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Die "Wahrheitsbewegung" gibt es gar nicht

Datum:

Truthfag-640

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Ein Kommentar von Alexander Benesch

Traditionell gab es den „investigativen Journalismus“ auf der einen Seite und die „Verschwörungstheorien“ auf der anderen. Mit dem ersten Begriff verband die Bevölkerung bebrillte Reporter altehrwürdiger Zeitungen, die im Trenchcoat gekleidet und mit einem Hut auf dem Kopf den Watergate-Skandal aufdeckten. Mit dem zweiten Begriff verband man UFO-Sektierer, BigFoot-Sichtungen und größtenteils erstunkenes Gefasel über den Illuminatenorden.

Diese Kategorisierung war jedoch natürlich nie genug, um die Realität abzubilden. Die „honorigen“ großen Zeitungen sind zumeist eine Schande. Reporter bekommen von Geheimdiensten irgendwas mit Hintergedanken zugesteckt und landen so mühelos ihre sensationellen Enthüllungsberichte.

Es gibt seriöse Journalisten und Historiker, die nicht zu dem Verschwörungssumpf gehören und die gleichzeitig viel tiefschürfendere  Erkenntnisse gewinnen, als man sie jemals in den großen Medien berichtet sehen wird. Die seriösen Leute finden meist weder im Mainstream noch in der Verschwörungsszene allzu großen Anklang. Wer nicht erstunkene Zitate verwendet, Insider-Quellen glatt erfindet und seine Leser für eine esoterische Sekte zu rekrutieren versucht, der landet in der Regel keinen Verschwörungs-Bestseller.

Eine neue Kategorie tat sich in den Vereinigten Staaten auf, ein Hybrid zwischen investigativen Medien, Teilen der Verschwörungsszene, der Milizbewegung und konservativer politischer Bewegung: Das „Patriot Movement“ bekam Aufwind nach den Polizeieinsätzen in Ruby Ridge (1992) und Waco (1993), klärte die Bevölkerung auf über die Zentralbank Federal Reserve und die „Neue Weltordnung“. Die Märtyrer des Patriot Movements hatten jedoch auch ihre Kehrseite. Randy Weaver gefährdete seine Familie und trägt Mitschuld an dem Ruby Ridge-Fiasko. David Koresh war kein gewöhnlicher Christ, sondern ein Sektenführer der illegale Waffen handelte und so die krummen Beamten des ATF zu einer Razzia verleitete.

Der inoffizielle Anführer des Patriot Movements, Milton Cooper, war zu weiten Teilen ein Hochstapler, dessen frühere geheimdienstliche Tätigkeiten und Insidereinblicke nie bewiesen waren. Er erfand Geheimdokumente, die ihn selbst interessanter machen sollten. Abgelöst wurde er durch den aufstrebenden Alex Jones aus Texas. Dieser nahm sich den Begriff des „Informationskrieges“ aus ernsthaften Publikationen, nicht aus der mannigfaltigen Verschwörungsliteratur, und nannte seine Webseite Infowars.com

Er stammt ursprünglich aus der konservativeren Ecke: Für die Republik, eine wehrhafte Bevölkerung, für Krisenvorsorge, ein christliches Fundament. Dazu kamen starke liberale Einflüsse, was die Wirtschaft aber auch das persönliche Leben anbetrifft. Jemand der diese liberalkonservative Linie teilte, mochte sich den Begriff Infowars zueigen machen. Diejenigen deutschen Medien, die Alex Jones inhaltlich am nächsten waren, waren meine. Ergo die lange verwendete Domain infokrieg.tv

Nichtsdestotrotz sahen so manche keine Probleme damit, den etwas kitschigen Begriff „Infokrieger“ abzuleiten und mit völlig anderen Inhalten zu verbinden. Da waren Leute mit ihren „Infokrieg“-Projekten plötzlich links, waren gegen Republiken, gegen eine wehrhafte Bevölkerung, gegen Krisenvorsorge, gegen ein christliches Fundament und erst recht gegen alle liberalen Denkweisen. Taugt „Infokrieger“ also heute als ein sinnstiftender, identitätsstiftender Begriff? Gibt es irgendwo eine halbwegs greifbare Definition?

