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Warum der neue kalte Krieg gefährlicher ist als der alte

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Alexander Benesch

Stalin hatte noch mächtig Angst vor einem Krieg mit der NATO, weil die Sowjetunion ein Pleitegeier mit wenigen technischen Innovationen war. Die US-Regierung fürchtete wiederum die Sowjetunion, weil man fast gar keinen Einblick in das rote Reich hatte. Einen Atomkrieg wollte niemand.

Heute jedoch ergibt sich ein anderes Bild: Alle bedeutenden Machtspieler haben eine große, wenn auch von erheblichen Instabilitäten geprägte Wirtschaft. Der NATO-Block und der gegnerische BRICS-Block verfügen beide über gewaltige und vielfältige Produktionskapazitäten. Die Welt ist heute wesentlich offener für gegenseitige Spionage und Subversion. Es gibt auch modernste Möglichkeiten der elektronischen Spionage und Datenverarbeitung, was die Supermächte zu dem Glauben verleitet, den Gegner genau einschätzen zu können.

Mit modernen Waffen, wie dem Raketenschild, oder Laserwaffen die gegenerische Atomraketen stoppen können, oder elektromagentische Waffen die ebenfalls Raketen und Kampfbomber ausschalten können, hat die Vorstellung eines Atomkrieges für die Supermächte längst einiges an Schrecken eingebüßt. In Russland, China und den USA werden immer größere, immer tiefere Bunkeranlagen gebaut, wo ganze Fabriken Geheimwaffen herstellen können. Die klassischen Hemmungen sind einfach nicht mehr da.

Fast jeden Tag erfährt man neue Meldungen über Flugzeugträger der chinesischen Marine, krasse Militärbudgets der Chinesen und Russen, ausufernde Militärbudgets der Amerikaner, Kampfbomberprogramme im Umfang von 300 Milliarden Dollar. Gleichzeitig tobt der Propagandakampf: Die BRICS-Propagandisten heulen, dass die USA in Europa einen Raketenschild installieren und in allen Sparten rüsten. Dass der BRICS-Staat China gleichzeitig in der Presse ausbreitet, wie die eigenen Atomwaffen amerikanische Städte ausradieren können, wird von den BRICS-Propagandisten natürlich wiederum überhaupt nicht als Provokation betrachtet. Die böse NATO würde das „gute“ Russland „einkreisen“, schallt es von den Dächern. Genauso aber kreisen China und Russland die NATO ein. Kaum jemand bleibt ehrlich und betrachtet diese Situation neutral und objektiv.

Der heutige Propagandakrieg erinnert an denjenigen aus dem kalten Krieg. Und er kann ähnlich wichtig werden wie die militärische Ebene.

Damals versuchte Russland beispielsweise mithilfe der nordvietnamesischen Kommunisten den eigenen Machtbereich auszudehnen. Der russische Überläufer, der für den sowjetischen Geheimdienst GRU gearbeitet hatte, erzählt in seiner Autobiographie, dass „der GRU und der KGB so ziemlich jede Antikriegsbewegung und -Organisation in Amerika und anderswo mitfinanziert hatten.“ Während dem Vietnamkrieg soll die UdSSR umgerechnet 1 Milliarde Dollar (in damaligem Geldwert!) für diese Propagandagruppen im Westen ausgegeben haben, mehr als man selbst den Vietcong gegeben hatte. Lord Chalfont schätzte, die Sowjetunion gab den europäischen Friedensbewegungen 150 Millionen Dollar pro Jahr.

In Deutschland hatten die naiven, selbstgerechten Schwadroneure aus dem linken Spektrum während dem Vietnamkrieg Hochkonjunktur, sie wurden zu den Rockstars und Rittern des Rechts, feierten Ho Chi Minh und wollten Deutschland an die Kommunisten verraten. Wer diesen Irrsinn kritisierte, galt als rechter Heimlich-Nazi und Imperialist, der CIA-Lügen verbreitete. Wer umgekehrt das kriminelle (und extrem stümperhafte) Vorgehen der CIA auf der Welt beklagte, galt als „einer von den Kommunisten“, der KGB-Propaganda verbreitet.

Die Umsturzversuche der CIA weltweit im kalten Krieg waren absurd schlecht, obwohl die CIA einen völlig anderen Ruf von sich selbst kultivierte, den Ruf von der mystischen Mega-Agency die angeblich fast nach Belieben Staatsstreiche und Umstürze durchführen konnte. Die Kommunisten taten ihr Bestes, um diesen Ruf der CIA auch noch zu stützen und zu übertreiben.

