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Gazprom-Mann Beckenbauer soll im Zentrum der Korruptionsaffäre um WM 2022 stehen

Datum:

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Ein Kommentar von Alexander Benesch

Eine Fußball-WM in Katar 2022 schien eigentlich von vorneherein wie eine strunzdumme Idee: Temperaturen von oft 45 Grad an der Ostküste der arabischen Halbinsel, fast absolute Scharia, totale Erbdiktatur. Schlechter für die Fußballer wäre vielleicht noch die Arktis, schlechter für den Ruf vielleicht noch Nordkorea.

Bei der Vergabe der WM 2018 entschied man sich ausgerechnet für Russland, was zu politischen Schwierigkeiten und gar Boykotten des Turniers führen kann, ganz zu schweigen von den bis zu 100 Milliarden € die die Russenoligarchen um Wladimir Putin hauptsächlich vom Steuerzahler abzocken können.

Nun eskaliert ein Korruptionsskandal, der aufzeigen könnte, wie es zu diesen Entscheidungen kam und wie gierige Funktionäre dreist den Sport ruinieren. Die britische Zeitung „Sunday Times“ berichtet von neuen angeblichen Beweisen für Bestechungen und nannte in dem Zusammenhang die Ikone Franz Beckenbauer. Dieser sei mit Vorständen eines Öl- und Gasunternehmens von Mohamed Bin Hammamnach Doha eingeladen worden. Es ging um Investments. Beckenbauer war bei der Vergabe an Katar im Fifa-Exekutivkomitee. Er weist alle Vorwürfe von sich.

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Die Russen kommen

Franz Beckenbauer soll als eine Art “Sportbotschafter” im Auftrag des undurchsichtigen Gazprom-Konzerns für sportliche Großereignisse im Putin-Reich tätig werden. Der Spiegel berichtete:

So ist er eines der prominenten Aushängeschilder der Winterspiele in Sotschi 2014 und der Fußballweltmeisterschaft in fünf Jahren. Im Mai präsentierte Beckenbauer in London eine Jugendveranstaltung, deren Hauptsponsor Gazprom war. Für das Programm „Fußball für Freundschaft“ gab der Konzern von 2007 bis heute umgerechnet 22 Millionen Euro aus. „Alles für die Kinder“, wie Beckenbauer-Freund Medwedew betont.

Während Beckenbauer der Ehrenpräsident von Bayern München ist, bekommt Schalke 04 pro Jahr 16 Millionen von Gazprom. Aber was noch nicht ist, das kann ja noch werden:

„Vielleicht fährt der Mannschaftsbus des FC Bayern ja auch einmal mit Gas statt mit Benzin.“

Es wird spekuliert, dass auch Bayern München einen Vertrag mit Gazprom unterzeichnen wird. Mit Politik soll das Ganze nichts zu tun haben, obwohl der Gaskrieg um Europa tobt. Die Erdgasgesellschaft ist seit dieser Saison einer der Hauptsponsoren der Uefa und ihre Werbebanden werden in jedem Champions-League-Spiel auftauchen. In Europa gab es immer wieder Ermittlungen gegen russische Vertreter aus der Wirtschaft. Razzien förderten interessantes Material zu Tage, wie etwa über den Oligarchen Oleg Deripaska, der sich blendend versteht mit österreichischen und deutschen Politikern. Zu diesem Zweck durchsuchte die Staatsanwaltschaft das Büro des deutschen Top-Managers Klaus Mangold, der im russischen Honorarkonsulat und für die Rothschildbank arbeitet.

Ohne die Gazprom-Erlöse hätten Russlands Oligarchen keine Milliarden. Gazprom liefert das Gas billig an private Handelsfirmen, die es dann wiederum mit hohen Profiten auf den Weltmarkt bringen. Die Erlöse landen auf ausländischen Konten, insbesondere in Zypern, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. In Deutschland tanzt die High Society seit Jahren mit der reichen russischen Gas-Elite. Im Berliner Adlon findet regelmäßig ein Ball statt wo sich BASF, Wintershall und Gazprom miteinander betrinken. Der Exkanzler Gerhard Schröder und der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe setzen sich leidenschaftlich ein für die Partner aus dem Osten. Der ehemalige Kanzleramtschef Horst Teltschik sei der Ghostwriter einer viel beachteten Rede, die Putin 2001 vor den Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates hielt.

Der Russland-Kenner Jürgen Roth schrieb:

Was ihm [Beckenbauer] bezahlt werden wird – das bleibt wohl ein Staatsgeheimnis. Ob ihn Gazprom-Mitarbeiter Ex-Bundeskanzler Schröder empfohlen hat – man darf es vermuten. Auf jeden Fall ist es ein gelungener Coup, wenn nicht großer öffentlicher Protest einen Strich durch die Rechnung von Gazprom macht. Doch damit ist wohl nicht zu rechnen.