Infokrieger bedeutet zunächst nicht mehr, als „jemand der Informationskrieg betreibt“. Das passt auch auf die Beteiligten einer psychologischen Operation von Behörden oder Konzernen. Der Begriff Infokrieg(er) war also nach wenigen Jahren völlig wertlos, genauso wie andere Begriffe die ursprünglich aus dem englischen Raum stammten, wie etwa das extrem kitschige „Wahrheitsbewegung“ oder das noch schlimmere Wort „Truther“.

Jeder unseriöse Verschwörungsheini und klasssiche Politsektierer wie Kommunisten und Faschisten konnten sich mit den neuen Begriffen schmücken und vorgaukeln, sie hätten irgendetwas Neues, Besseres anzubieten.
Es ist erstaunlich, wie wenig es selbst interessierten Leuten auffällt, dass selbst grundlegendste Definitionen und ein klarer, ehrlicher Grundkonsens fehlen. Das einzige verbindende Element ist die Unzufriedenheit und der Wunsch nach politischem und gesellschaftlichem Einfluss.

Kürzlich wurde dieser Umstand wieder deutlich anhand eines Blogposts von Jürgen Elsässers mit Zitaten von Oliver Janich. Die Überschrift: „Infokrieger müssen zusammenhalten“

Was aber definiert denn bitte einen Infokrieger? Und was genau ist mit „zusammenhalten“ gemeint? Janichs neues Buch ist eine Kampfansage gegen jede Form von Staatlichkeit und logischerweise auch gegen konservative Ideen. Wird man jetzt als Konservativer oder als jemand mit konservativen Ansichten über die Notwendigkeit einer Republik samt Verfassung und staatlichen Aufgaben ausgeschlossen vom erlauchten Kreis der „Infokrieger“? Ist das nicht Spalterei? Soll man mit konservativeren Leuten plötzlich nicht mehr „zusammenhalten“?

Elsässer hatte zuvor noch im Editorial seiner Zeitung Compact vor bis zu 50.000 Lesern oberlehrerhaft geschimpft gegen nicht explizit genannte, aber sehr leicht zu erratende Autoren abseits des Mainstreams. Diese Autoren hätten irgendeine masochistische Sucht nach Untergangsporno. Sie würden ständig Währungskollapse und Katastrophen vorhersagen, die nicht eintreffen. Abseits von COMPACT seien die nicht näher genannten Krisenautoren ein sensationsgeiler Boulevard, der aufgeblasene Schreckensmeldungen über mögliche Terroranschläge oder einen Weltkrieg verbreitet um mehr Nahrungsvorräte zu verkaufen.

Ist man jetzt nicht mehr im erlauchten Kreis der „Infokrieger“ willkommen, wenn man über die Bedrohung eines globalen militärischen Konflikts schreibt, für eine wehrhafte Bevölkerung ist und andere solche Kriterien erfüllt? Elsässer vertritt ständig Moskaus Haltung zu so ziemlich jedem Thema, Kritik unerwünscht. Ist man jetzt kein „Infokrieger“ mehr wenn man Moskau und Peking genauso kritisch beäugt wie Washington und London? Soll man da plötzlich nicht mehr „zusammenhalten“? Wenn man den Begriff „Infokrieger“ u.a. definieren würde als „jemand, der die gleichen Maßstäbe an alle Regierungen anlegt“, dann wäre Elsässer kein Infokrieger mehr. Wer soll also jetzt zusammenhalten und auf welche Weise?