Frank Wisner von der CIA geht gerade in die Geschichte ein als einer der stümperhaftesten, miserabelsten Planer von Geheimoperationen im 20. Jahrhundert. Überall auf der Welt fiel er herein auf fiktive, erstunkene und erlogene Widerstandsbewegungen in der Sowjetunion. Er pumpte unzählige Millionen Dollar in Hochstapler und Amateure, die dann nachts mit dem Fallschirm über den Wäldern der Ukraine absprangen, oder über Polen oder in Asien, nur um sofort von den Kommunisten festgenommen und gefoltert zu werden.

In der linken bzw. russlandfreundlichen Literatur werden aus diesen stümperhaften CIA-Fehlschlägen plötzlich unglaublich effektive imperialistische Super-Operationen. Während die Sowjets sich ein Land nach dem anderen einfach gewaltsam einverleibten, stocherte die CIA hilflos und dämlich im Dunkeln herum. Eine schlechte Operation wie GLADIO wird dennoch heute als der heilige Gral imperialistischer Geheimoperationen betrachtet, obwohl die Sowjets weit fähiger in solchen Angelegenheiten waren. Der Sturz von Mossadegh im Iran 1953 wäre auch fast schiefgelaufen, so schlecht war er von der CIA geplant und durchgeführt worden. Diese Operation AJAX war einer der ganz wenigen Fälle, wo mit viel Glück mal ein Plan funktioniert hatte. Auch Jahrzehnte später, nach dem Fall der Sowjetunion, stümperte die CIA in Osteuropa mit ein paar Farbenrevolutionen herum, was nicht sonderlich schwer war und knüpfte nutzlose Kontakte mit russischen Dissidentengruppen. Nichts führt mehr ins Desaster, als sich von der CIA helfen zu lassen. Der Zustand der Opposition in Russland ist heute dementsprechend mies. Trotzdem heulen die Putin-Propagandisten heute, dass ja jeden Moment die ach so mächtige CIA eine Farbenrevolution in Russland durchführen könnte.

Russland hat weit mehr Kontrolle über Terrorgruppen im Nordkaukasus als Amerika, aber das hindert die Sektierer nicht daran, Russland immer nur als das Opfer zu präsentieren. Das höchste US-Establishment lachte sich natürlich immer ins Fäustchen, brauchte man doch die Bedrohung durch die Sowjetunion um die Freiheit in den USA zu zerstören. Die ganzen Linken und Russland-Freunde spielten dieser Agenda völlig in die Hände.

In Deutschland pflegten die Kommunisten und Ost-Agenten ein ähnliches Theater. In der Propaganda wurde der deutsche Bundesnachrichtendienst aufgebauscht zu einer hocheffektiven faschistisch-imperialistischen Superorganisation. In Wirklichkeit war ausgerechnet der Chef der BND-Spionageabwehr ein Agent Moskaus und Gehlens Truppe hatte nicht, wie behauptet, tolle Spionagenetzwerke in der Sowjetunion. Die beschafften Informationen aus dem Osten waren allesamt Fiktionen, die der KGB zusammengeschrieben hatte. Der BND ist so ziemlich der allerletzte Dienst, mit dem irgendjemand zusammenarbeiten will. Als die (auch völlig inkompetente) CIA endlich gemerkt hatte, dass die Russen den BND bis in die höchsten Stellen unterwandert hatten, konnte man über 20 Jahre Arbeit abschreiben. Viele der Amerikaner hatten auch größte moralische Bedenken dabei, mit ehemaligen SS-Leuten zusammenzuarbeiten. In der Stasi- und KGB-Propaganda hörte sich das natürlich wieder ganz anders an.

Als in Polen fast 400.000 Menschen auf die Straßen gingen und die Schnauze voll hatten von Moskau, entschied sich die CIA, den Polen nicht zu helfen. Die Polen hätten Gewehre und Panzerabwehrwaffen und Funkgeräte brauchen können um die anrückenden Panzer und Truppen aus Russland zu bekämpfen. Aber es kam nichts von den Amerikanern, obwohl die CIA sonst jedem anderen Himmelfahrtskommando auf der Welt Training, Waffen und Goldbarren gab. Die Propagandisten im Westen sahen mit Genugtuung zu, wie der polnische Volksaufstand niedergewalzt wurde und kommentierten, diese Polen hätten es doch sowieso nur auf „den westlichen Lebensstandard“ abgesehen gehabt und seien doch bestimmt von westlichen Imperialisten angestachelt worden.

