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Freiheit ist zu komplex für eine einzige theoretische Ebene und muss auf dem Boden der Realität betrachtet werden

Datum:

Alexander Benesch

Facebook-Nutzer stellten bei mir folgende stolze Behauptung auf:

„Funktionstauglichkeit ist ein irrelevanter Denkansatz, wenn es um Freiheit geht“.

Das klingt zunächst sinnfrei, schließlich sind wir alle echte Menschen die auf der Welt zurechtkommen müssen und nicht nur eine undefinierte Masse in den Gedanken eines Theoretikers. Weiter heißt es:

„Funktionstüchtigkeit als Grad des zu bevorzugenden Modelles zu erklären, nach der dann jedermann und jederfrau gezwungen werden darf, sich einzugliedern, ist ein faschistisch-totalitärer Denkzugang.“

Es klingt so, als wolle ein Theoretiker nicht, dass man seine Vorstellungen an der Realität misst und verwerfen könnte.

„Man trifft häufig auf Propganda, die behauptet, dass jener Zwang gut sei, der Menschen zwinge, dort mit zu machen, wo etwas funktioniert. So argumentieren leider auch Minimalstaazis gerne mit dem Begriff „funktionieren“. Der Begriff hat mit der Bedeutung von Freiheit aber nada zum tun. Freiheit schließt ein, dass Menschen freiwillig nach jenen Regeln leben dürfen, von denen andere behaupten, dass es nicht funktioniert.  Darum müsst ihr Libertären, falls ihr wirklich welche seid, wegkommen vom technischen und materialistischen Zugang zum Wort Freiheit, da seine immaterielle Bedeutung dadurch verloren geht.“

Hier ist einiges durcheinandergeraten. Zunächst: Ein freier (Minimal)-staat kann sich auf die Grundaufgaben beschränken wie die Bekämpfung von Unrecht und die territoriale Integrität, das heißt dass man zum Beispiel organisierte Eroberer von außen oder organisierte Möchtegern-Diktatoren im Inland bekämpft. Selbstverständlich muss die Bevölkerung ständig darüber wachen, dass die staatlichen Funktionäre ihr Mandat nicht überschreiten und nicht selbst Rechtsbrüche begehen.

Wenn die Leute sich nicht einmal zutrauen würden, in einem Minimalstaat ein paar Richter und Staatsanwälte und Polizeichefs zu überwachen, dann tut’s mir leid. Dann werden die Leute in keinem Unternehmen und erst recht in keiner Privatrechtsgesellschaft á la Hoppe auf einen grünen Zweig kommen. Denn egal wo man sich befindet, man hat mit Menschen zu tun und die haben halt einfach meistens Dachschäden.

„Funktionieren“ hat mit Freiheit eben schon sehr viel zu tun. Genausowenig kann sich ein inkompetenter Automobilingenieur hinterher rausreden, er hätte zwar eine Gurke konstruiert die nicht fährt, aber daran dürfe man die geheiligte „Idee“ und den „Begriff“ Auto nicht messen. Ich habe entweder de facto Meinungsfreiheit oder ich habe sie nicht. Ich zahle entweder keine Steuern oder 10% oder 70%. Es ist eine uralte Frage, wann wer einschreiten und Zwang ausüben darf. Da geht es um ganz konkrete Fälle. Wenn jemand ein paar Dumme findet, die ihn freiwillig wie einen König behandeln und ihm auf jedes Wort gehorchen, dann können diese Leute natürlich so glücklich werden ohne dass jemand, wie ein Minimalstaat, ihnen in die Quere kommen und zu einem anderen Lebensstil zwingen darf.

