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Greenpeace-Aktivisten in russischer Haft lösen internationale Krise aus, Gazprom will die Machtprobe

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Alexander Benesch

Es schien im Vorfeld wie eine Aktion, die in ähnlicher Form auf der Welt schon oft von Greenpeace-Aktivisten und begleitenden Reportern durchgeführt wurde: Die Besetzung einer russischen Bohrinsel in der Arktis, um gegen die Ölförderung zu protestieren und internationale Aufmerksamkeit zu erregen.

Immerhin, so Greenpeace, verursache Russland die Hälfte der Ölkatastrophen weltweit, 30 Millionen Barrell pro Jahr gingen einfach ins Meer. Das entspricht der sechsfachen Menge des Desasters am Golf von Mexiko im Jahr 2010. Seit über 30 Jahren protestiert Greenpeace in Russland, mal gegen Walfang, mal gegen Atomtests. Die Beziehungen zu den russischen Behörden waren traditionell gelassen. Es gab vor der Ölplattform-Aktion keine besonderen Warnungen. Dieses Mal endete jedoch alles anders. Bei dem Versuch, auf die Prirazlomnaya-Plattform des Gazprom-Konzerns zu klettern, wurde das Schiff unter dem amerikanischen Kapitän Peter Willcox gestürmt und die Besatzung verhaftet.

Die Bedingungen der Untersuchungshaft sind typisch für Russland und für die Behandlung von all jenen, die der Obrigkeit missfallen. Die Niederländerin Faiza Oulahsen klagt in einem Brief über Ratten in ihrer schmutzigen Zelle. Die Britin Alexandra Harris spricht von dem eiskalten Wind eines Schneesturms, der in ihre Zelle eindringt. Trotz ernster Bauchschmerzen und dem Besuch eines britischen Diplomaten sah sie keinen Arzt. Die Anklage lautet auf Piraterie, die Strafe läge bei 10 bis 15 Jahren Haft. Weitere Anklagepunkte, wie Sachbeschädigung und die Gefährdung von Menschenleben, können je nach Gutdünken der Behörden draufgepackt werden um, falls gewünscht, die Greenpeace-Aktivisten für Jahrzehnte im schmutzigen, rattenverseuchten und kalten Kerker schmoren zu lassen, damit der Welt die Macht des Gazprom-Konzerns demonstriert wird. Das Gericht von Oktyabrsky, vor dem immer noch eine Lenin-Statue steht, lehnte in allen Fällen eine Freilassung auf Kaution ab, obwohl die 30 Ausländer wohl kaum so einfach türmen könnten.

Am Freitag verschaffte sich außerdem ein Trupp maskierter Kommandos Zugang zu dem russischen Greenpeace-Büro in Murmansk, in der Nähe von Moskau.

Internationale Krise

Unter anderem die deutsche Kanzlerin Merkel schaltete sich ein, die Niederlande strengen gar gerichtliche Maßnahmen an gegen Russland. Elf Friedensnobelpreisträger sandten einen offenen Brief an den Präsidenten Putin. Die russischen Behörden versuchen inzwischen, Putin von der Sache abzuschirmen, um sein mühevoll durch Propaganda in der Welt aufgebautes Image nicht zu gefährden. Er sei nicht der „Zuständige“, nicht der „Ansprechpartner“.

Am Mittwoch bestellte der niederländische Premierminister Mark Rutte den russischen Botschafter in Den Haag ein, um eine Attacke auf einen niederländischen Diplomaten in Moskau zu erklären. Unbekannte hatten sich fälschlich als Elektriker identifiziert und den Mann Zuhause angegriffen. Ein russischer Diplomat war wiederum in De Haag festgehalten worden und soll laut Russland misshandelt worden sein. Rutte nannte den Vorfall in Moskau „sehr ernst“ und die Vereinigten Staaten verurteilte ebenfalls die Attacke über ihren Botschafter Michael McFaul. Weitere staatliche Vertreter und Prominente äußerten sich über die Verhaftung der Greenpeace-Aktivisten.

Rohstoffkrieg

Gazprom wollte ein hartes Signal setzen, denn die Exporte nach Europa sind ein unverzichtbarer Pfeiler der russischen Wirtschaft und des Vermögens der Milliardärs-Clique, die Russland beherrscht. Die Arktis und Europa gehören nach Vorstellung der real weiterexistierenden Sowjetunion beide Russland.

Greenpeace ist bekannt für Aktionen gegen westliche Konzerne wie das britische BP oder niederländische Shell. Wer Greenpeace kritisiert, bekommt meist den Gegenvorwurf zu hören, von der großen Ölindustrie bezahlt zu werden. Donna Laframboise dokumentierte jedoch, wie der Aufstieg der grünen gemeinnützigen Organisationen ausgrechnet mit Geld von Öl-Multis zustande kam. Der Ex-Präsident von Shell, John Loudon, wurde später Präsident des World Wildlife Fund for Nature (WWF) der von Prinz Bernhard der niederländischen Krone geschaffen wurde. Greenpeace erhielt zweistellige Millionenbeiträge von der Rockefeller Brothers Foundation, dem Rockefeller Family Fund und der Rockefeller Foundation. Der Dynastie gehört u.a. Exxon Mobil.

