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Putins 9/11 das ihn vom wackelnden Niemand zum Diktator in Russland machte

Datum:

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Alexander Benesch

„Ich kann nicht beweisen, dass diese Anschläge in Moskau vom Kreml organisiert waren. Aber ich meine, diese Anschläge waren für die Macht sehr nützlich. Sie haben eine allgemeine Empörung ausgelöst. Die Entscheidung des damaligen Regierungschefs und künftigen Präsidenten, einen neuen Krieg zu beginnen, wurde mit Begeisterung begrüßt. Das alles hatte eine mächtige Grundlage für Wladimir Putin geschaffen. Wer ist Putin? Vor dem September 1999 konnte nicht einmal ein Politiker darauf antworten, geschweige ein Mensch auf der Straße. Niemand wusste was von ihm. Doch danach schoss sein Rating in die Höhe. Die Anschläge auf die Wohnhäuser spielten dabei eine äußerst wichtige Rolle.“

– Duma-Abgeordneter Kowaljow

Die Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser in Russland waren eine Serie von Bombenanschlägen im Jahr 1999 in Russland, bei denen über 300 Menschen ums Leben kamen. Die Terroranschläge versetzten ganz Moskau und Russland in Angst und Schrecken. Gemäß der offiziellen russischen Ermittlungsergebnisse waren die Täter tschetschenische Separatisten. Dies wurde inner- und außerhalb Russlands von einigen Regierungskritikern angezweifelt, da einige Indizien auf eine Verstrickung des russischen Geheimdiensts FSB deuteten. Der Versuch einer unabhängigen parlamentarischen Untersuchung wurde von der russischen Regierung blockiert und verlief ergebnislos. Die Anschläge machten Putin zu einem Polit-Superstar, lieferten den Vorwand für den zweiten Tschetschenienkrieg, welcher die unabhängige Republik beendete und war der Anlass, den letzten Rest Freiheit in Russland zu beenden.

Der russische Bin Laden und der russische George Bush

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Putin war zunächst eine wackelige Figur, die von Boris Jelzin als Nachfolger auserkoren wurde und dessen Rivalen ihn schnellstmöglich wieder loswerden wollten. Niemand erwartete, dass der in der Bevölkerung unbekannte Putin sich lange halten würde. George W. Bush in den USA war nach Amtsantritt im Januar 2001 schnell als „lahme Ente“ verschrien.

Bush bekam mit 9/11 den drigend benötigten Katalysator, um die neokonservative Geopolitik zu beschleunigen und auch innenpolitisch mit dem Patriot Act die Handschuhe auszuziehen. Putin bekam mit den Anschlägen auf Wohnhäuser in Russland 1999 gewaltigen Auftrieb, um seine Konkurrenten loswzuwerden, mit einem Krieg gegen Tschetschenien die Ex-Sowjet-Region wieder einzufangen, eine hohe Beliebtheit zu erlangen und im Inland einen diktatorischen Kurs zu fahren.

In beiden Fällen handelte es sich nach offiziellen Regierungsangaben um islamischen Terrorismus: Bei den Amerikanern die al-Kaida mit Osama Bin Laden an der Spitze, auf der anderen Seite tschetschenische Separatisten die ihren Scharia-Staat behalten wollten und Schamil Bassajew folgten. Von beiden Terrorfürsten wurden fast identische Proapagandavideos im TV gezeigt:

Bin Laden:

Schamil Bassajew:

Die Russen eroberten die islamisch geprägte Gegend Tschetschenien rücksichtslos im Jahr 1864, schlugen einen Aufstand 1877/1878 nieder, erklärten sie 1921 zur “sowjetischen Gebirgsrepublik”, deportierten 1944 zwangsweise insgesamt 400.000 Tschetschenen  in Viehwaggons nach Kasachstan und Mittelasien, und lehnten auch nach 1990 die Soveränität Tschetscheniens ab und schickten Panzer und Truppen dorthin. Weder der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow noch sein Nachfolger, der russische Präsident Boris Jelzin, erkannten die Unabhängigkeit des Staates an.

Nach dem ersten erfolglosen Tschetschenienkrieg erkannte Russland zwar immer noch nicht formell die Unabhängigkeit der Region an, akzeptierte aber die dortige Regierung als Verhandlungspartner. Es machte aus Sicht der tschetschenischen Führer keinen strategischen Sinn, die Anschläge 1999 auf Wohnblocks im russischen Moskau zu verüben.

Die Vermutung ist stattdessen, dass einflussreiche Kreise in Russland frühzeitig die Anschläge selbst planten, um einerseits Putins Herrschaft zu zementieren, und andererseits um den Vorwand zu haben, einen zweiten Tschetschenienkrieg zu beginnen. Was diese Pläne am meisten begünstigte, war dass der Terrorfürst Schamil Bassajew allem Anschein nach ein russischer Agent war.

