spot_img

Das wahre Leben in Putins Russland: Teil 1 – Soldaten

Datum:

Russian_soldier-640

Alexander Benesch

Aus Unwissenheit und verleitet von Moskaus Agenten und von Naivlingen, setzen Europäer zunehmend Hoffnungen auf die russische Föderation unter Präsident Putin und dem Netz aus Oligarchen, das ihn umgibt. In diese Serie erfahren Sie, wie Ihr Leben aussehen würde unter der Herrschaft von Russlands Elite. Informationen über heikle Fälle und sensible Bereiche in Russland zu sammeln, ist extrem schwierig und lebensgefährlich. Während in den USA Fernsehmoderatoren wie John Stewart eine ganze Karriere machten aus gerechtfertigten Attacken und Beleidigungen gegen die Bush-Administration, ist so etwas undenkbar unter dem russischen Bush-Klon namens Putin.

Der Propaganda zufolge sei Russlands Politik und Militärdoktrin irgendwie „gerechter“ und „besser“ als die der NATO-Länder. Dabei konnte sich Russland größere Militäraktionen abseits zweier brutaler Tschetschenienkriege einfach nur nicht leisten. Der Grund, weshalb Russland „nur“ 25 Militärbasen in neun ehemaligen Sowjetrepubliken unterhält, sind die hohen Kosten. Die Verteidigungsausgaben waren bei Amtsantritt Putins von 142 Milliarden US-Dollar auf 4 Milliarden US-Dollar zurückgegangen, ein Rückgang um 98 Prozent. Was nicht zuletzt daran lag, dass die alten KGB-Kader und KPdSU-Funktionäre wie Putin nach 1989 alles zusammengestohlen und ins Ausland verschachert hatten, sodass das Leben überall zusammenbrach.

Die für ihre investigative journalistische Tätigkeit erschossene Anna Politkowskaja zeigte beispielsweise die Zustände auf, denen die jungen Männer im russischen Militär ausgesetzt sind. In Russland gilt gesetzlich eine allgemeine Wehrpflicht; die Dienstdauer beträgt gegenwärtig 12 Monate. Für 2006 wird die Truppenstärke mit 1.037.000 Mann angegeben. Früher wurden wehrpflichtige Soldaten (fast ausschließlich Heeresangehörige) auch in internen Kriegseinsätzen verwendet. So starben tausende von meist schlecht ausgebildeten und ineffektiv eingesetzten russischen Wehrpflichtigen in den beiden Tschetschenienkriegen.

Die russische Militärstaatsanwaltschaft gestand für das Jahr 2005 alleine offiziell 139.000 Straftaten innerhalb der Armee ein. Es seien 6.000 Soldaten wegen Misshandlung verletzt worden. Im Jahr 2006 wären 6.700 Rekruten von Vorgesetzten misshandelt worden, wovon 33 offiziell starben an den Folgen. Das Problem mit diesen offiziellen Zahlen ist, dass sie mit der Realität nicht viel gemeinsam haben und nicht die Zustände in der Truppe widerspiegeln. Es gibt keine Stelle an die sich misshandelte oder eingeschüchterte Soldaten wenden können. Gäbe es faire Prozesse gegen die verkommenen Offiziere, würde wohl nach und nach das Militär zusammenbrechen.

Hunderte Jahre Unterdrückung haben es nicht ganz geschafft, die Anständigen im Land physisch und psychisch zu zerstören. Überall werden junge Männer, deren arme Familien gerade noch so ihre Menschlichkeit und Wärme bewahrt haben, eingezogen und behandelt wie Feinde oder Häftlinge.

Die russische Armee ist immer eine tragende Säule des Staates gewesen. Bis zum heutigen Tag ist sie zum Großteil eine Art Gefangenenlager hinter Stacheldraht, wo die jungen Männer hilflos eingesperrt sind. Dort herrschen Regeln wie im Gefängnis, Rekruten und Gefreite werden standardmäßig in ihrer „Ausbildung“ verprügelt. Diese Behandlung hatte Präsident Putin seiner Erklärung zufolge, als er das Amt begann, eigentlich für die Feinde Russlands angedacht. Putins Töchter werden niemals in dieser Armee dienen müssen. Genausowenig wie die Söhne betuchter Russen, die einfach Schmiergeld an die zuständige Behörde zahlen.

Zivilbehörden haben keine Kontrolle über das, was im Militär geschieht. Reporter die darüber berichten und die Gesichter und Einzelschicksale hinter den gefälschten Statistiken zeigen, leben gefährlich. Hinter den Mauern und Zäunen von Kasernen ist ein Gefreiter nichts wert und darf von Offizieren nach Belieben misshandelt oder um ihren Sold betrogen werden. Wer sich wehrt oder desertiert, riskiert wie 500 Soldaten alleine im Jahr 2002, totgeschlagen zu werden. Häufig leisten die neuen Rekruten gar keinen Soldatendienst, sondern werden von ihren Vorgesetzten als Sklavenarbeiter für alle möglichen Arten von Arbeit vermietet. Das Geld geht nur an den Offizier, der Soldat wird abgespeist mit schlechtester Magerkost. Ein Whistleblower und Ex-Major erklärte 2011, dass aus Geldmangel tatsächlich Hundefutter an die Soldaten des Innenministeriums ausgegeben wurde. Inspekteure fanden anderswo in den Soldatenküchen und Essenslagern Schimmel, Rattenexkremente und Zecken.