Was aber wenn die freiwilligen Untertanen freiwillig private Verträge unterzeichnen, in denen sie den König und dessen Leigbarde zu willkürlichem Zwang gegen sich authorisieren? Bereits da wird es schon haarig, denn was ist wenn in dem Vertrag Vergewaltigungen erlaubt werden oder Folter? Dürfen Außenstehende, wie zum Beispiel staatliche Organe, hier einschreiten? Oder hieße es dann wieder, dass der böse Staat hier Leuten vorschreibt, wie sie zu leben hätten? Sektenmitglieder unterliegen Gehirnwäsche und sind nicht wirklich zurechnungsfähig. Wie weit darf man Moslems gehen lassen bei deren Versuch, ihr Rechtssystem umzusetzen? Darf jemand abtreiben und sagen, das ist mein Bauch, oder hat jemand anderes das Recht, Abtreibung als Rechtsverletzung ungeborenen Lebens zu werten und einzuschreiten?

„Mit Objektivität zu argumentieren, den Freiheitsbegriff zu technisieren, ihn zu materialisieren, führt dazu, Tür und Tür für Systeme zu öffnen, die alle Lebensbereiche nach und nach objektivieren werden, was nur mit einer Zentralgewalt gelingen wird. Somit sind jene Libertäre auch die Spaliersteher für die künftigen Diktaturen.“

Hier haben wir den Hass auf Libertäre, weil sie nicht die reine, theoretische Heilslehre akzeptieren. Wir bewegen uns in der Realität und wenn wir Entscheidungen treffen, Ziele formulieren und darauf hinarbeiten, müssen sich die Entscheidungen an der Realität orientieren und nicht an isolierter und begrenzter Theorie. Freiwilligkeit ist teuer, selten und hat viele Feinde, sowohl Kontrollfreaks als auch die unterwürfigen Typen die einen Führer und Kommandos für alles wollen.

Das Ziel Freiheit braucht einen politischen Arm, das alleine reicht natürlich nicht. Solange Kriminelle das Politsystem manipulieren und schmutzige Tricks anwenden, läuft es immer auf eine Kraftprobe abseits der Politik hinaus. Zum Schutz ist (Minimal-) Staatlichkeit und Territorialität nützlich. Ansonsten machen andere bei dir lauter Brückenköpfe auf für ihr Militär oder sickern ein für einen Coup D’etat. Man kann das Thema Freiheit nicht unabhängig von Psychologie, Militär und verdeckten geheimdienstlichen Sphären betrachten und auf die Simpel-Formel „Freiwilligkeit“ reduzieren.

„Die Funktionstauglichkeit eines Systems oder einer Ordnung ist irrelevant. Das einzige unschlagbare Argument, das einzige Axiom der Freiheit lautet Freiwilligkeit. Es schlägt alle Nützlichkeitserwägungen, es lässt jede Diskussion über gelingen und nicht-gelingen, über möglich sein und nicht-möglich sein als irrelevant erscheinen.“

Da ist es wieder, das Simpel-Wort „Freiwilligkei“ das alle Diskussionen magisch beenden und die Diskussionsteilnehmer in ehrfürchtigen Schauer versetzen soll.

„Selbst wenn 1 Million Menschen der Meinung sind, dass ein System oder eine Ordnung nicht funktionieren kann, so haben sie kein Recht der Welt und kein Recht des Kosmos und kein Recht von irgendeinem Gott, jene vielleicht paar Hundert, die TROTZDEM so leben wollen, daran zu hindern.“

Wenn die Menschen reifer und intelligenter und gebildeter und keine Analphabeten im Bezug auf Psychologie wären, könnten sie mit jedem noch so untauglichen politisch-gesellschaftlichen Schrottsystem anfangen und würden trotzdem schnell anhand der negativen Ausbeute und Konsequenzen merken, dass es System nichts taugt und es durch ein besseres ersetzen. Da braucht es keine Strafe durch den Staat, sondern die Leute strafen sich durch fehlerhafte Systeme selber. Wer so masochistisch ist, sich weiter selbst bremsen zu wollen, der darf das natürlich ruhig tun.

