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Rezension von Die Tribute von Panem – Catching Fire

Datum:

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Von Alexander Benesch

Ein zweieinhalb Stunden langer, schwerer Hollywood-Film ohne Humor über tyrannische Gladiatorenspiele in einem futuristischen Terrorregime wird zum Hit in der Publikums-Zielgruppe von 14 bis 25 Jahren?

Die Ironie funktioniert auf mehreren Ebenen: Einerseits sind Gut und Böse deutlich gezeichnet und die moralische Botschaft zieht sich konstant durch die gesamte Laufzeit. Auf der anderen Seite zieht es das Publikum ja gerade auch deshalb ins Kino, weil man junge sexy Charaktere sehen will, die gegeneinander in der Arena mit allen möglichen Waffen antreten. Man fühlt sich selbst ein bisschen schuldig im Kinosessel, wenn man nach den ersten 90 Minuten des Films immer noch keine Actionszene gesehen hat und nach all den Dialogen endlich welche sehen will.

Die Hälfte der Gladiatoren sind Psychopathen, deren Ableben man nicht betrauert. Wenn es dann einen erwischt, ist es in kurzen Augenblicken vorbei, was einerseits geschmackvoller ist als die Tötungsszenen in Filmen wie Battle Royale oder Running Man, andererseits dem Studio eine niedrigere Altersfreigabe eingebracht hat, wodurch wieder mehr Kinder die Gewalt in Catching Fire sehen können. Verzwickt, nicht wahr?

Die Gesichter der Schaupieler Jennifer Lawrence und Josh Hutcherson zieren die Werbeanzeigen zahlreicher Kampagnen für Dinge wie Subway Sandwiches und andere Subway Snacks, obwohl ihre Filmfiguren eigentlich aus der hungernden Unterschicht stammen und die „Hunger Games“ kämpfen müssen. Warum keine Aktion á la „50 Cent $ pro Sandwich oder Packung Wavy Chips geht an Afrika“? Als nächstes ist sogar ein Vergnügungspark geplant. Bringen sie ihre Kinder mit!

Abseits von all diesem Hollywood-Bullshit muss der Film natürlich für sich losgelöst betrachtet werden. Nach dem ersten Teil der Filmreihe ist die Protagonistin Katniss Everdeen mit ihrem Freund Peeta Mellark nicht nur ein gefeiertes Siegerpärchen der Hungerspiele, sondern eine ernsthafte Bedrohung für das Regime. Der Versuch des Diktators, die beiden per Zwang zu einem Liebespar zu erklären und auf Promo-Tour durch die verschiedenen Distrikte zu schicken, geht schief. Überall gilt Catniss als Symbol des Widerstands. Und sie hat echte Freunde unter den ehemaligen Siegern.

Präsident Snow lässt folglich die vergangenen Gewinner gegeneinander antreten und möchte den Spielverlauf manipulieren, damit das Publikum sieht, wie die Heldin Catniss ihre Freunde umbringt und ihren Nimbus verliert.

Wäre Catching Fire ein Schwarzenegger-Film, wäre der Plot in rund 90 Minuten durchgeackert gewesen. Stattdessen dauert das Ganze 146 Minuten, um dem Wichtigsten Raum zu geben, den Charakteren. Oh, wie werden sie durch die Mangel genommen und gequält, allen voran Katniss Everdeen. Die Emos im Publikum werden begeistert sein. Es handelt sich also weniger um einen Actionfilm, sondern um ein Charakter-Epos mit kurzen Actioneinlagen und Horror-Elementen.

Diejenigen, die dem Widerstand angehören, sind alle psychologisch im Normbereich. Das Regime sind fast ausschließlich narzisstische und psychopathische Figuren. Dies ist nicht einfach nur eine simple Gut-Böse-Darstellung, sondern eine völlig realistische Sichtweise.

Die Schauspieler sind fast durchweg gut bis sehr gut, Jennifer Lawrence ist die perfekte Heroine. Josh Hutcherson ist blass, Hemsworth auch. Woody Harrelson mit seinem Kurt Cobain-Look eindimensional. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen vor allem die Darsteller anderer Gladiatoren. Donald Sutherland als Diktator ist wie erwartet brilliant. Mit seinem Rauschebart erinnert er sowohl an die berüchtigen Sozialisten der Vergangenheit, als auch an die Kaiser Roms. Seine Behausung ist die eines Adeligen der letzten Jahrhunderte, nicht die technologisierte, iPhone-artige Umgebung der Oberschicht. Der TV-Moderator der Hungerspiele ist wie Jimmy Savile.

Der Look des Films ist besser als im ersten Teil, wenngleich auch zuviele Einstellungen mit langen Brennweiten und viel Kamerabewegung gedreht und mit schnellen Schnitten verbunden wurden. Sie wissen schon: Alles unscharf bis auf die Charaktere im Fokus und kaum eine Übersicht, wer und was sich gerade wo befindet. Bei den riesigen Kinoleinwänden werden sie seekrank davon. Auch bei ruhigeren Szenen würde man gerne alles scharf sehen, nicht nur eine Ebene.

Wie um alles in der Welt wurde eine große Produktion wie diese noch auf altbackenem 35mm-Film gedreht? Man bekommt zwar in den großen Kinos eine digitale Kopie präsentiert, aber die Schärfe des Bildes entspricht dem Look der letzten Jahrzehnte. Warum nicht in digital oder gleich in 3D? Stattdessen bekommt man in ausgewählten Kinos die 4DX-Präsentation mit „Wind, Wasserbesprühung und Geruchseffekten“. Sich anspucken und anstinken lassen? Smell-o-Vision statt 3D?

Zum Glück sind das Drehbuch die Charaktere so gelungen.

AlexBenesch
AlexBenesch
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