Putin gab der Armee carte blanche als er im Amt erschien und erhielt im Gegenzug die Unterstützung der Armee. Söhne aus armen Familien melden sich meist nur deshalb an den Offiziersschulen, um dort irgendeinen Abschluss machen zu können. Sie tauchen hinterher nicht bei den Garnisonen auf, sondern schicken gefälschte ärztliche Atteste, laut denen sie urplötzlich erkrankt und nicht mehr verwendungsfähig für das Militär seien. Wer wollte schon kämpfen im zweiten tschetschenischen Krieg unter Generälen wie Wladimir Schamanow, der am Liebsten alle Tschetschenen umbringen wollte und für Putins Regime regelmäßig im Fernsehen auftrat. Nicht nur der Feind und die Zivilisten wurden wie Dreck behandelt, auch die eigenen Soldaten. Nicht selten verkauften die Offiziere sogar Waffen an den Feind, um ihre private Kasse aufzubessern.

Leutnant Pavel Levurda starb zu Beginn des zweiten tschetschenischen Kriegs. Er schrieb nach Hause:

„Unsere Verluste sind erschütternd. Alle Offiziere in meiner Kompanie sind außer Gefecht gesetzt worden. Der kommandierende Offizier dieser Einheit vor mir war von einer unserer eigenen Sprengfallen getötet worden. Als ich zu meinem Vorgesetzten ging, griff er sein Gewehr und schoss ein paar Zentimeter von mir in den Boden. Es war pures Glück dass ich nicht getroffen wurde. Alle lachten. […] Wir alle schlafen in einem Zelt am Boden. Da ist ein Meer aus Läusen. Was wir zu essen bekommen, ist Dreck.“

Die meisten der zurückgelassenen Soldaten waren verwundet, aber noch am Leben. Die Zivilisten aus der Gegend versuchten, notdürftig zu helfen, aber es gab keine Ärzte, keine Krankenschwestern, kein Material, nichts.

Immer wieder drehen Soldaten durch und schießen um sich.

Am 8. September 2002 entschieden sich 54 Soldaten einer motorisierten Infanteriedivission in der Volgograd-Provinz, dass sie lieber das Risiko der Fahnenflucht eingehen, anstatt noch einen Tag länger misshandelt zu werden. Wenn gelangweilte Offiziere zuviel Wodka trinken, werden sie aggressiv und kommen auf dumme Gedanken. Man befahl eine erste Gruppe an Soldaten ins Offizierszelt und verprügelte diese mit Spaten, trat sie bis sie innere Verletzungen hatten. Dann machten sie Pause. Die nächsten Gruppen tauchten gar nicht erst auf.

Mischa Nokolaev aus der Moskauer Provinz wurde sehr zun Schrecken seiner Familie an die Kurillen-Inseln versetzt. Er begann nach einer Weile wegen der Magelernährung und toxischen Stoffe am ganzen Körper zu verrotten wie ein Zombie. Selbst als er überall eiternde Stellen hatte, musste er weiter als Koch seiner Einheit dienen. Dieser russische Soldat erhielt im 21. Jahrhundert keinerlei medizinische Behandlung und verstarb.

Dmitri Kiselew dachte, er hatte Glück als er in der Nähe seiner Moskauer Heimat stationiert wurde. Dummerweise vemietete sein Kommendant die Soldaten in der Umgebung als Sklavenarbeiter. Er starb mit anderen Soldaten beim Ausheben einer Grube für ein Bauprojekt, als ohne Sicherheitsmechanismen die Wände der Grube kollabierten.

In Tscheteschenien weigerte sich ein Soldat, seinen Wachposten zu verlassen um Wodka für die Unteroffiziere zu stehlen. Man verprügelte und erniedrigte ihn bis fünf Uhr Morgens, worauf er sich erhängte.

Auch Offiziere sind in Gefahr durch ihre Vorgesetzten, die permanent Aufzeichnungen fälschen um ihre eigenen Fehlleistungen zu kaschieren. Die rund 1000 Generäle sind die Aristokratie in dem kranken System. Ihre Erwartung ist, dass sie ab einem gewissen Alter nach Moskau in die hohe Politik rüberwechseln.

AlexBenesch
AlexBenesch
Senden Sie uns finanzielle Unterstützung an: IBAN: DE47 7605 0101 0011 7082 52 SWIFT-BIC: SSKNDE77 Spenden mit Paypal an folgende Email-Adresse: [email protected]
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img

Related articles

Geheimdienste sollen verdeckte russische Finanzierung für Politiker in Europa aufgedeckt haben

Kommentar "Voice of Europe" schien wie eine typische, pro-russische Nachrichtenseite im Internet mit entsprechenden Beiträgen und Interviews mit europäischen...

Recentr LIVE (26.03.24) ab 19 Uhr: Dunkelfeld

Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Menschen die falschesten Vorstellungen von den drei Supermächten besitzen. https://youtu.be/Q87IgKxwsQo

Islamischer vs. westlicher Globalismus

Propaganda aus der muslimischen Welt enthält viele Elemente, die auch westliche Sozialisten verwenden, und solche, die bei westlichen...

ISIS-K ist Russlands nächstes Problem

Kommentar Russland unter den Zaren träumte davon, das ottomanisch-islamische Kalifat zu zerstören und zu übernehmen. In der sowjetischen Phase...