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Gibt es diese Woche die Erstürmung des "Königreich Deutschlands"?

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Ein Kommentar von Alexander Benesch

Selbst die BILD-Zeitung, große Fernsehsender und die amerikanischen Dokufilmer von VICE berichten inzwischen im großen Stil über den selbsternannten „obersten Souverän“ des kleinen Fantasiestaates „Königreich Deutschland“ in Wittenberg. Die Geschehnisse um den gelernten Koch und Esoteriker Peter Fitzek haben alles was eine gute Story ausmacht: Ein hoher Lachfaktor während die Staats-Spieler das Ganze todernst nehmen, einen Guru auf Mission kosmischen Ausmaßes und genug Unterhaltungswert, dass überall in Deutschland die Artikel von den BILD-Lesern an Kollegen weitergereicht werden und man sich vostellt, wie cool das doch wäre, „wenn ich König von Deutschland wär“.

Die Behörden behandeln die Angelegenheit längst mit dem nötigen Ernst, da Fitzek rund 3500 Anhänger gefunden hat und laut eigenen Angaben sowie laut Medienberichten Millionen an Euros eingenommen und wieder ausgegeben hat.

Gerade inmitten der Wirtschaftskrise besteht die berechtigte Sorge auf Seiten der Behörden der Bundesrepublik, dass noch viele weitere Figuren ihre eigenen kleinen Reiche und Parallelgesellschaften aufbauen. Wir haben bereits ein riesen Problem mit türkischen geschlossenen Welten mitten in der Bundesrepublik, die ihren eigenen unfreien Gesetzen per Gewalt Gültigkeit verleihen.

Auch gibt es überall ultrarechte Ideologen, die sich zum „komissarischen Reichskanzler des Deutschen Reiches erklären“, dazu noch Horden an Leuten, die sich selbst zur „staatlichen Selbstverwaltung“ oder zur „natürlichen Person“ ausrufen, sowie unzählige Sekten und Gemeinschaften wie etwa die Gruppe „12 Stämme“.

Die Vorstellung wird immer beliebter, sich irgendwo in eine Kommune zurückzuziehen und die Welt da draußen die Welt da draußen sein zu lassen. Dummerweise versteht aber kaum einer, warum die kleine Kommune sehr schnell eine verschärfte Mini-Version der Welt da draußen wird. Die Bundesrepublik wird nicht dadurch besser, wenn man neben ihr kleine tyrannische Sekten und Betrüger betrachtet. Umgekehrt werden die Sektenführer und Betrüger nicht dadurch besser, dass man auf die negativen Aspekte der Bundesrepublik deutet. Wenn jemand unter die Räder der Behörden gerät, fragt sich kaum jemand, wie diese Person selber agieren würde, wenn sie die Exekutivmacht besäße.

In einem neuen Dokumentarprogramm von VICE erfahren wir mehr über Fitzek: Wie seine Mutter unter einer Behinderung litt und er als Kind ständig gehänselt wurde. Über einen Vater erfahren wir gar nichts. Als Reaktion antwortete er mit Prügel und Gewalt auf die Worte der anderen, bis hin zur „vorsorglichen“ Prügelei, damit erst gar keine weiteren Beleidigungen mehr in seine Richtungen kommen. Bei diesen Worten leuchtet sein Gesicht auf. So hätte er „gelernt, andere durch Angst zu kontrollieren“. Vor laufender Kamera merkt er nach diesen Worten blitzschnell, dass er zuviel preigegeben hat und versucht eine mehr oder minder elegante Ablenkung: Diese Kontrolle durch Angst sei ja leider in der Welt gang und gäbe, also hätte er sich von diesen Methoden abgewandt und danach mit „anderen“ Methoden gearbeitet.

Außerdem hätte er zurückgezogen seine „eigene Realität“ gestaltet. Das Feld der Esoterik lieferte dafür noch den nötigen sakralen und ideologischen Unterbau. Selbst eine schwere Schulterverletzung mit beschädigten Bändern hätte er selbst wieder hinbekommen. Auch diese Sache mit Behinderungen sei „steuerbar“. Hat also seiner Auffassung nach die Mutter versagt? War sie selbst schuld an der Behinderung weil sie „falsch“ gedacht und böse Schwingungen kosmisch angezogen hat? War sie deshalb verantwortlich für Peterchens missratene Kindheit? Leider hakt hier der VICE-Reporter nicht näher nach.

