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Fakt, Mythos und Kulturphänomen: Taktische Ausbildung & Ausrüstung – Teil 1

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Foto: 20th Century Fox

Von Alexander Benesch

Wir sind durch Popkultur und Geschichte gewohnt, dass Freund und Feind von außen auf den ersten Blick zu unterscheiden sind: Cowboys gegen Indianer, saubere Cowboys mit weißen Hüten gegen schmuddelige Cowboys mit schwarzen Hütenm, Ritter in heller Rüstung gegen Ritter in dunkler Rüstung, wilde Germanenkrieger gegen Roms ausgeschmückte Armee, graue Wehrmachtsoldaten gegen alle anderen, Orks gegen Elfen.

Es ist immer verblüffend für uns, wenn in der realen Welt und auch in der Kultur Bösewichter und Helden praktisch identisch aussehen. Der moderne Archetyp ist der Kämpfer mit taktischer Ausrüstung und Ausbildung.
In den berühmten Spielen wie Callof Duty taucht man in exakt diese Rolle und man schießt nicht auf potthässliche Aliens, sondern auf Soldaten die genauso aussehen und genauso taktisch agieren wie man selbst. Die legendäre TV-Ikone Jack Bauer, ein Antiterror-Agent der früher bei den Spezialeinheiten diente, bekämpft die Feinde Amerikas, die sich ihrerseits oft in der fast identischen Aufmachung auf ihre taktische Ausbildung verlassen.

In der Staffel 8 rächt sich Jack Bauer auf eigene Faust an dem höchst kriminellen Ex-US-Präsidenten Charles Logan. Jack wird zum taktischen Grim Reaper, zum wandelnden Todbringer, zu einer Mischung aus Bundesagent und Jason, dem Killer aus „Freitag der 13.“

In der gleichen Aufmachung sahen wir in der Realität Amokläufer wie etwa den Aurora-Killer:

Aurora-Gear

Auch die Polizisten,die den Amokläufer konfrontierten, sahen im Prinzip identisch aus. Die einzigen Unterscheidungsmerkmale sind Patches und Marken.

Die Popkultrur zeuigt uns auch die nächste Generation des taktischen Kriegers: Cyborg- und teilsynthetische Hybriden, sowie Männer mit Mikroprozessor und elektronischem Speicher im Gehirn. Die Show „Intelligence“ auf CBS dreht sich um den Helden Gabriel vom US Cyber Command, wie Jack Bauer auch mit militärischem Hintergrund, aber mit einem futuristischen Chip, der ihm beispielsweise vor seinen Augen Bilder von Überwachungskameras, Drohnen, Satelliten oder die Position von vergrabenen Landminen anzeigen kann.

Einen Schritt weiter geht die FOX-Sendung „Almost Human“: Die Menschen im Los Angeles Police Department arbeiten zusammen mit lebensechten Androiden. Detective John Kennex bekommt „Dorian“, zur Seite gestellt, dessen Baureihe mit einer revolutionären „Synthetischen Seele“ ausgerüstet ist. Der Klassiker „Robocop“ bekam eben erst ein Remake, Firmen wie Boston Dynamics arbeiten daran, Menschen zu ersetzen.

Die Figuren sind die modernste Form des Urtyps des Kriegers. Je stärker Leute in Schule, Ausbildung und Arbeit an den Schreibtisch gefesselt sind, umso mehr sehnt sich der Mensch nach Aufregung und Abenteuer. Die Archetypen für diese Sehnsucht waren schon immer der Ritter, Abenteurer, der Soldat oder der Pirat. Wir haben den natürlichen Drang in uns drin, es ist jedoch nicht so leicht, diesen Drang in sinnvolle Bahnen zu lenken. Es haben sich alle möglichen Mythen gebildet um taktische Ausrüstung und Training die es sich lohnt, zu untersuchen.