Shell, BP, Chevron und ExxonMobil versuchten vor Jahren in Russland Fuß zu fassen, investierten großzügige Milliardensummen in die russische Infrastruktur und wurden hinterher ausgebootet von ehemaligen KGB- und KPdSU-Kadern, die zu Multimilliardären aufstiegen. Der Russland-Kenner Jürgen Roth schreibt in seinem Buch „Gazprom – Das unheimliche Imperium“:

Unter massivem Druck musste im Sommer 2007 der britische Ölkonzern BP seine Mehrheitsbeteiligung am ostsibirischen Erdgasfeld Kowykta an Gazprom abgeben. Und zwar weit unter Wert. „Für die Anteile von BP zahlte Gazprom 900 Millionen Dollar, obwohl der Wert auf zwischen zwei bis 3,2 Milliarden Dollar geschätzt wurde.“

Im September 2006 wurde der Royal Dutch Shell die Umweltlizenz für das Sachalin-2-Gasfeld entzogen und dem Konsortium eine Strafe von 30 Milliarden US-Dollar angedroht, sollte es seine Mehrheitsanteile nicht an Gazprom übergeben. Nachdem die Kontrollmehrheit an Gazprom abgegeben wurde, erklärte Wladiomir Putin, Minuten nach der Unterzeichnung des Vertrags, dass es keine Umweltprobleme mehr gebe und die Regierung nun im vollen Umfang das Projekt unterstütze.

[…]

Ähnlich erging es den US-amerikanischen Konzernen ExxonMobil und Chevron. Entgegen einer Vereinbarung aus dem Jahr 1993, wonach die beiden Konzerne einen wichtigen Anteil des Sachalin-Feldes zur Erschließung erhalten hatten, mussten sie ihre Anteile 2006 an Gazprom und den Staatskonzern Rosneft übergeben. 2007 wurde ExxonMobil gezwungen, das von dem Konzern geförderte Naturgas nur über Gazprom nach China zu verkaufen. Und die Preise bestimmt Gazprom. In allen Fällen wurde die hochentwickelte technische Ausrüstung der ausländischen Konzerne mehr oder weniger preisgünstig erworben – aber danach herrschte Stillstand. Denn Gazprom fehlten die finanziellen und technologischen Möglichkeiten, um die technischen Standards einzuhalten, so zumindest sehen es Experten der GAs- und Ölindustrie aus dem Westen. Ein Beispiel dafür war am 18. Dezember 2011 zu beobachten. Da zerbrach 10.000 Kilometer von Moskau entfernt im Nord-Pazifik vpor der Insel Sachalin aufgrund eines heftigen Sturms und sechs Meter hoher Wellen eine kleine schwimmende Ölplattform, die Gazflot gehörte, einem Tochterunternehmen von Gazprom. Die schwimmende Bohrinsel war am Stahltau eines Schleppers von der Halbinsel Kamtschaka zur Insel Sachalin unterwegs . In weniger als dreißig Minuten versank die Plattform. Von den 67 Arbeitern konnten nur vierzehn Crew-Mitglieder aus dem eiskalten Wasser geborgen werden.

„Umweltschützer hatten zudem geklagt, ass dass die Kolskaja-Plattform illegal genutzt wurde und dass Gazprom im Fall eines Ölunfalls nicht das technologische Wissen habe, um bei einer Umweltkatastrophe das verletzbare Ökosystem zu schützenn.“

Die Bürger Russlands glauben nun überwiegend, dass die verhafteten Greenpeace-Aktivisten von westlichen Ölkonzernen bezahlt wurden um Russland zu schaden. Die Meinung wird geäußert, dass jene 30 Menschen „erschossen oder ins Lager verfrachtet“ werden sollen. Der Staat kontrolliert in Russland rigoros die Medien. Alexander Prochanow, einer der Ideologen von Putin, bedauert dass man „die Hunde nicht in die Luft gesprengt hat, so d
ass von ihnen keine Spur bleibt“.

Der Konzern Gazprom wolle nicht nur Greenpeace treffen, sondern auch die EU, einen der wichtigsten Kunden des Russengases. In Europa gab es immer wieder Ermittlungen gegen russische Vertreter aus der Wirtschaft. Razzien förderten interessantes Material zu Tage, wie etwa über den Oligarchen Oleg Deripaska, der sich blendend versteht mit österreichischen und deutschen Politikern. Zu diesem Zweck durchsuchte die Staatsanwaltschaft das Büro des deutschen Top-Managers Klaus Mangold, der im russischen Honorarkonsulat und für die Rothschildbank arbeitet.

Der Regierung in Den Haag gehen die aktuellen Entwicklungen zu weit. Außenminister Frans Timmermans lässt eine Klageschrift für den Internationalen Seegerichtshof in Hamburg schreiben. Der ist zuständig, weil die Russen das Schiff weit vor ihrer Küste, in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone, aufgebracht haben. Dort hat Moskau nur stark eingeschränkte Souveränitätsrechte.

AlexBenesch
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