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Verteidiger der russischen Anti-Homosexuellen-Legislatur manipulieren genauso wie die Mainstream-Kritiker

Datum:

sotschi-640

Ein Kommentar von Alexander Benesch

Das Thema umkreist die olympischen Winterspiele und ist auch der genannte Anlass für den Boykott der Veranstaltung durch unter anderem den deutschen Bundespräsidenten: Russlands neue Legislatur gegen „Homosexuellen-Propaganda“.

Die üblichen Verdächtigen kommen nun der russischen Regierung zu Hilfe und wollen die negative „westliche“ Berichterstattung zurechtrücken und ihr den Wind aus den Segeln nehmen. Der bekennende Homosexuelle Brian Heiss verfasste sogar ein ausführliches White Paper zu dem Thema, das auch in der amerikanischen Berichterstattung von Infowars zitiert wird.

Die westlichen Medien hätten über ein „Verbot von Homosexuellenpropaganda“ berichtet und dass Verstöße mit Geldbußen und sogar Haft bestraft würden, ohne darauf hinzuweisen, dass lediglich „Propaganda über nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ in der Gegenwart von Minderjährigen verboten sei. Deshalb sei ja alles halb so wild, es gehe doch nur um Jugendschutz.

Was für eine dumme Lüge. Unter dem Vorwand des Jugendschutzes versuchen Regierungen auf der ganzen Welt, das Recht auf Meinungsäußerungen unzulässig einzuschränken. In allen westlichen Ländern gibt es konkrete Umsetzungen einer Sperr-Infrastruktur für das Internet. Geschaffen wird diese Infrastruktur offiziell, um Kinderpornographie besser zu bekämpfen. Dennoch können später spielend leicht auch nicht genehme Meinungen schnell als „schädigend für die Entwicklung von Kindern“ definiert werden, was bedeutet, dass solche Inhalte nicht mehr auf einer öffentlich für jeden zugänglichen Webseite verfügbar sein dürfen.

Sobald etwas als jugendgefährdend gilt, lassen sich Inhalte nur noch schwer und unter heftigen Auflagen an die Öffentlichkeit bringen. Man kann nicht einfach auf Internet-Meldungen oder – Kommentare klicken, man muss sich erst speziell registrieren und bestätigen, dass man volljährig ist. Diese Daten landen dann bei der Regierung, was eine abschreckende Wirkung hat. Auch öffentliche Demonstrationen sind davon betroffen, denn auf der Straße laufen ja schließlich auch Minderjährige herum. Also kann hier der Gesetzgeber auch verbieten. Mit Büchern ist es ähnlich. Gelten sie als jugendgefährdend, kann man sie nicht einfach in einem Ladengeschäft auslegen oder in einem Internet-Shop anbieten. Der Verkauf geht nur mit besonderen Registrierungen bzw. unter der Ladentheke.

Auch öffentliche Werbung für „jugendgefährdende Inhalte“ ist verboten. Mit dieser Masche kann eine Regierung drangsalierende Zensur umsetzen, egal um welches Thema es geht. In Russland ließe sich das problemlos ausweiten auf „schädliche Verschwörungstheorien gegen die Regierung“ oder Ähnliches.

Es ist völlig egal, dass das russische Gesetz „nur“ von „Propaganda über nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ spricht und nicht explizit das Wort Homosexualität oder Transsexualität verwendet. Es ist völlig klar was gemeint ist. Und raten sie mal, wann die Sexualität in der Entwicklung eines Menschen erwacht. Richtig, etwa im Alter zwischen 11 und 14. Lange bevor jemand das offizielle Erwachsenenalter erreicht hat, realisiert ein bestimmter Prozentsatz der Menschen, dass sie sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Laut dem White Paper von Heiss dürfte ein homosexueller 14-jähriger oder eine homosexuelle 15-jährige in Russland angeblich „privat“ Ratschläge einholen von Erwachsenen, wie man beispielsweise seine Eltern damit konfrontiert oder über irgendetwas anderes, das mit Homosexualität zu tun hat.

Was wenn aber die Erwachsenen in der unmittelbaren Umgebung der minderjährigen Person nicht aufgeschlossen oder intelligent oder gebildet genug sind um gute Ratschläge zu verteilen? Was wenn man nicht die Erwachsenen im eigenen Umfeld fragen möchte? Was wenn man ein gutes Buch zu dem Thema sucht? Macht sich der Buchverkäufer dann strafbar? Was wenn man lieber irgendeine Organisation aufsuchen möchte, die sich auskennt? Verbreitet jene dann illegale Propaganda?

