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Die letzten Stunden von MH17

Datum:

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Alexander Benesch

Wurde MH17 tatsächlich von ukrainischen Kampfbombern begleitet? Sind die Löcher in Wrackteilen Einschusslöcher von Maschinengewehren? Auch der gestern erschienene Untersuchungsbericht der niederländischen Behörden, der mit dem Input aus mehreren Ländern zustandekam, kann den Ozean aus Theorien im Internet und den russischen Medien nicht bremsen.

Russlands Horden produzierten möglichst schnell möglichst viele Erfindungen und Verzerrungen, von denen die meisten inzwischen eindeutig widerlegt sind. Ein paar verbleibende Behauptungen sind noch übrig und stellen quasi das Rückgrat der pro-russischen Argumentation dar.

Behauptung: Ukrainische Kampfbomber wären hinter MH17 geflogen

Zunächst wurden in russischen Medien wie RT, Rossiya 24, Zvezda und Pravda sowie auf Blogs und sozialen Netzwerken die Aussagen eines Mannes namens „Carlos“ veröffentlicht, der angeblich aus Spanien stammt und als Flugraumüberwacher in Borispol arbeitete. Er will gesehen haben wie zwei ukrainische Kampfbomber unmittelbar vor dem Crash MH17 verfolgten, obwohl seine Flugraumüberwachungszone 400 Kilometer vom Absturzort endete. Außerdem dürfen nur Bürger der Ukraine eine solche verantwortungsvolle Position ausüben. Am Ende kam heraus: Carlos existierte gar nicht. Russische Medien und unzählige „alternative“ Webseiten waren leichtgläubig oder willens genug, einen solchen Schwindel zu präsentieren.

Die russische Zeitung „Moskovskii Komsomolets“ berief sich auf die „deutschen Massenmedien“ bei einem Bericht über einen ukrainischen Kampfbomberpilot, der angeblich den Abschuss von MH17 eingestand.

komsomolets-mh17

Die russischen Redakteure wähnten eine Sensation. In Wirklichkeit stammte diese Falschmeldung von einer alternativen Blog-Klitsche, die ihrerseits als Quelle eine „Satire-Seite“ namens „Allgmeine Morgenpost Rundschau“ angab.

Experten für Flugverkehr mutmaßten, dass eventuell ukrainische Kampfbomber zivile Maschinen wegen der Gefahr durch die Rebellen eskortierten und die Rebellen wiederum wegen der Eskorte den Flug MH17 für ein wichtiges militärisches Ziel hielten und schossen. Mehr als eine Theore ist dies natürlich nicht; selbst wenn dies so gewesen wäre, hätten immer noch Russlands Terroristen geschossen, nicht Kiew.

Dem Kreml blieb nicht viel anderes übrig, als die Theorie über ukrainische Kampfbomber weiter zu propagieren. So kam es dann zu einer großen russischen Pressekonferenz:

Experten für Flugverkehr deuten darauf hin, dass nur Amateure den Schlussfolgerungen auf den russischen Videoaufnahmen Glauben schenken würden.  Auf dem folgenden Bild aus der Pressekonferenz ist MH17 als Rechteck zu sehen. Der Kreis daneben soll ein anderes Flugzeug sein, angeblich ein ukrainischer Kampfbomber der keine SSR-Signatur über einen Transponder aussendet. Viel eher handelt es sich aber über Trümmer von dem auseinandergebrochenen Flug MH17. Das Rechteck hingegen ist nur noch die theoretische Position von MH17.

decoupled

Außerdem wurde von russischen IP-Adressen aus versucht, den Wikipedia-Eintrag über die ukrainischen Kampfbomber vom Typ Su-25 dahingehend zu verändern, sodass eine maximale, kurzzeitige Flughöhe von 10 Kilometern statt wie zuvor 7 Kilometer angegeben wurde. Dies soll betonen, dass es angeblich möglich sei, mit einer Su-25 eine Passagiermaschine auf 32.000 Fuß Höhe zu verfolgen. Der Hersteller der Su-25 schreibt nichts von 10 Kilometern.

Desweiteren machte ein Video auf Youtube die Runde, in dem eine „Miliz-Soldatin“ namens Elena erzählt, wie ukrainische Kampfbomber sich regelmäßig hinter Passagierflugzeugen verstecken würden, um Angriffe auf Stellungen der Rebellen zu fliegen.

Ihre Aussagen scheinen aufgewärmte Propaganda des Rebellenführers Strelkow zu sein, der noch bis 2013 im russischen Geheimdienst agierte und ein Veteran des Tschetschenienkrieges ist, der auf Basis von inszenierten Anschlägen geführt wurde. Beweise für das Gerede von sexy Elena gibt es keine.

Behauptung: Wrackteile von MH17 würden Einschusslöcher von Maschinengewehren aufweisen

Ein einzelner Beobachter der OSZE, der keine Kompetenz aufweist zu dem Thema, erklärte dass Löcher in Wrackteilen wohl von Schrapnell geschlagen wurden und irgendwie aussähen wie Löcher von MG-Feuer. Den Russenmedien und den Feierabend-Amateurbloggern reichte dies als schlagkräftiger Beweis für einen Abschuss durch ukrainische Kampfbomber. In Wirlichkeit sind die Löcher von unzähligen verschiedenen Größen und Formen, was zu 100% zu den Folgen einer BUK-Rakete passt. Ein Amateur mag denken, es sähe wie MG-Beschuss aus, trotzdem ist es keiner. Hier ist die Durchlöcherung eines Wrackteiles von MH17:

mh17-shrapnel-640

Gefasel über MG-Feuer ist im Moment nichts als eine weit hergeholte Fantasie. Prorussische Terroristen wurden dabei beobachtet, wie wichtige Wrackteile zersägt und abtransportiert wurden. Weshalb? Präsentiert Moskau irgendwann in der Zukunft diese Teile, die der internationalen Untersuchung vorenthalten wurde, wäre dies wenig glaubwürdig.

Fazit:

Die Verschwörungstheorien über eine ukrainische „False Flag“ sind im Moment völlig unhaltbar und wirken wie ein wirrer Abklatsch von seriöserer Forschung über 9/11. Die beiden Fälle könnten unterschiedlicher nicht sein, trotzdem machen uns Russland-Faschisten und Feierabend-Amateurblogger vor, dass egal wo egal wann auf der Welt immer die Amerikaner hinter einer Sache stecken würden. Die Welt ist aber nicht so einfach.

AlexBenesch
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