Kritiker wiesen in der Vergangenheit wiederholt darauf hin, dass Beckenbauer Deutschland als optimalen Lebensmittelpunkt schilderte, während er selbst Österreich als Lebensmittelpunkt wählte, und verwiesen in diesem Zusammenhang auf das österreichische Steuersystem.

Der bunte Vergabezirkus

Invstigativautor Jürgen Roth, ein Experte für Korruption und alles was mit Gazprom zu tun hat, rollte den Fall bereits vor einer Weile auf:

Am 2. Dezember um 16:36 Uhr verkündete FIFA-Präsident Joseph S. Blatter mit strahlendem Lächeln, endlich das Endergebnis für die WM 2018: Russland. Acht Minuten später stand fest, dass die Weltmeisterschaft 2022 in Katar stattfinden werde.

„Die Chance, dass jemals Beweise vorgelegt werden können, wie sich Russland und Katar Stimmen erkauften, tendiert gegen null. Diese Sieger garantieren Verschwiegenheit. Die Aufführung von Zürich erreichte ihren absurden Höhepunkt, als ausgerechnet Putin die Korruptionsenthüllungen englischer Medien als ,inakzeptabel‘ kritisierte,“

schrieb nach der Vergabe Jens Weinreich.(1)

Warum so pessimistisch? Im Wüstenstaat Katar, mit seinen 11.586 Quadratkilometern halb so groß wie Hessen, war seit Wochen im Al Corniche Club alles für die Siegesfeier vorbereitet worden. Die Einladung war bereits 14 Tage vorher verschickt worden. Anwesende im Al Corniche Club am Jumeirah Strand, erinnert sich ein Teilnehmer, der namentlich nicht als Quelle zitiert werden wollte, „waren faktisch alle Minister und sonstige Persönlichkeiten einschließlich Gäste der Nachbarländer, darunter außergewöhnlich viele Gäste aus Bahrein und Saudi-Arabien. Denn seit mindestens einem Monat war in Katar bekannt, wie das Ergebnis aussehen wird. Wahl hin, Wahl her.“

Zur Beantwortung dieser Frage, ob das so gewesen sein könnte, kann ein Experte aus Katar, der dort im internationalen Fußballgeschäft eine zentrale Rolle spielt und derzeit aktiv bei den Vorbereitungen der WM beteiligt ist, Auskunft geben. Er behauptete mir gegenüber im November 2010, als wir uns zu einem Gespräch in einem Berliner Hotel trafen – und zwar drei Wochen vor der Entscheidung, wer nun die Fußballweltmeisterschaft zugesprochen bekommt:

„Die machen am 2. Dezember in Katar eine große Festveranstaltung. Ich bin eingeladen. Da wird die WM 2022 gefeiert. Das ist in drei Wochen. Das wird als Initiative genommen, um Katar neu zu bauen.“

Und erzählte mir vierzehn Tage vor der Entscheidung in Zürich:

“Der …. hat mir gesagt: “Russland ist jetzt auch geklärt.”

Mohamed Bin Hammam, der Präsident der Asiatischen Fußballkonföderation, ist einer der einflussreichsten Fußballfunktionäre des FIFA-Exekutivkomitees. Der Experte aus Katar erinnert sich an sein Gespräch mit ihm:

„Der sagte mir, ich schenke meinem Scheich (er meinte das Staatsoberhaupt Scheich Hamad Bin Khalifa Al-Thani, den Emir von Katar, d. Autor) die Fußballweltmeisterschaft 2022. Das ist meine letzte Aktion, die ich für mein Land machen kann.“

Diese Aussage deckt sich mit dem, was bereits in einigen Medien zu lesen war.

„Bin Hammam wusste, dass Blatter seinerseits 2011 zum vierten Mal für den Vorsitz des Weltverbandes kandidieren würde und sah seine Felle davonschwimmen. Blatter machte dem Emir nun klar, dass Katar nur die WM 2022 bekommen könnte, wenn Bin Hammam sich beruhige. Das weiß jeder in der Branche. Verschiedene FIFA-Mitarbeiter, die nicht zitiert werden wolle, haben das auch bestätigt. Blatter aber behauptete Ende April, als er von Katar zu einem Treffen des Internationalen Olympischen Komitees in Dubai weitergejettet war: ,Ich habe keinen Deal gemacht. Als FIFA-Präsident werde ich mein Amt doch nicht missbrauchen.‘“(2)

Eine andere Quelle aus dem direkten Umfeld des Emirs von Katar sah es so:

„Alle, die es kennen, sagen, Katar bekommt die Weltmeisterschaft, damit Blatter noch einmal gewählt wird. Weil der Bin Hammam alle asiatischen Verbände hinter sich hat und werden die ihn dann auch wählen.“

Dagegen sagt der Schweizer Ex-FIFA-Funktionär Guido Tognoni:

„Bin Hammam braucht den Blatter überhaupt nicht mehr. Wenn er will, dann wird er einfach FIFA-Präsident. Das müssen wir lernen. Katar kann die Credit Suisse aufkaufen, wenn sie wollen, sie können Volkswagen aufkaufen. Ich sage immer, Katar hat eine ganz eigene Ökonomie. Die ist entfernt von jedem normalen Gesetz der Ökonomie.“

Bekannt ist, dass Mohamed Bin Hammam in der Vergangenheit ein eher kritisches Verhältnis zu Blatter hatte. Für die Wahl im Sommer 2011 drohte er sogar mit einer Gegenkandidatur.