Mythos #1: Taktisches Training und Ausrüstung für die Polizei bedeuten automatisch Polizeistaat und Unterdrückung

Nichts sagt „Polizeistaat“ so penetrant wie das Bild eines vermummten Ninja-Cops. Unsere Sensibilität ist jedoch der relativen Stabilität unserer Gesellschaft geschuldet. Sobald wir weiter weg Urlaub machen, sehen wir Wachmänner mit Schrotflinten an Busbahnhöfen. So manche romantischen Bootstouren in der Karibik mit 100.000$-Yachten wurden jäh unterbrochen von terroristischen Piraten, die den Kahn stehlen und die wohlhabenden Besitzer hinrichten wie gefangene Vietcong.

Wenn wir in den Nachrichten Bilder sehen von Polizisten aus Sondereinsatzkommandos oder von Bundesbehörden, die an einem wichtigen Einsatz beteiligt sind, wie beispielsweise eine Operation gegen ein Drogenkartell oder bei einer Geiselbefreiung oder bei einem Amokläufer, dann sehen diese Polizisten eher aus wie Soldaten: Sturmgewehre mit allerhand schwarzem montierten Zubehör, Schutzwesten mit 50 Taschen dran, Tiefziehholster, Querziehholster. Das ist nicht mehr Wachtmeister Dimpflmoser mit Trillerpfeife und Revolver, obwohl auch dieser meist Kasernenausbildung und Corpsgeist an der Polizeischule genossen hat.

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Das Training ist zugeschnitten auf die Aufgaben, die zu erfüllen sind. Die Grenzen zu militärischem Vorgehen sind dabei fließend. Allerdings werfen die Beamten eher Flashbangs bevor sie einen Raum stürmen, und keine Handgranaten. Man wird auch keine militärischen Waffen wie Flammenwerfer bei einem städtischen Sondereinsatzkommando finden, aber es kam vor dass die Beamten versuchten, ein Gebäude in Brand zu stecken um die Zielperson(en) herauszutreiben oder gleich umzubringen. Dann lieber doch Durchstoßdüsen, die per Schlauch an einen ganzen Tank voller Pfefferspray angeschlossen sind, um einen Raum voller Abschaum mit Pfefferschaum zu ergänzen. Was der Markt nicht alles hergibt.

In der nahen Zukunft wird es Sondereinsatzkommandos möglich sein, Luftunterstützung durch Drohnen zu erhalten und einen Luftschlag anzufordern. Bereits jetzt sind Helikopter im Einsatz.

Es ist das Symbol schlechthin für den „Polizeistaat“ geworden. Dennoch sind taktische Polizeieinheiten nicht von vorneherein unmoralisch und für die schlechte Politik verantwortlich. Wer die Polizei und die taktischen Elemente von vorneherein dämonisiert, sorgt nur dafür, dass der Graben zwischen Polizei und Bürger immer größer wird. Die Polizei fühlt sich zunehmend unverstanden und hält zunehmend die Bevölkerung für unfähig, die realen Begebenheiten zu verstehen. Das hat zur Folge, dass die Transparenz verschwindet, um nicht wegen jedem Furz den die Menschen nicht verstehen, einen öffentlichen Skandal herausfzubeschwören. Je weniger Transparanz aber existiert, umso mehr wachsen Probleme im Dunkeln.

Die taktischen Sondereinsatzkommandos machen nur einen Bruchteil der Polizei aus, aber das taktische Training und die Ausrüstung verbreiten sich zunehmend auch bei der normalen Polizei. Der Berufsalltag erfordert ein realitätsnahes Training: Wird bei einer Routine-Fahrzeugkontrolle jemand angehalten der eine frische Frauenleiche oder 12 Kilo peruanisches Kokain im Koferraum hat oder gegen den ein Haftbefehl vorliegt und derjenige geschworen hat „die kriegen mich nicht lebend!“, kann der Fahrer oder ein Mitfahrer plötzlich eine AK47 ziehen und feuern.