Narzisstische Persönlichkeiten haben oft solche Kindheiten. Hans Joachim Maaz, lange Zeit Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Diakoniekrankenhauses Halle, schreibt in seinem Buch „Die narzisstische Gesellschaft“:

„Weil der pathologische Narzissmus eine bestimmte Abwehrform frühen Liebes- und Bestätigungsmangels ist, müssen alle realen Beziehungsformen eine Schutzfunktion gegen den frühen Schmerz erfüllen. Der Größenselbst-Narzisst muss immer Sieger sein, dominieren und gewinnen, er braucht Selbstdarstellung, Prahlerei, Übertreibungen von Leistungen und Fähigekeiten, er muss brillieren und sich gegenüber der Konkurrenz behaupten, er will Anführer sein und den Ton angeben (auch wenn die Kompetenz dafür nicht vorhanden ist). Auf der anderen Seite möchte er auf keinen Fall kritisiert und belehrt werden, er kann keine Fehler zugeben und keine Schwäche zulassen.“

Zu der übertriebenen Selbsteinschätzung kommt das Denken, über allen Gesetzen zu stehen. Der Graben zwischen Fantasie und der Realität muss immer beobachtet werden, er darf nicht allzugroß werden sonst kollabiert das ganze Konstrukt. Dies erfordert eine enorme geistige Anspannung und Kontrolle von Gefühlsregungen. Fitzek betont natürlich bei VICE, er habe jederzeit alle seine Gefühle „unter Kontrolle“.

Er braucht einen konstanten Strom an Bewunderung, Gefürchtet-werden, Geld, Dienste oder Neid anderer wie die Luft zum Atmen. Es ist unerträglich für solche Menschen, Forderungen von „normalen“ Menschen auf Augenhöhe oder von oben herab gestellt zu bekommen. Dies zieht sich durch alle Schriftwechsel Fitzeks mit den Behörden. Immer ausschweifender wurde die Eigendarstellung, je mehr Geld er von gutgläubigen Anhängern eingesammelt hatte: Ich bin ein Staatsoberhaupt, Sie können mir gar nichts. Ich lasse mich vielleicht gerade noch herab, mich mit einem hohen Abgesandten von ihrer Seite zu treffen wenn derjenige mich behandelt wie ein Staatsoberhaupt und sich seines Standes gemäß behandeln lässt. Fitzek spricht seit einer Weile nur noch im Pluralis Majestatis von „wir“ und „uns“, er unterschreibt seine Dokumente mit dem Titel „Imperator Fiduziar“.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ihm kürzlich das wohl letzte Ultimatum gegeben mit der Festsetzung von fast einer Milion Euro Strafzahlung für das Königreich Deutschland. Es ist nicht verboten, sich als „Souverän“ zu bezeichnen und sich Geld schenken zu lassen. Dennoch startete Fitzek immer mehr „Versicherungen“ oder „Hilfskassen“, „Ruhestandskass“ und sogar eine Bank. Eigentlich handelt es sich um Hochrisiko-Investments, denn man soll hierbei sein Geld dem „Reich“ überlassen und bekommt im Gegenzug vage Versprechungen mitsamt dem „Ausschluss von Rechtsansprüchen“ nach Recht der Bundesrepublik.

Mit dem eingenommenden Geld sollen allerhand tolle Dinge irgendwann möglich sein. Ob allerdings jemals kostendeckende und gewinnträchtige Unternehmungen dabei herausgekommen sind, ist höchst zweifelhaft. Stattdessen brauchte es immer mehr neue Anhänger die frisches Euro-Geld hineinstecken. Hinterher wird wohl feststellbar sein, ob es sich bei der Angelegenheit um eine Art Schneebalsystem gehandelt hat.

Die BaFin sagt, sie hätte per Gesetz das Recht und die Pflicht, die Fitzek-Anhänger vor deren eigener Dummheit zu schützen, auch gegen deren Willen. Fitzek behauptet, er hätte einen eigenen Staat und genügend BRD-Schlupflöcher ausgenutzt, dass ihm keiner was könnte und die BaFin nicht zuständig sei.

Nur wenn der „Souverän“ seine Bankgeschäfte und Versicherungsgeschäfte einstelle und Unterlagen herausrückt, würde von den Strafandrohungen in Millionenhöhe abgesehen, hieß es im September von Seiten der BaFin.
Die aktuelle Antwort Fitzeks an die BaFin liegt nun vor. Er klagt darin, dass nicht die gewünschte Anzahl an Menschen ihr Geld hergeben für sein Re
ich. Deshalb sei man gezwungen, „einige Tätgkeiten einzustellen, einzuschränken“. Der König hat über seine Verhältnisse gelebt.