Andere medial und politisch tätigen Individuen in der „alternativen Szene“ wollen Institutionen wie die Zentralbanken oder den Internationalen Währungsfonds gar nicht abschaffen, sondern bloß mit irgendwelchen Sozialisten besetzen und übernehmen. Sind das „Infokrieger“? Taugt dieser Begriff noch zu irgendetwas außer zur Verwirrung?

„Zusammenhalt“ bedeutet oft nur, dass man spaltender Sektiererei nicht klar entgegentritt. Wozu das führt ist klar: Eine unattraktive, ineffektive, diffuse Bewegung ohne Konturen, Struktur und klare Richtung. Ein Haufen Unzufriedener, der politischen und gesellschaftlichen Einfluss möchte. Jede Sekte innerhalb dieser größeren Bewegung intrigiert gegen die anderen und will möglichst viele Leute abwerben. Dieser Kannibalismus ist äußerst schädlich. Was sowieso immer fehlt, ist ein psychologischer Grundkonsens. Haben die verschiedenen Leute und Grüppchen überhaupt eine gemeinsame, brauchbare Vorstellung, wie das „Böse“ das sie bekämpfen wollen, überhaupt entsteht und sich verbreitet? Ist der Nährboden des Übels die Familie und das Recht auf Privatbesitz? Soll irgendeine andere „Rasse“ das Grundübel der Welt sein? Ist es nur ein bestimmtes Establishment? Akzeptiert man die akkuraten Erkenntnisse der Psychologie oder hält diese komplett für Teufelswerk? Wie bewertet man nach welchen Maßstäben eine Idee, eine Gruppe, ein Individuum, eine Führungsfigur?

Ist Logik ein anerkannter Maßstab für die Leute? Oder verachten sie Logik und verlassen sich lieber auf Ideologien, Bauchgefühl, das Wort des Führers und auf Schauungen? Stellen sie einem Vertreter einer Organisation und Bewegung ruhig diese ganzen wichtigen Fragen und geben sie sich nicht mit verlogenen PR-Antworten zufrieden, die schwammig und manipulativ sind und nicht zu den Taten und Überzeugungen des Vertreters und seiner Organisation passen.

Niemand tritt offen an sein Publikum heran und erklärt in einfachen Worten: „Ich vertrete immer die Agenda Moskaus.“  Oder: „Ich verachte Logik und höre bei allen wichtigen Entscheidungen auf meinen Kaballah-Lehrer von dem ich Bücher und Kurse für ein Vermögen gekauft habe. Mein Endziel ist es, dass mein Publikum Mitglied in den esoterischen Sekten wird.“ Oder: „Ich bin ein Hochstapler und Opportunist der den Ritter des Rechts in der Öffentlichkeit spielt.“

Was passieren muss

Es braucht einen Konsens der realistisch und attraktiv genug ist, um erfolgreich zu sein. Und dieser Grundkonsens darf nicht nur politischer Natur sein, er muss das Bekenntnis zur Logik, zu ehrlicher Wissenschaftlichkeit und eine starke ponerologische Komponente haben:

https://recentr.com/2013/11/warum-bisher-jedes-gesellschaftssystem-versagt-hat-teil-1/

https://recentr.com/2013/11/warum-bisher-jedes-gesellschaftssystem-versagt-hat-teil-2/

https://recentr.com/2013/11/warum-bisher-jedes-gesellschaftssystem-versagt-hat-teil-3/

https://recentr.com/2013/11/warum-bisher-jedes-gesellschaftssystem-versagt-hat-teil-4/

https://recentr.com/2013/12/warum-bisher-jedes-gesellschaftssystem-versagt-hat-teil-5/

Die meisten Bewegungen und Ideologien sind nichts weiter als Fehlkonstruktionen und Sekten, die sich um psychologische Ängste und niedere Begierden drehen, nicht um die Rettung der Welt. Je extremer eine solche Gruppe, umso eher zieht sie die falschen Leute an und umso eher bleibt sie eine begrenzte Erscheinung im Absurditätenkabinett.

 

AlexBenesch
AlexBenesch
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