Erwischt

Am Abend des 22. Septembers 1999 bemerkte ein aufmerksamer Bewohner eines Wohnhauses in Rjasan zwei Männer, die schwere Säcke aus ihrem Auto in den Keller schleppten. Die lokale Polizei wurde gerufen und die gesamten umliegenden Wohnungen wurden evakuiert. Der Inhalt der Säcke stellte sich beim ersten Test als Sprengstoff (Hexogen) heraus. Alle Straßen, die aus der Stadt führten, wurden stark überwacht, aber es gab keine weiteren Spuren.

Der russische Geheimdienst (FSB) erklärte 48 Stunden später mit äußerster Dreistigkeit, dass dieser Vorfall ein Training gewesen sei und die Säcke Zucker enthalten hätten. Das Ergebnis der ersten Sprengstoffanalyse wurde widerrufen, da es wegen einer Verschmutzung des Analyseapparates durch vorangegangene Tests ungenau gewesen sei. Der öffentliche Untersuchungsausschuss konnte kein endgültiges Ergebnis zu diesem Ereignis vorlegen, da von verschiedenen Behörden der Russischen Föderation widersprüchliche Auskünfte erteilt wurden. Der Generalstaatsanwalt schloss die Untersuchung des Vorfalls in Rjasan im April 2000 ab. Die Beweise vom Vorfall in Rjasan wurden für 75 Jahre versiegelt.

Bassajew und der jordanische Wahabit Ibn Kattab, der mit Osama Bin Laden verkehrt haben soll, stritten beide die Taten ab. Das russische Militär marschierte im Herbst 1999, nur wenige Tage nach den Anschlägen, in Tschetschenien ein unter dem Banner einer „Antiterrormaßnahme“. Ohne vorher zweifelsfrei die Taten aufgeklärt zu haben.

Nach seinem Schulabschluss 1982 leistete Bassajew seinen Grundwehrdienst in der sowjetischen Luftwaffe. Vergeblich bemühte er sich um ein Jurastudium an der Moskauer Lomonossow-Universität. Torsten Mann schreibt in seinem Buch Weltoktober:

„Sowohl über Schamil Bassajew als auch über seinen Bruder Schirwani ist bekannt daß diese in der Vergangenheit bereits für die sowjetische [Geheimdienstgruppe] GRU gearbeitet haben. Auch der erste ‚unabhängige‘ Präsident Tschetscheniens, Dschochar Dudajew, hat eine bermerkenswerte Vergangenheit als General der sowjetischen Luftwaffe und Kommandeur einer Division nuklear bewaffneter Langstreckenbomber hinter sich.

Auch soll vor dem Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges im Sommer 1999 in Frankreich ein Treffen zwischen Schamil Bassajew einerseits und Boris Beresowski sowie Jelzins Stabschef Alexander Woloschin andererseits stattgefunden haben, bei dem Absprachen für einen neuen Krieg in Tschetschenien getroffen worden sein sollen, für den Bassajew mit russischen Waffen und Finanzmitteln ausgerüstet wurde. Das bedeutet dass der neue Krieg vom Kreml bereits lange Zeit vor den Anschlägen geplant worden war, was Sergei Stepaschin, der damalige Chef des FSB, im Frühjahr 2000 auch tatsächlich zugab.“

Der bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommene russische Genral Alexander Lebed sagte gegenüber der französischen Zeitung Le Figaro, er sei beinahe davon überzeugt, dass die russische Regierung den Terror gegen ihre eigenen Bürger organisiert habe. Ein russischer, in Tschetschenien eingesetzter Offizier der Luftlandetruppen, erklärte, dass die Tschetschenen im Vorfeld über russische Operationen Bescheid wussten.

Der tschetschenische Präsident Aslan Maschadow ging davon aus, dass die Rebellen rund um Bassajew von Moskau aus gesteuert und finanziert wurden. Der tschetschnenische Mufti Kadyrow meinte, dass eingeschleuste russische Provokateure den Krieg begonnen hatten und der russische Genralstab den Konflikt auf beiden Seiten kontrolliere. Der Militärexperte Alexander Golz erklärte, der Konflikt habe den Zweck erfülllt, alte Waffen und Munition zu verbrauchen und den russischen Soldaten eine bessere Militärausbildung angedeihen zu lassen.

Informationskrieg

Nichts hat Putin bisher soviel Schaden zugefügt wie die Vorwürfe, die gegen ihn im Zusamenhang mit den Anschlägen und späteren, ähnlichen Vorfällen geäußert wurden von Angehörigen, Zeugen und Journalisten. Die FSB-Propagandisten stürzten sich deshalb auf umstrittene Figuren wie Alexander Litvinenko und Boris Beresowski, die inzwischen beide tot sind und vermutlich von den russischen Sicherheitskräften hingerichtet wurden. Auch die (ebenfalls ermordete) Investigativreporterin Anna Politkowskaja wird posthum mit Hass überschüttet.

AlexBenesch
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