Karl-Heinz Kurras, der Stasi-Agent und westberliner Polizist, erschoss den linken westdeutschen Studenten Benno Ohnesorg und löste damit extreme Spannungen aus. Es hieß in der Propaganda, ein faschistischer Polizist hätte gemordet.
Die Stasi unterstützte auch die Terroristen von der RAF. Die linken bzw. Moskau-freundlichen Enthüllungsautoren betonen jedoch heute nur, wie westliche Dienste versucht hatten, strategischen Nutzen aus den RAF-Operationen zu ziehen.
Nichtsdstotrotz polarisierten die RAF-Anschläge die Nation, und hatten in der BRD bis zu 7 Millionen Sympathisanten.

Heute ist die Situation, dass die linken Gruppen in Deutschland entweder Putins „Realpolitik“ entschuldigen, oder Nibelungentreue beweisen oder sogar recht kritisch sind über den vermeintlichen „Rechtsruck“ im Osten. Zu allem Übel sind die rechtskonservativen Gruppen in Europa auf einen Pro-Russland-Kurs umgeschwenkt. Die Rechtskonservativen und auch Ultrarechten glauben im Ernst, Putins Russland sei schön christlich-konservativ geworden. Mit Putins Hilfe erwarten die westeuropäischen Konservativen, ihre Träume zu erfüllen.

Russland muss einen heiklen, höchst widersprüchlichen Propaganda-Kurs fahren: Den Konservativen in Westeuropa muss vorgemacht werden, man sei rechtskonservativ, den Linken weltweit (insbesondere in Südamerika) muss man vorlügen, immer noch heimlich den Kommunismus zu verfolgen. Der BRICS-Block braucht ein Image. Wie muss dieses künstliche Propaganda-Image aussehen? Es ist das Image des vernünftigen Vermittlers und überlegten Ausübers von Weltmacht, des De-Eskalierers. Um die Asiaten genauso wie Afrikaner oder Latinos unter einen Hut zu bringen, muss das BRICS-Image zwangsläufig multipolar, multikulturell wirken. Der NATO-Block hingegen muss als angelsächsisch-hellhäutig und hitzköpfig beschrieben werden, in dem andere Hautfarben und Kulturen immer die zweite und dritte Geige spielen, selbst wenn sie den angelsächsischen Lebensstil imitieren. Russland und China sind jedoch Meister darin, familiäre und nationalstaatliche Bindungen zu zerstören, ganze Völker umzuerziehen. Zuerst nutzen die BRICS-Eliten den Nationalismus zu ihren Zwecken wo er ihnen nützt, später muss der Nationalismus zusammen mit anderen konservativen Werten natürlich zerstört werden.

Die wichtigste Karte Russlands in Südamerika ist einerseits der Kommunismus und die verbundene Befreiungstheologie. Der Kurs in Südamerika muss aber nicht einmal völlig streng marxistisch-leninistisch sein oder sonstwie einer Spielart des Kommunismus genau folgen. Es reicht schon, die Unzufriedenen, die Armen und diejenigen Mittelschichtler zu gewinnen, die im Moment noch die zweite oder dritte Geige spielen. Gier und Psyche übertrumpft Ideologie. Russland hat einfach nur das sowjetische System modernisiert, mit einem Scheinparlamentarismus wie im Westen, mit der Herrschaft stinkreicher Oligarchen (zu denen Putin selbst zählt) und einer alles dominierenden Partei die ihren Günstlingen Türen öffnet. Die starken linken Bewegungen weltweit dürfen aus der Sicht Moskaus auf gar keinen Fall unabhängig sein. Sie dürfen zwar glauben, unabhängig zu sein, aber wenn es darauf ankommt, brauchen sie doch russische oder chinesische Waffen und Protektion. Kaum jemand wurde vehementer bekämpft von Russland, als eigenständige sozialistische Strömungen.

Der vielversprechendste Kurs Moskaus für Europa ist es, die konservative Scharade aufrecht zu erhalten, die Linken und Moslems und die Rechten anzustacheln und für Operationen anzufüttern, die Gemäßigten mit Geschäften zu locken. Lässt man das destablisierte Westeuropa in seinem eigenen Saft kochen, kann Mokau hinterher als Retter auftreten und eine Vereinigung vorschlagen, natürlich zu den Bedingungen Moskaus.

Auf der höchsten Meta-Ebene, die den meisten Menschen verborgen bleibt, nützt es Russland, mit dem angelsächsischen Establishment Vereinigung und gemeinschaftliche Herrschaft über die Welt zu predigen, gleichzeitig aber zu rüsten wie verrückt um nach Möglichkeit in der Lage zu sein, den Westen erfolgreich zu vernichten. Gelingt dem westlichen Establishment die langangelegte Täuschung, einen schwachen Eindruck zu machen, wird BRICS angreifen unter irgendeinem Vorwand und den Erstschlag führen. Der Vorwand könnte heißen: Der Westen plante den Erstschlag und wir kamen ihm zuvor.

AlexBenesch
AlexBenesch
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