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Neue Spekulationen um Selbstmord eines französischen Hebdo-Ermittlers immer noch keine heiße Spur

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Netfalls – Remy Musser / Shutterstock.com

Kommentar

Kurz nach den Terroranschlägen in Paris meldeten Verschwörungsblogs und Nutzer sozialer Netzwerke eine vermeintliche Sensation: Ein „Top-Ermittler“ in dem Fall hätte urplötzlich Selbstmord begangen, sei möglicherweise ermordet worden um wichtige Informationen zu vertuschen.

In Wirklichkeit handelte es sich nur um einen weit von Paris entfernt stationierten Kripobeamten namens Helric Fredou, der mit der Befragung der Familie eines Opfers beauftragt war, also eine wenig spannende Routineaufgabe. Insgesamt waren rund 90.000 Polizisten und Soldaten im Einsatz gewesen.

Inzwischen machte sich der Blogger Hicham Hamza daran, die Angehörigen von Fredou zu kontaktieren und er will einige Ungereimtheiten gefunden haben. Die Story wurde prompt aufgegriffen von Veterans Today und diversen alternativen Blogs. Hamzas Lieblingsthema ist Israel, auf seiner Seite finden sich auffällig viele Artikel, zum Beispiel darüber dass Israel womöglich hinter den Hebdo-Anschlägen stecken könnte, weil Frankreich einen palästinensischen Staat anerkannt hätte. Ein Impressum gibt es keines, der Whois-Eintrag seiner Seite listet zwar Hicham Hamza als Registrar, allerdingsdarf man seine Adresse nicht sehen, sondern nur die des französischen Hosting-Anbieters.

Er bloggt außerdem bei WordPress.com und ist ein eifriger Verteidiger des Islam. Ein von ihm veröffentlichtes Buch heißt „Israel und der elfte September: Das große Tabu“. Auch wenn bei 9/11 der Blick auf Figuren wie Larry Silverstein, Frank Lowry, Lewis Eisenberg oder die Krolls lohnt, darf man nicht vergessen dass es in bestimmten muslimischen Kreisen üblich ist, so ziemlich alles der „Israellobby“ anzulasten, gemeint sind Juden. Selbst wenn Gruppen wie ISIS den Koran wörtlich nehmen und grausam nach der Macht greifen, streuen Muslime einfach das haltlose Gerücht, der ISIS-Anführer al-Bagdadi sei ein Mossad-Agent.

Was hat Hamza also erfahren von den Angehörigen des französischen Kripobeamten Helric Fredou, der mit einer Routineaufgabe bei den Hebdo-Anschlägen betraut war?

Die Mutter sei „extrem schockiert“ dass der Innenminister keine Beleidsbekundung abgeliefert hätte, wo doch jener zusammen mit Fredou zwei Jahre lang in derselben Stadt gearbeitet hatte. Auffällig? Nicht wirklich.

Interessanter ist da schon die Behauptung, dass der Mutter angeblich der Autopsiebericht vorenthalten werde. Außerdem hätten Kollegen den Schuss hören müssen. Dummerweise soll der Selbstmord um Mitternacht geschehen sein. Ein Pistolenschuss mit einem Standard-Dienstkaliber ist rund 160 Dezibel laut, allerdings werden um Mitternacht kaum sehr viele Beamte im Bürogebäude in unmittelbarer Nähe zu Fredou gesessen haben.

Angeblich hätte Fredous Vorgesetzter Gil Friedman selbst die Aufgabe übernehmen wollen, eine Besprechung mit drei Beamten durchzuführen, die die Familie eines Opfers der Hebdo-Anschläge befragt hatten. Dies hätte Fredou sehr missfallen, er wollte unbedingt weiter an dem Fall arbeiten. Dies würde allerdings bedeuten, dass er fast überhaupt keine signifikante Berührung mit den Hebdo-Anschlägen hatte. Wenn er nicht einmal selbst die Angehörigen befragt hatte, gäbe es auch keine heiße Spur für ihn, wegen der man ihn zum Schweigen hätte bringen wollen. Er ist nur ein weit von Paris entfernter Kripobeamter, der anscheinend kaum mit dem Fall zu tun hatte. Was sollen die befragten Angehörigen denn auch groß gewusst haben? Die wahrscheinlichste Antwort lautet: Nichts. Bei einer solchen Befragung werden Standardfragen gestellt, ob beispielsweise in den Wochen vor dem Anschlag irgendwelche auffälligen Dinge geschehen seien, wie Drohanrufe oder Personen, die Beobachtungen durchführten. Das Befragungsprotokoll liest sich wahrscheinlich so langweilig wie der OTTO-Katalog.

Das Projektil der Waffe, so Hamza, hätte außerdem den Schädel nicht komplett durchdrungen, was aber keine Besonderheit ist.

Selbst wenn etwas vertuscht werden sollte, hieße das auch noch nicht automatisch, dass er irgendeine brandheiße Erkenntnis über die Hebdo-Anschläge hatte. Vielleicht drehte sich ein möglicher Mord um etwas ganz anderes, wie etwa Korruption. Keine anderen Medien sollen sich die Mühe gemacht haben, die Familie des Kripobeamten zu kontaktieren. Wir haben also nur die Mutmaßungen eines stramm-muslimischen Verschwörungsbloggers, dessen Karriere einzig und allein von Sensationsmeldungen lebt. Auch in Frankreich ist die Mediensituation katastrophal.

AlexBenesch
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