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Alex Jones und Adam Kokesh debattieren Minimalstaatsrepublik vs. Anarchokapitalismus und Privatsrechtsordnung

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Ein Kommentar von Alexander Benesch

Hinter der Ankündigung des „Meilensteins einer Bürgerrechtsdebatte“ zwischen dem texanischen Radiogiganten Alex Jones und dem Irakkriegsveteran Adam Kokesh steckt genau die gleiche Auseinandersetzung zwischen dem Konzept einer minimalstaatlichen Verfassungsrepublik einerseits und dem Anarchokapitalismus bzw. der Privatrechtsordnung andererseits, die wir gegenwärtig führen auf RecentR.

Die Auseinandersetzung zwischen mir und dem Konzept von Hans-Hermann Hoppe finden sie unter den untenstehenden Links; sie ist weitaus tiefgreifender und weniger von Höflichkeiten gebremst als das Gespräch zwischen Jones und Kokesh.

Teil 1  Teil 2  Teil 3  Teil 4  Teil 5  Das Wesen des Bösen und die Politik

Kokesh wiederholt vor Millionen Zuhörern ganz einfach Punkt für Punkt exakt die Argumente von Hoppe, Rothbard, Molyneux und co. ohne das jedoch zu kennzeichnen. Er will weg von der Verfassungsrepublik und erklärt, selbst eine Bereinigung selbiger um kriminelle Individuen und eine Verkleinerung des Staatsapparates um 97% wären nicht gut genug. Seine Analogie: Man würde auch nicht 3% von einem Tumor im Patienten zurücklassen, weil der Krebs vollständig zurückwachsen würde. Sein Alternativmodell namens „Self Governance“ ist einfach eine Variante des Anarchokapitalismus, des Voluntarismus oder der Privatrechtsordnung á la Hoppe.

Im Gegensatz zu den reinen Volkswirtschaftlern, die es für eine gute Idee halten, jeden profitorientierten Unternehmer Polizei, Richter und Armee spielen zu lassen, versteht Kokesh immerhin etwas von Sicherheit, schließlich war er im Kampfeinsatz im Irak. Nichtsdestotrotz ist auch seine Sichtweise darüber limitiert, wie die realen Folgen einer Privatrechtsordnung aussehen würden. Für ihn wurden die Kämpfe und das Unrecht im Irak ja von Regierungen begangen, nicht von privaten Organisationen, obwohl doch die Übergänge in der realen Welt zwischen privaten Machtgruppen und Regierung fließend sind und man es in jedem Fall mit Menschen und ihren Waffen und ihren Moral Hazards zu tun hat. Für den AnCap (Anrchokapitalisten) ist per se immer der Staat schuld. Selbst bei kriminellen privaten Gruppen heißt es, der Staat sei eigentlich schuld und alles andere sei nur Ablenkung.

Alex Jones argumentiert korrekt, dass ohne klassische Form von einem amerikanischen Regierungssystem, das ein Monopol auf die Justiz hat, innerhalb von spätestens 3 Jahren das Land im Chaos versinken würde wegen all der verschiedenen Gruppen, die gegeneinander um Kontrolle kämpfen. Dschihadis, Neonazis, Kommunisten, Monarchisten, Kontrollfreaks und andere Verrückte hätten schließlich Richter, Polizisten, Armeen und jede Menge Ansprüche.

Kokesh erklärt lapidar im Hinblick auf den angeblich unrettbaren, unkontrollierbaren Staat, dass Macht korrumpiert, verpasst es jedoch, sofort klarzustellen dass in einer Privatrechtsordnung mit unterschiedlichsten profitorientierten Polizeien und Richtern das gleiche Problem auftaucht.

Eine Bundesregierung bzw. ein Staat ist wenigstens ein statisches Ziel für die Bemühungen der Bürger, Kriminalität und Korruption zu bekämpfen. Tausende Quasi-Mini-Regierungen und Warlords, die sich auch noch ständig verändern, wären hingegen ein Sack Flöhe und die wahre Büchse der Pandora.

Kokesh möchte zuerst der Bundesregierung die Macht entziehen und den einzelnen Bundesstaaten Kompetenzen zurückgeben. Darin stimmt auch Jones zu, aber seine Vorstellung entspricht der der Gründerväter: Bei einer korrupten, untragbaren Bundesregierung sollen die Bundestaaten gemäß der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung sich von der Union abspalten und zu einem späteren Zeitpunkt der Union wieder beitreten. Kokesh hingegen möchte den Bruch permanent halten und dann die einzelnen Bundestaaten wiederum zerbrechen und den Countys alle Kompetenzen einräumen. Der Bewusstseinswandel in der Bevölkerung sei genug, um Hinz und Kunz zu trauen, Justiz und Polizei zu spielen und nicht mehr das Recht des Stärkeren anzuwenden. Alex Jones wird zwar von dem Kriegsveteranen dafür gelobt, so viele Menschen über die Verbrechen der Regierung aufgeklärt zu haben, nun müsse aber der nächste Schritt getan werden, heißt es, nun müsse etwas anderes, besseres auf Alex‘ bisherige Arbeit folgen. Das was Alex jetzt tun solle, ist die Bewerbung des anarchokapitalistischen und privatrechtsgesellschaftlichen Konzepts. Fast äußert Kokesh eine direkte Warnung, eine direkte Kritik an seinem Gesprächspartner:

„Falls du [weiterhin] die Idee verbreitest, dass Demokratie oder die Verfassungsrepublik okay ist…“

An dem Punkt bremst er sich selbst; für den Zuhörer ist es aber nicht schwer zu verstehen, was der Rest des Satzes gewesen wäre: „…dann bist du Teil des Problems, dann stehst du der echten Revolution und mir im Weg, dann nährst du weiter das Grundübel, das Ur-Böse, den Krebs namens Staat.“

Normalerweise stört es Kokesh nicht, einen Lew Rockwell, oder James Yeager oder die Organisation Oath Keepers direkt zu beleidigen wenn diese ihm wie beim bewaffneten Marsch auf Washington nicht zustimmen, bei Alex Jones hingegen vermeidet er den direkten, typischen  Voluntaristen-Vorwurf: Selbst wenn du für den Minimalstaat bist, bist du immer noch ein Gewalt-Legitimierer und dadurch böse und Teil des Problems. Was hätten sie lieber, werter Leser? 97% von ihrem Geld und 99% Freiheit oder stattdessen das Luftschloss-100%-Frei-Fantasie-Experiment, das in tausenden neuen unfreien Staaten resultieren würde?

Einer von Kokeshs regelmäßigen Gästen, der sich selbst als „Philosophenkönig“ bezeichnende Guru Stefan Molyneux der jegliche politische Beteiligung als furchtbar bezeichnet, empfiehlt seinen Jüngern, sich von allen Menschen persönlich zu distanzieren, die sich nicht bekehren lassen zum Glauben an das Konzept des Nons-Staats, selbst wenn es sich um Familienangehörige handelt.

Anstatt offen die Bekehrung von Jones zu fordern, bricht er mittendrin ab und lobt stattdessen die Frühzeit der amerikanischen Kolonien, bevor die böse neue Bundesregierung mit ihrem „Fehler“ namens Verfassung kam und es verpasst hätte, die alte monarchische Regierung durch etwas „besseres“ zu ersetzen. Dies ist komplett übernommen von Hoppe und Co. und genauso falsch. Diese einseitige Darstellung und und die Behauptung, die amerikanische Republik hätte nie eine Chance besessen, unter Kontrolle gehalten werden zu können, ist 100% Hoppe oder Rothbard. Genauso wie andere AnCaps weicht er der Frage aus, wie denn in der Praxis innerhalb einer Privatrechtsgesellschaft zu verhindern wäre, dass überall Unfreiheit und Chaos entsteht:

„Die Leute wachen auf und lernen das Konzept von Self Government kennen, aber ich mache mir nicht allzuviele Gedanken darüber wie es letztendlich aussieht, was die genauen Funktionsmechanismen sind .“

Bei Hoppe hört sich das so an:

“Es wäre vermessen, die genaue Struktur der sich in einer Privatrechtsgesellschaft herausbildenden und entwickelnden ‘Sicherheitsindustrie’ voraussagen zu wollen.”

Niemand verlangt hellseherische Fähigkeiten, aber solche Statements zeigen den totalen Mangel an schlüssigen, realistischen Folgeabschätzungen. Die Bereinigung der Republik von Kriminellen und die Einschrumpfung des Regierungsapparates auf 3% des gegenwärtigen Niveaus wären laut Kokesh und den AnCaps nicht gut genug. Wie aber ihr System funktionieren soll, wissen sie nicht wirklich, sondern vertrauen auf „den neuen Menschen“ oder rein marktwirtschaftliche Prinzipien.

Auch finden wir den typischen Doppelstandard wieder. Bei Beamten und dem Staat spricht Kokesh durchweg von Verbrechern und Menschen die den Moral Hazards erliegen, bei seinem schwammigen Konzept von Self Governemnt hingegen von freien unabhängigen, wundervollen Menschen. Menschen sind aber Menschen, und die Moral Hazards immer die gleichen.

Viele von Ron Pauls Schriften deuten darauf hin, dass der mehrfache Kongressabgeordnete selbst ein Voluntarist ist und eine Privatrechtsgesellschaft bevorzugt. Die Verfassung sei untauglich, Regierungen immer schlecht, der freie Markt würde Dinge wie Justiz schon irgendwie besser regeln.

Seine Präsidentschaftskampagnen haben zwar viele Leute aufgeweckt und für liberale Ideen begeistert, nichtsdestotrotz haben die Menschen deshalb mehrere zehn Millionen Dollar an ihn gespendet, damit er tatsächlich alles daran setzt, die Nominierung der republikanischen Partei zu gewinnen. Gerade 2012 wurde deutlich, dass die Unterstützer allem Anschein nach getäuscht wurden: Frühzeitige Absprachen mit Mitt Romney, nur schwache Attacken gegen Romney, keinen Aufstand trotz Fälschungen bei den frühen Vorwahlen gegen Paul und, am allerdeutlichsten, keine echten Anstrengungen in dem wichtigen Bundestsstaat Kalifornien und seiner eigenen konservativen Heimat Texas.

Das Ergebnis war eine halbherzige, nicht konsequente Kampagne und der Aufbau einer Infrastruktur, die jetzt dem Sohn Rand zugute kommt, der sich über Libertäre lustig macht und sich als der neue Reagan vermarktet, welcher damals mit liberaler Rhetorik die Leute über seine antiliberale Politik hinwegtäuschte.

AlexBenesch
AlexBenesch
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