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Rezension von "State of Mind: The Psychology of Control"

Datum:

Alexander Benesch

„State of Mind: The Psychology of Control“ von Regisseur James Lane klingt zumindest dem Titel nach wie der Dokumentarfilm, auf den man 17 Jahre lang eigentlich von Alex Jones gewartet hat. All die Jones-Klassiker über Terrorismus, Geld, Überwachung und ähnliche Themen haben es geschafft, unzählige Zuschauer zu überzeugen, dass „Crimes in high Places“ nicht nur in fremden Ländern oder längst vergangenen Zeiten die Norm waren. Die Tragweite des modernen Molochs zu realisieren wird traditionell mit dem etwas kitschigen Begriff „aufwachen“ beschrieben. Nur was soll eigentlich passieren nachdem man der naiven, stumpfen Traumwelt den Rücken gekehrt hat? Wie ticke ich selbst und wie funktionieren andere Menschen? Wie verwandle ich meine Schwächen in Stärken? Wie repariere ich die Schäden die das staatliche Erziehungssystem und andere Manipulationen an mir angerichtet haben? Wie werde ich effektiver, erfolgreicher und glücklicher? Für diese zentralen Fragen nach der Psyche gibt es in Alex Jones‘ Filmen und Radiosendungen erstaunlich wenig an Antworten.

Der neue Dokufilm „State of Mind: The Psychology of Control“ generierte im Vorfeld viel Aufmerksamkeit. Endlich ein modernes Werk über die Psyche. Dummerweise kam genau das heraus, was ich befürchtet hatte: Ein bemühter Film der das Alex Jones’sche Strickmuster kopiert, zu 99,9% auf äußere Dinge fokussiert ist und zu praktisch 0% auf die Innenwelt. Wenn sie zwei Stunden lang sprechende Leute und Videoclips sehen wollen, die ihnen erneut vermitteln, dass es dort draußen böse Menschen gibt die Böses tun und Individuen in tumbe Mitglieder einer Masse von Befehlsempfängern verwandeln, dann nur zu.

Meine Einschätzung ist, dass nur größtenteils unbedarfte Zuschauer sich den Film ansehen werden und etwas davon haben. Nach dem Herunterrattern von den üblichen Figuren und Themen wie Machiavelli, George Orwell, Aldous Huxley, MKULTRA und Edward Bernays folgt am Ende eine kurze, obligatorische Motivationsrede von Alex Jones, laut der der Zuschauer „aufwachen“ und „seinen Geist befreien“ und die „Menschheit retten“ müsse. Andere Gesichter betonen, dass man endlich „Fragen stellen“ soll und es nun an der Zeit sei, sich selbst verstehen zu lernen.

Dann ist der Film urplötzlich vorbei und der Zuschauer hat in 2 Stunden absolut nichts über sein eigenes Inneres, das Selbst gelernt. Hat sich niemand in der Konzeptphase, in der Skriptphase oder beim Schnitt des Films gefragt, was all die von außen angewandte „Psychologie der Kontrolle“ mit uns genau angestellt hat und wie wir unsere bestehenden Mängel beheben? Es reicht nicht, „aufzuwachen“, zukünftig „individueller“ sein zu wollen und „Fragen zu stellen“.

Die „Aufgewachten“ benutzen gerne Zitate aus dem esoterischen Actionfilm „Matrix“. Man erklärt, die „rote Pille“ genommen zu haben und „nicht mehr mit der Matrix verbunden zu sein“. Der unterhaltsame Sci-Fi-Schinken zeigt ironischerweise und unbeabsichtigt, was das Problem ist mit so vielen „Aufgewachten“: Sie wissen zwar nun, dass sie bislang böse manipuliert worden sind, haben aber unrealistische Vorstellungen davon, was sie jetzt eigentlich genau tun sollen: Der Hacker Neo darbt tagsüber in seinem langweiligen Job bei einer gierigen Softwarefirma und sucht nachts vor seinem Rechner sehnsüchtig nach der geheimnisvollen Kraft hinter den Dingen die ihn aus seinem Elend erlöst. Neo wird zwar nicht explizit als ein Waise präsentiert, man sieht aber nirgends seine Eltern. Im Mindesten sieht er in ihnen keine kompetenten Lehrmeister oder Vorbilder, eine Situation mit der sich viele identifizieren können. Soweit so realistisch. Dann kommt aber der esoterische Hollywood-Bullshit: Personen mit scheinbar magischen Kräften rekrutieren ihn über ein Fabelwesen (der weiße Hase wie im LSD-schwangeren Alice im Wunderland) prompt für ihre Guerilla-Truppe. Er muss eine ihm unbekannte Droge nehmen (in Form einer roten Pille) um seine Entschlossenheit zu demonstrieren, verfällt in Halluzinationen und landet in einer Parallelwelt die ihm als “Realität” verkauft wird. Neo werden Superkräfte beigebracht und die religiöse Ideologie obendrauf, er ist nämlich von einem Orakel als zurückkehrender Messias prophezeit worden der tatsächliche Wunder vollbringen werde. Erst als er den Wahn vollständig glaubt und bereitwillig eine Selbstmordmission anführt, gelingen ihm Wunder. Er wird erschossen, erlebt seine Wiederauferstehung von den Toten und triumphiert.