„Blatter machte sich klein, betrauerte eine zerbrochene Freundschaft und flog im April pflichtschuldig zum Friedensgespräch nach Doha. Und seitdem riecht alles nach einem Deal: Blatters Alleinherrschaft gegen den WM-Zuschlag.“(3)

Tatsächlich erklärte Bin Hammam am 18. März 2011, dass er sich nach langen Überlegungen entschieden habe, bei den nächsten FIFA-Wahlen am 21. Juni 2011 gegen Joseph S. Blatter zu kandidieren.

„Ich möchte mehr Transparenz in der FIFA sehen.“

Um gewählt zu werden, muss er die Mehrheit der 208 Verbandsdelegierten des FIFA-Kongresses hinter sich bringen. Der 75-jährige Blatter hat auf der anderen Seite nicht die Absicht, freiwillig zurückzutreten.

Bin Hammam, schreibt Andrew Jennings in seinem Buch Foul, war einer der Katalysatoren für Blatters Inthronisierung im Jahr 1998 in Paris. Ohne ihn wäre Blatter verwundbar. Deshalb wundert sich auch Thomas Kistner:

„Und ausgerechnet der bösen BBC beichtete er, was seine FIFA-Ethiker noch im Herbst nicht beweisen konnten: Katar habe einen Wahlpakt mit Spanien geschmiedet.“(4)

Ende November 2010 meldete sich Exekutivmitglied Mohamed Bin Hammam aus Katar zu Wort.

„Er beurteilt einen möglichen Deal zwischen Katar und Spanien/Portugal keineswegs kritisch. Angeblich soll es Absprachen zwischen ihm und dem spanischen FIFA-Vizepräsidenten Angel Maria Villar Llona geben: Spanien soll zusammen mit Portugal die WM 2018 erhalten, Katar für die Endrunde 2022.“(5)

Anscheinend gab es tatsächlich diesen Deal. Eine Holding schloss einen Sponsoringvertrag für fünf Jahre mit einer Gesamtsumme von 200 Millionen US-Dollar (circa 137,8 Millionen Euro) für den FC Barcelona ab. Das zumindest behauptete mir gegenüber eine vertrauenswürdige Quelle aus Katar:

„Vorher war doch ständig im Gespräch, die Kataris kungeln mit Spanien. Wer kann schon etwas gegen Sponsoring haben? Die erste Maßnahme ist erfolgt: 200 Millionen US-Dollar an den FC Barcelona.“

Ein weiteres Indiz für die These einer Abstimmungsfarce nennt mir ein ehemaliger führender Mitarbeiter der FIFA, der nicht genannt werden wollte:

„Die deutsche Bundesregierung wusste zwei Tage vorher Bescheid, das hatte mir ein zuverlässiger Informant gesagt.“

Die FIFA hingegen antwortete auf meine Frage, was sie zu den Behauptungen führender Fußballfunktionäre sage, dass schon Wochen vor der Entscheidung zur Fußballweltmeisterschaft 2022 und 2018 klar gewesen sei, dass sowohl Katar wie Russland die Zuschläge erhalten werden und die entsprechende Galaveranstaltung bereits in Katar vorbereitet war:

„Zu solchen Behauptungen nehmen wir keine Stellung. Wir können aber festhalten, dass es Usus geworden ist, dass sich die bewerbenden Länder in ihren jeweiligen Ländern auf eine entsprechende Entscheidung vorbereiten, ob im positiven oder aber auch im negativen Fall. Dies ist von den vielen TV-Bildern sehr klar ersichtlich (siehe Public Viewings).“(6)

 

(1) Jens Weinreich: Judo-Lektionen vom Meister, Frankfurter Rundschau, 3. Dezember 2010

(2) Jens Weinreich, Berliner Zeitung, 3. Dezember 2010

(3) Wigbert Loer: Schattenmann, Der Stern, Heft 50/2010, S. 30

(4) Thomas Kistner, Süddeutsche Zeitung, 10. Februar 2011

(5) Thomas Kistner, Süddeutsche Zeitung, 30. November 2010

(6) E-Mail-Nachricht der FIFA, Betr. Fragenkatalog an den Präsidenten Blatter, vom 20. Dezember 2010

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