder Verantwortung entzogen hätte.

Was wurde gemault über den alten Bundesvorstand, der jede Außenwirkung eifersüchtig kontrollieren wollte. Und jetzt schießt ein 25 Jahre junger „Anarchist“ als stellvertretender Bundesvorsitzender bei der erstbesten sich bietenden Gelegenheit der Partei ins Bein. Die neue Bundesgeschäftsführerin Zanke erklärt, sie habe sich schon mit 19 Jahren als Anarchistin betrachtet, allerdings als linke Anarchistin. Jetzt meint sie nach ein paar gelesenen Büchern, eine überzeugte Liberale zu sein, allerdings sind ihr die Diskussionen über Minimalstaat versus Anarchokapitalismus „zu hoch“. Deshalb hat sie keine Probleme damit, dass sich ihr Vorstandskollege als Anarchist geoutet hat.

Für Teichmann hätte es an den „Hierrerarschien“ [sic] des alten Bundesvorstand gelegen, dass es so „gehangen hat“. Denn der alte Vorstand hätte in der Presse keine Angriffsfläche bieten wollen. Jetzt meint er, „können wir eigentlich nur noch gewinnen“.

Die unfreiwillige Komik geht weiter.

Teichmann wollte eigentlich sogar Bundesvorsitzender werden. Wie dem auch sei, jetzt sitzt er mit am Steuer und wird die undankbare Aufgabe haben, einen basisdemokratischen Hühnerhaufen zu managen und die Zielscheibe für alle Unzufriedenen zu sein. Ich kann mir schon vorstellen, was die ersten Beschwerden sein werden: Warum ändert sich nichts am Mitgliederschwund? Warum hat man eine bessere Chance, den Hope-Diamanten in seinem Garten zu finden als bei einer Wahl etwas zu reißen?

Zanke erwähnt das Parteiengesetz, worauf der anarchistische Moderator ihr ins Wort fällt, weil er „Brechreiz“ bekommt. Damit ist das Thema auch schon wieder beendet und man redet lieber über „Arbeitsgruppen“, die möglichst unbürokratisch viel Arbeit leisten sollen. Wie das knappe Geld verteilt werden soll, wäre eine viel interessantere Frage.

Parteiarbeit ist aber per se pfui, sagt der indoktrinierte Moderator. Denn laut der Heilslehre könne und dürfe man den Staat nicht durch Politik verkleinern. Wie kann also der ebenfalls anarchokapitalistische stellvertretende PDV-Bundesvorsitzende dann trotzdem Parteiarbeit machen? Ganz einfach: Er „mag die Leute um sich herum so sehr.“

Bereits zuvor hatte sich eine „basisdemokratische“ Konkurrenz geformt namens German Libertarian Party, die nicht mehr zu sein scheint als eine Facebook-Gruppe. Fällt die PDV bald auf einen ähnlichen Status zurück?

Die beiden Führungsfiguren werden gefragt, wie sie denn, falls sie die Macht in Deutschland hätten, den Steuersatz festlegen würden. Antwort: 10%. Dann kommunale Selbstverwaltung. Der tranige Moderator ist enttäuscht. Alles oberhalb von 0% ist schließlich Gotteslästerung bei Anarchisten.

Vielleicht hätten es die beiden erst einmal mit der Führung einer Facebook-Gruppe versuchen sollen, anstatt mit der einer Partei. Den Moderatoren gefällt die neue Besetzung trotzdem.

Meine Frau tritt jedenfalls aus. Sie hatte nie die Absicht, den Anarchismus zu fördern. Ich und meine Frau leben jeden Tag unsere liberalen Vorstellungen, mit allen damit verbundenen Lasten. Das heißt: Wir sind das Zielpublikum schlechthin für liberale Parteien. Leute wie uns müsste man nur begeistern mit einem realistischen Programm, überzeugenden Funktionären und vor allem einer funktionierenden Hierarchie.

AlexBenesch
AlexBenesch
Senden Sie uns finanzielle Unterstützung an: IBAN: DE47 7605 0101 0011 7082 52 SWIFT-BIC: SSKNDE77 Spenden mit Paypal an folgende Email-Adresse: [email protected]
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img

Related articles

Recentr LIVE (26.03.24) ab 19 Uhr: Dunkelfeld

Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Menschen die falschesten Vorstellungen von den drei Supermächten besitzen. https://youtu.be/Q87IgKxwsQo

Islamischer vs. westlicher Globalismus

Propaganda aus der muslimischen Welt enthält viele Elemente, die auch westliche Sozialisten verwenden, und solche, die bei westlichen...

ISIS-K ist Russlands nächstes Problem

Kommentar Russland unter den Zaren träumte davon, das ottomanisch-islamische Kalifat zu zerstören und zu übernehmen. In der sowjetischen Phase...

Meine Bücher als Kindle-E-Books bei amazon

Sie finden ab sofort meine Bücher auch als Kindle-E-Book-Versionen bei amazon. Die Bücher werden nach und nach dort...