Der Gesetzestext ist dermaßen schwammig formuliert, dass keine juristische Klarheit herrscht. Denn jeder Erwachsene, der „Informationen verbreitet die darauf abzielen, nicht-traditionelle sexuelle Haltungen unter Minderjährigen zu formen“ bzw. die „Attraktivität nicht-traditioneller sexueller Beziehungen“ bewirbt, betreibt laut dem Gesetz „Propaganda über nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“. Wer an „Kinder unter 16 Jahren Material verteilt, das darauf abzielt, nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen zu glorifizieren“, riskiert Strafen, die bei einer erheblichen Anzahl an Tagessätzen des Durchschnittseinkommens beginnen (130$) und bis 30.000$ gehen. Wer entscheidet nach welchen Maßstäben, was „glorifizieren“ bedeutet? Warum darf jemand von vorneherein nicht homosexuelle Beziehungen als positiv darstellen wie er will? Wer weiß denn von Vorneherein, ob ein Minderjähriger zur Gay-Community zählt oder einfach sein Coming Out noch nicht hatte weil er es für Privatsache hält oder krampfhaft versucht, irgendwie als hetero zu leben?

Das Ganze ist schlicht willkürlich interpretierbar. Wer die breitere Gesellschaft über diese katastrophale juristische Lage aufklären möchte, der betreibt wohl erst recht „Propaganda über nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ und läuft in ein Minenfeld. Wenn ein prominenter Olympia-Sportler sich in Russland öffentlich äußern würde, riskiert er Geldstrafe und Ausweisung aus dem Land.

Daran ändert auch nichts, dass die Regierung in Russland auf dem Papier „die Absicht bekundet hat“, Gewaltverbrechen aus homosexuellen Motiven stärker zu verfolgen, um eine UN-Richtlinie zu erfüllen. In der Praxis gibt es solche Hassverbrechen, die auch noch von den Tätern gefilmt und im Internet zur Abschreckung veröffentlicht werden, ständig. Und die Täter brauchen sich noch nicht einmal die Mühe machen, ihre Gesichter zu verschleiern.

Es gab zwar wenige offizielle Verurteilungen unter den regionalen Vorläufer-Gesetzen, nichtsdestotrotz ist der großzügige Rechtsrahmen abgesteckt und es liegt nun im Gutdünken der Behörden, wie stark sie die Homosexuellen drangsalieren möchten.Natürlich ist die Regierung nicht so dumm und lässt zu, dass in den ersten Jahren des Gesetzes viele Verurteilungen stattfinden. Die Abschreckungswirkung genügt zunächst. Später, falls Russlands Regime einen inneren Feind braucht an dem man sich abreagieren will, kann alles den Anstrich des Rechts haben.

Beispiel aus dem White Paper von Heiss: Zwei Russen wurden 2009 verhaftet und mit Geldstrafen belegt, weil sie „in der Nähe von Schulen und Bibliotheken“ Schilder hochhielten mit den Worten „Homosexualität ist normal“ und „Ich bin stolz auf meine Homosexualität“. Das Urteil wurde glücklicherweise später gekippt, allerdings nur wegen internationalen Abkommen. Hätten die beiden Bücher verteilt oder gar im Radio ihre Meinung geäußert, wäre das wohl weit schlimmer verlaufen.

In Russland sind Gesetze sowieso nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Prinzipiell hat niemand in der normalen Bevölkerung Rechte, die gegen einflussreichere Kreise durchzusetzen wären. Selbst die alte sowjetische Verfassung beinhaltete alle möglichen, toll klingenden Rechte. Das heißt: Ein Apologet des russischen Regimes wie Brian Heiss mag noch so sehr betonen, wie doch alles angeblich rechtens und juristisch einwandfrei sein. In Wirklichkeit bewirken die neuen Gesetze einen Einschüchterungseffekt. Praktisch niemand in Russland wird es wagen, in den Medien sich einzusetzen für das Recht auf Meinungsäußerung der Homosexuellen. Auch kaum jemand wagt es noch, sich in den Medien kritisch über die Gangster-Herrschaft in Russland zu äußern, die unglaubliche 30 Milliarden € Steuergelder für die olmypischen Spiele ausgibt, wovon ein großer Teil in die Taschen der Putin-Freunde wandert.

Wer aufmuckt, bekommt nicht nur unter dem Vorwand des Jugendschutzes Ärger. Sondern auch unter dem Vorwand der Steuerhinterziehung. Dank den chaotischen schwammigen Gesetzen kann die Regierung auch hier Willkür ausüben und bewaffnete Sonderkommandos vorbeischicken.

Diese juristische Farce aus Russland gilt nun als Vorbild für Europa, ob in Teilen der AfD oder im russlandfreundlichen Magazin COMPACT und dessen „Familienkonferenzen“. Richtige Opposition gegen Political Correctness, gegen Drangsalierung und Meinungsterror in den Schulen Europas, sieht anders aus. Die russische Leit-Linie und die zugehörige Propaganda treibt die Menschen auseinander anstatt sinnvolle Kompromisse zu erarbeiten.

 

AlexBenesch
AlexBenesch
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