Der Mangel an psychologischem Wissen über das eigene Selbst ist auch der Ursprung aller leider zu oft wahren Stereotypen über „Verschwörungstheoretiker“ oder sektiererische „Truther“. Einige der „Aufgewachten“ haben von vorneherein überhaupt kein Interesse an einer Innenbeschau, weil es sie davor gruselt. Und so benutzen sie gerade all die nach außen gerichteten Analysen über Verbrechen anderer Leute als Ablenkung vom eigenen Selbst. Man hat bei „State of Mind: The Psychology of Control“ das Gefühl, selbst die Filmemacher wollen partout die Innenbeschau vermeiden.

So kommt am Ende dann ein Werk über Psychologie heraus, dass die Lehre von der eigenen Psyche total ausblendet und stattdessen auf ausgetretenen Pfaden wandelt. Viele Aufgewachte sehnen sich nach Methoden, sich selbst zu verbessern, glücklich und erfolgreicher zu werden, aber die klassischen New World Order-Filme und Radiosendungen können da nichts anbieten außer oberflächliche Motivations-Sätzchen.

Andere Filme und Bücher aus dem Genre haben nach all den üblichen Themen ein Schlusskapitel, in dem für esoterisch-religiöse Sektiererei geworben wird. Angeblich läge dort der Schlüssel zu Glück und Erfolg: Einfach die negativen Gedanken mit billigen Tricks verdrängen und sich in ein geschlossenes irrationales System einreihen, die ehrliche Selbstanalyse wird völlig vermieden oder nur sehr oberflächlich durchgeführt um seinem „Meister“ gegenüber zu erklären, dass man ja noch an der untersten Sprosse der Leiter der Erleuchtung steht. Die teuer verkauften und nutzlosen Methoden zur Selbstverbesserung sind übertrieben langes Meditieren, Wünschen, Auswendiglernen von erfundenen Namen und Geschichten sowie andere Rituale.

Wieder andere Aufgewachte wollen hingegen aktiv sein, am besten sofort und gleich und mit viel Eifer, jedoch ohne Plan. Sie denken, dass jeder andere Aufgewachte doch wie sie selbst sein müsste, altruistisch, zielstrebig und vernünftig. Nach einer Weile schmerzhafter Erfahrungen stellen sie fest, dass unter den Aufgewachten sich genausoviele Verrückte und Abzocker tummeln wie im geschmähten Mainstream. Wieso lehnen die Verrückten Logik weitestgehend ab? Warum benutzen sie Logik höchst selektiv? Wieso ist jemand ein Tyrann der eigentlich nur mit den etablierten Tyrannen tauschen will?

Hinterher, nach teuren Fiaskos, fragt sich der bemühte Aufgewachte: Warum hat mich bloß keiner gewarnt? Wie konnte ich nur solche Fehler machen obwohl ich doch soviel Zeit aufgewendet habe, um Informationen aufzunehmen? Antwort: Weil die Filmemacher und Artikelschreiber in der Regel auch die Innenbeschau vermeiden wie die Pest.

Andere Tummelplätze für aufgewachte Verdränger und psychologisch Unbedarfte sind politische Ideologien und diverse Religionen. Hier sehen wir dann auch häufig das altbekannte Muster zur Rekrutierung von Neulingen: Mit den üblichen, nach außen fokussierten Fakten über böse Leute und böse Dinge gewinnt man die Aufmerksamkeit. Hat man neue Interessierte am Haken, geht man von der Pflichtübung zur Kür über und vermittelt die eigentlichen sektiererischen Inhalte, die alles Mögliche versprechen was sie nicht halten können. Dieser Sumpf stellt mindestens 95% der gesamten Szene der „Verschwörunsgtheoretiker“ dar. Eine einzige zum Scheitern verurteilte Selbsthilfegruppe.

Wo sind die Hilfestellungen, um herauszufinden, was einen zu der Person gemacht hat die man ist, welche Fehlentwicklungen und falsche Entscheidungen man getroffen hat? Wo die Analysen, welche Fehler der Eltern, des Umfelds und natürlich auch welche Manipulationen durch Regierungen und Konzerne was mit mir angestellt haben? Wo sind die konkreten Anregungen, um nach der diagnostischen Phase therapeutische Maßnahmen zu ergreifen? Wo sind die Anleitungen zum Einschätzen derjeniger Personen, mit denen man Verträge, Partnerschaften oder sonst etwas eingeht? Weil dieses Wissen in der Verschwörerszene nicht vermittelt wird, wählen die „Aufgewachten“ die falschen Personen in Ämter, haben die falschen Freunde, die falschen Partner und die falschen Priester. Sie stehen sich selbst im Weg, sich gegenseitig im Weg und sind in der Regel nicht imstande, einen Hochstapler von einer ehrlichen Person zu unterscheiden.

Psychologie ist nicht nur ein Instrument in den Händen von Tyrannen zur Manipulation. Sie ist nicht einfach nur eine finstere Waffe. Viele betrachten sie aber als solche und sehen sich durch diese limitierte Sichtweise darin bestätigt, sie komplett zu verwerfen und auf ewig die längst notwendige psychische Inventur zu vermeiden. Die Leute nehmen ihre Dachschäden einfach mit wenn sie „aufwachen“, die Dachschäden sind nach wie vor da und steuern das Verhalten weit mehr als irgendwelche hochtrabenden Pläne und Ideologien.

„State of Mind: The Psychology of Control“ zeigt die Begrenztheit, die Barrieren der zeitgenössischen Aufklärer-Kultur. Ohne die konsequente eigene Weiterentwicklung werden auch „alternative“ Gruppen von Menschen von den gleichen Marotten und Störungen definiert wie der Mainstream.

AlexBenesch
AlexBenesch
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