Polizisten sollen gerade das organisierte Verbrechen ausschalten, und das geht nun einmal nicht mit einem Kommando aus Falschparkzettelschreibern, Kinderkomissaren und Bierbauch-Beamten 3 Jahre vor der Pensionierung. In Russland ist man im Moloch angekommen, wo normales wirtschaftliches Leben schlicht nicht mehr möglich ist: Entweder schickt der Staat seine taktische Steuerpolizei vorbei um dich unter einem dünnen Vorwand zu verhaften oder die Mafia stattet dir einen Besuch ab.

Es ist sowohl die Aufgabe von Bürgern als auch die Aufgabe von Polizisten, dafür zu sorgen dass die Polizei so frei wie nur irgendwie möglich ist von kriminellen Elementen. Wenn die Bürger schlicht zu dumm oder ungebildet sind, haben Beamte keine Rückendeckung um Missstände aufzudecken und zu beenden.

Mythos #2: Kriminelle halten nichts von Tactical Gear und Training

Kriminelle sind wohl die erfinderischsten Bastarde die man sich vorstellen kann. Selbst im Knast bauen sie noch aus Metall-Stuhlbeinen und Schmuggel-Resten funktionierende Schrotflinten.

Wir sehen die Professionalisierung bei modernen Piraten, die mit Schnellbooten und automatischen Waffen Schiffe einnehmen, bei professionellen Räubern, Drogenkartellen, Terroristen und anderen unangenehmen Zeitgenossen. Taktische Ausbildung gibt es zum Discount-Preis in Ausbildungslagern der Russen, der PLO, FARC und anderen bemühten Kriminellen.

Während im Westen der Markt für entsprechende Ausrüstung sehr stark kontrolliert ist, verscherbelten Halbverrückte wie Victor Bout ungestört ganze Flugzeuge voller Ostblockwaffen über Russland und die arabischen Länder. Der Ballistik-Bazar gab alles her was man brauchte um sogar eine Regierung zu stürzen. Heckler & Koch-Waffen die in Deutschland nicht einmal legal sind, haben die Angewohnheit, wie durch Zauberei in Dreckslochistan aufzutauchen.

Das ist nicht mehr Gauner-Ede, der sich aus einer Damenstrumpfhose eine Maske schnippelt, die Hand in die Tasche steckt um es aussehen zu lassen als hätte er eine Waffe und dann dem Bankkassierer seiner örtlichen sparkasse sagt „Geld her oder ich schieße“.

Operationen werden geplant, Aufklärung durchgeführt, man arbeitet mit Geschwindigkeit und Genauigkeit und man ist in der Lage, dynamisch auf eine überraschende Situation zu reagieren und zu improvisieren. Da werden auch Nachtsichtgeräte angeschafft, Wärmebildkameras, Raketenwerfer, Zodiac-Boote, alles was der Markt hergibt.

Auch Motorradgangs und Drogenkartelle professionalisieren sich zunehmend, schicken Leute zu Ausbildungen um sicherzustellen, dass man gegen aufrüstende Konkurrenten nicht den kürzeren zieht. Die Hells Angels haben für die Position des Waffenmeisters den Namen „Sargeant At Arms“. Auch Amokläufer nutzen taktische Ausrüstung und Training, um ihre hirnverbrannten Ziele effektiver zu erreichen.

Insgesamt werden nur bei einem sehr sehr geringen Anteil der Verbrechen (halb-)automatische Gewehre benutzt; das ist ein Fakt den die ganzen Hysteriker gerne verschweigen oder ignorieren. Aber wenn dann doch einmal automatische Gewehre benutzt werden, dann handelt es sich oft um Fälle die einem die Augenbrauen nach oben und das Kinn nach unten gehen lassen:

Kriminelle Gruppen überschreiten ab einer gewissen Größe zwangsläufig die Grenzen zum Militärischen. Auch kommt es vor, dass in Zeiten des Chaos und der Umbrüche Leute aus Militär- und Polizeieinheiten Fahnenflucht begehen und fortan als kriminelle Banden agieren. Sie haben das Training und die Erfahrung, um die modernen Raubritter zu sein.

AlexBenesch
AlexBenesch
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