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Hinter Schäubles Putin-Hitler-Analogie verbirgt sich viel mehr als die meisten ahnen

Datum:

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Ein Kommentar von Alexander Benesch

Der russische Präsident Putin rechtfertigte die militärische Besetzung der gesamten Krim-Halbinsel mit der Begründung, die russisch-sprachigen Bevölkerungsanteile schützen zu wollen. Die Russenpropaganda schürte die Hysterie, als würden faschistische Sturmtruppen aus dem Westen anrücken. Schäuble erklärte dazu:

„Das kennen wir alles aus der Geschichte. Solche Methoden hat schon der Hitler im Sudetenland übernommen – und vieles andere mehr.“

Die Schlagzeilen waren garantiert, die gezogene Parallele hat nun ein diplomatisches Nachspiel. Die von Putin angewandte Taktik ist eigentlich so alt wie die Militär- und Staatskunst selbst, auch bei NATO-Kräften im Standard-Repertoire. Da hätte man den Namen Hitler gar nicht erst erwähnen müssen. Interessanterweise stieß Schäuble aber in ein Wespennest, das sich lohnt, genauer betrachtet zu werden. Wie war das nochmal mit Hitlers Außenpolitik vor dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs?

Der zunehmend irre gewordene Kriesgveteran Hitler mit den schlechten Zähnen übernahm nach einem langen Marsch durch die Institutionen ein militärisch stark geschwächtes Deutschland, das aus dem ersten Weltkrieg als Verlierer hervorgegangen war. Das Deutsche Reich war seit 15 Jahren tot, der Parlamentarismus zerrissen und unpopulär. Ein kurzer Ausflug in den „Kapitalismus amerikanischer Prägung“ war vorbei.

Als der Kalte-Kriegs-Veteran Putin die Zügel in Russland in die Hand nahm, lag der Kollaps der Sowjetunion gerade einmal zehn Jahre zurück, statt der kommunistischen Einheitspartei regierte ein unpopulärer Parlamentarismus. Ein kurzer Ausflug in den „Kapitalismus amerikanischer Prägung“ war vorbei.

Hitler und seine NSDAP benötigten vor der Machtergreifung einen dramatischen Vorfall, um bei den Wahlen über einen bestimmten Schwellenwert hinaus zu gelangen und nachher Stück für Stück jede Freiheit zu begraben. Diesen Vorfall besorgte man mit dem Reichstagsbrand selbst. Es gelang im Folgenden, den Wahlkampf der Opposition zu gängeln und das gewünschte Wahlergebnis zu bekommen. Die Deutschen hatten bald einen „Führer“ an Stelle eines Politikers auf Zeit.

Putin war ein Wackelkandidat, dem niemand eine lange Karriere in der Politik vorhersagte. Dann geschah eine Serie von Bombenanschlägen auf Wohnblocks im Jahr 1999 in Russland, bei denen über 300 Menschen ums Leben kamen. Gemäß der offiziellen russischen Ermittlungsergebnisse waren die Täter tschetschenische Separatisten. Einige Indizien deuteten eher auf eine Verstrickung des russischen Geheimdiensts FSB hin. Der Versuch einer unabhängigen parlamentarischen Untersuchung wurde von der russischen Regierung blockiert und verlief ergebnislos. Die Anschläge machten Putin zu einem Polit-Superstar, lieferten den Vorwand für den zweiten Tschetschenienkrieg, welcher die unabhängige Republik beendete und war der Anlass, den letzten Rest Freiheit in Russland zu beenden. Tausende Zeitungen, einige Fernsehsender, Radiosender und jede Menge Webseiten wurden dicht gemacht.

Hitler nutzte die windelweiche Appeasement-Politik der Briten und Amerikaner bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs aus. Der Vertrag von Versailles, der die deutsche Rüstung und die Streitkräfte massivst begrenzte, wurde ungeschoren mit allen Mitteln umgangen. Hitler schloss Österreich an, das Sudetenland, das Memelland, sowie das Protektorat Böhmen und Mähren, bevor dann der Polenfeldzug begann. Die NSDAP war wie besoffen von den Anfangserfolgen und verteilte in Gedanken schon die Beute nach dem Endsieg wie etwa Teile der Ukraine, Weißrusslands, Rusland, die Krim, Teiles des Baltikums, die französische Kanalküste und sogar Gebiete bis an die Grenzen Mittelasiens.

Gegenüber Putin übten sich die Westmächte seit 1999 in einer windelweichen Appeasement-Politik. Man sah zu, wie verlorene ehemalige Sowjetgebiete wie Tschetschenien rücksichtslos zurückerobert wurden. Nach der Annexion der Krim diesen Jahres folgten ein paar mickrige Sanktionen aus dem Westen. Putin hat die Möglichkeit, militärisch die Ukraine zu überfallen und eine Marionettenregierung einzusetzen. Weitere osteuropäische Nationen könnten überfallen oder anderweitig in die „Russische Föderation“ eingegliedert werden. Man träumt von einem eurasischen Großreich bis zur Atlantikküste Portugals.

Hitler erhielt vor dem Krieg erstaunliche Hilfen aus Amerika und Großbritannien. Die deutsche Wirtschaft und insbesondere die Kriegswirtschaft war angewiesen auf Patente und Kredite. Die AEG war eine Unterabteilung von General Electric, IG Farbens Partner kamen aus Amerika. Rockefellers Standard Oil lieferte wichtige Industrieverfahren. Die Liste ist endlos.

Putin fand im Westen Käufer für Gas und Öl, mit den Erlösen ließ sich dringend benötigte Technologie kaufen. Russische Investoren durften trotz KGB-Vergangenheit ihr Geld im Westen vermehren, Kapital floss von West nach Ost. Die heutigen russischen Oligarchen bunkern ihr Vermögen im Ausland. Laut der russischen Zentralbank liehen sich die Russen 732 Milliarden $ aus dem Ausland. Wenn das westliche Establishment Putins expandierendes Großreich so sehr fürchtet, weshalb hat man dann in den vergangenen 15 Jahren alles getan, um Russland auf die Beine zu helfen?

Das nächste Kapitel

Hat das angloamerikanische Establishment in Wirklichkeit Russland genau da, wo man es haben möchte? Diktatorisch regiert, auf gnadenlose Expansion aus, militärisch stark aber wohl nicht stark genug. Der zweite Weltkrieg reanimierte damals die halbtote amerikanische Wirtschaft und räumte das gesamte Konzept des Nationstaats aus dem Weg zugunsten des Globalismus. Für Russland gibt es heute kaum noch einen Weg zurück. Es regiert nicht nur Putin sondern eine ganze Reihe an irren Fanatikern, die sich nicht mit dem Status Quo als sterbliche Kleinmilliardäre zufriedengeben. Durch eine taktische Mischung aus Provokationen und leicht zu ergatternden Beutestücken wie die Krim lässt Russland sich dazu verleiten, ein monströses Riesenreich zu bauen, welches unmöglich zu verteidigen und zu bezahlen ist. Je mehr Erfolge Putins Oligarchen feiern und der Westen sich schwach stellt, umso mehr werden die Russen den Bezug zur Realiät verlieren.

Nach dem ersten Weltkrieg half der Westen den russischen Bolschewisten mit allem was benötigt wurde, um imperialistisch zu herrschen. Russland heute denkt, es hätte die Kontrolle. Anscheinend ist dies nichts anderes als Selbsttäuschung. Wird die Ukraine Putins Polenfeldzug?

AlexBenesch
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