„All die Ressourcen die für politisches Kasperletheater verwendet wurden hätten schon langst dafür verwendet werden können, eine libertäre Enklave in einer Mikronation zu gründen. Was man gegen Embargos machen kann? Agorism ist dir ein Begriff? Oder findet freier Handel mit Gütern uber Silk Road statt, weil du und deine Minimalstaazibande irgendwas ‚für die Bürger‘ getan hat?!“

Aha, da haben wir’s. Galt’s Gulch, die utopische freie Enklave aus dem Roman „Der Streik“ von der Sektiererin Ayn Rand, die ihr Leben lang gequalmt hat und dann ihre teure Krebsbehandlung von der Allgemeinheit bezahlen ließ. Auch bei einem solchen Projekt hätte man es, genau wie bei dem geschmähten Minimalstaat oder in Privatkonzernen mit Menschen und ihren Dachschäden zu tun. Da kommen dann auf einmal die ganzen realen und konkreten Probleme auf einen zu und all die schöne Theorie fliegt aus dem Fenster.

Viel Spaß bei dem Versuch, einen konkreten Konflikt zu lösen mit billigen Sprüchen wie: „Hört auf zu dikutieren, dass heilige Konzept ist doch Freiwilligkeit! Erstarrt in Ehrfurcht!“

Wie dumm es ist, über den illegalen ebay-Verschnitt namens Silk Road chemische Drogen von Unbekannt zu kaufen und dann zu konsumieren, ist ein Kapitel für sich. Aber hey: You wanna be dumb, you gotta be tough! Dass man mit Schwarzmarkt-Drogenkonsum auch private Zwangsstrukturen mitfördert, das wird dann wieder verdrängt. Übrigens hilft Konsum nichts, um endlich eine Entkriminalisierung zu bekommen und die Gesetze zu ändern.

„Agenten einsickern? Schonmal was von Reputation und Wettbewerb gehört, der Markt hat tausendfach bessere Möglichkeiten mit Problemen umzugehen als dein geliebtes Zentralplanerbüro, das so hoffnungslos ineffizient ist das es mich wirklich amüsiert,dass du denkst, dass der Staat besseren Schutz gegen ausländische Agenten bietet, als der freie Markt.“

Ganz ohne Staatlichkeit hat aber ganz offensichtlich eine private Polizei und ein privater Geheimdienst vom freien Markt ein Riesenproblem damit, wenn es darum geht, notwendige Verhaftungen zu machen und wichtige Informationen zu verlangen. Denn das wäre ja wieder Zwang! Und der feindliche Agent lügt sich einfach dreist aus der Verantwortung. Wenn er überhaupt gefunden wird. Denn wie will eine Privatpolizei z.B. eine Hausdurchsuchung machen ohne staatliche Legitimität und Territorialität? Feindliche Agenten würden sich so auf deutschem Boden breitmachen, destabilisieren und sabotieren wo es geht in Vorbereitung auf den Staatsstreich während sie sich krummlachen über die impotenten deutschen Privatagenten.

Selbstverständlich ist es erstrebenswert, dass Bürger die Freiheit und das Geld haben, private Sicherheitsfirmen zu gründen oder anzuheuern. Es ist aber garantiert dass auch viele krumme Firmen, die neben legitimen Tätigkeiten z.B. auch heimlich foltern und verdeckte Attentate durchführen, sehr erfolgreich sein werden und nachgefragt werden. Wenn es mal knallt, gibt’s im Minimalstaat wenigstens unabhängige Richter und Polizisten die ohne Profitinteressen den Fall überprüfen. Staatsbeamte sind längst nicht die einzigen Menschen, die dir nach deiner Freiheit trachten. Jede Gruppe von Menschen ist gefährlich. Autos und der Verkehr sind gefährlich. Solange ich vernünftig fahre, verringere ich mein Risiko.

Was ist wenn militante Moslems überall mal eben ihre privaten Kasernen aufmachen? Zu deren „Privatvergnügen“, versteht sich?

Freilich wünscht man sich mehr Freiheit zum experimentieren. Eine freiheitliche Republik mit mehreren Ebenen und verteilten Kompetenzen ist historisch das beste (und realste), um überhaupt Raum für Experimentieren zu bieten. Aber wenn man mit Menschen und ihren Leben experimentiert, hat das ganz reale Konsequenzen. Woher kommt der Hass auf Libertäre? Ich tippe auf Randroids und Molyneux-Fans mit wenig Kontakt zu den eigenen Eltern.

AlexBenesch
AlexBenesch
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