„So werden Wir schon wenn sie diesen Brief erhalten das Objekt der „Staatskanzlei“ in der Pestalozzistraße 12 aufgegeben haben.“

Dieses Gebäude ist der Prunkbau des ganzen Reiches gewesen, ein kleiner Palast aus Glas und Stahl, während die anderen Gebäude und Grundstücke gammlig und stark renovierungsbedürftig sind.

„Auch das Gelände des ehemaligen Krankenhauses erscheint gegenwärtig (noch) als zu groß für lediglich 20 ständige Mitarbeiter und begrenzte finanzielle Ressourcen […]. Eine Verkleinerung scheint geboten.“

Es passt natürlich nicht zu seinem messianischen Selbstbild, dass er knapp bei Kasse ist, die Menschen ihn nicht für genial halten und er mangels Erfolg Zugeständnisse machen muss, also muss er, um sein verletzliches Ich zu schützen, davon ausgehen, an einer übermenschlichen Aufgabe und den „satanischen NWO-Eliten“ zu scheitern. Da braucht es ein Gott oder Halbgott, um die Menschen zu führen:

„Dazu wird wohl jemand erscheinen müssen, der sie anführt und sie motiviert ihm oder ihr zu folgen. Sicher kann dies nur jemand sein, der nahezu übermenschliche Fähigkeiten, denn wer folgt schon jemandem, der sich auf gleicher augenhöhe mit einem selbst befindet?“

Bisher machte sich Fitzek „nur“ zum obersten Souverän und Imperator Fiduziar. Hätte er mehr Erfolg gehabt mit seiner Masche, wäre er wohl als nächstes zum vollen König dann Kaiser und dann (auf dem Papier versteht sich) zum Gott geworden. Spätestens heute am Montag, den 7. Oktober, hätte er den Forderungen der BaFin Folge leisten müssen. Stattdessen erklärte er Folgendes:

„Wir werden Ihre Anordnungen, Zwangsgeldfestsetzungen und all Ihre anderen Versuche Uns zu disziplinieren und zu unterwerfen einfach ignorieren, weiter machen wie immer und auch zukünftige ungerechtfertigte sog. „Zwangsgeldfestsetzungen“, gleichgültig welcher Höhe als gegenstandslos werten und als irrelavante (sic) Willensäußerungen ignorieren, was sie auch sind.“

„…wissend, daß sie Unsere Konten in Polen nicht erreichen können.“

„Wir werden Uns gegenüber Ihnen nicht nochmals äußern und Uns schon gar nicht beugen.“

Damit sind wahrscheinlich alle Voraussetzungen geliefert für ein äußerst hartes Eingreifen der BaFin und Staatsanwaltschaften.

Was jetzt kommt

Die Behörden werden meiner persönlichen Einschätzung nach ihre angekündigten Strafgeldforderungen zusammenaddieren und eiskalt vollstrecken, notfalls mit Ersatzzwanghaft. Eine weitere Razzia wird alles beschlagnahmen was mit dem Königreich und Fitzek und dessen Strohmännern zu tun hat. Die zuständige Staatsanwaltschaft wird Verfahren beginnen wegen Verstoßes gegen die Gesetze über Versicherungs- und Bankgeschäfte, sowie wegen allem anderen was sich aus den Unterlagen und Ermittlungen ergibt. Geschäfte werden rückabgewickelt und eine Reihenfolge erstellt, welche Gläubiger zuerst etwas erhalten. Für die sog. Anleger wird es schwierig, auch nur einen Cent zurückzuerhalten. Die BaFin erklärte Fitzek immer wieder, dass wegen Ungültigkeit so mancher Vertragsklauseln er selbt persönlich haften werde für Ansprüche. Ist Fitzek pleite, sehen die Anleger nichts mehr. Möglich ist auch, dass für Fitzek eine MPU angeordnet wird. Die passende Rolle die er sich wählen könnte, ist die des Nelson Mandela oder Gandhi. Die weniger betroffenen Anhänger werden, sofern sie wegen den Folgen ihrer Fehler noch überhaupt dazu kommen, Kampagnen starten, Fitzek zum neuen Gustl Mollath küren und ihn als Märtyrer feiern.

AlexBenesch
AlexBenesch
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