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Warum Putins Oligarchie nicht glaubhaft das PRISM-Spionagesystem kritisieren kann

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Von Alexander Benesch

Putin ist nicht mehr als ein Spiegelbild der beiden US-Präsidenten George H.W. Bush und George W. Bush. Je mehr man sucht, desto mehr Parallelen drängen sich auf: Die Tätigkeit als Kühlerfigur der jeweiligen verzweigten Oligarchie, Ex-Direktoren des jeweiligen Geheimdienstes, Präsidentenamt, Anschläge unter falscher Flagge, Eskalierung des staatlichen Sicherheitsapparats mitsamt gigantischer Überwachungsprogramme. Die US-Oligarchie verfügt über eine dreistellige Anzahl an Geheimdiensten, nichtsdestotrotz landen die Information an zentraler Stelle zusammen. Russland erhob den Geheimdienst fast zur Staatsform.

NSA

Die NSA verlangte in ihrer Frühphase, als ihre Existenz noch komplett geleugnet oder Verschwörungstheorie geheißen wurde, von den Telekommunikationsanbietern ganz einfach Abschriften sämtlicher Telegraphe die ins Land hineingingen oder es verließen. Der vierte Verfassungszusatz setzt bei einer Abhöraktion eigentlich voraus, dass ein hinreichender, also substanzieller Tatverdacht existiert und ein Richter die Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens hoch genug einschätzt, dass er einen Durchsuchungsbefehl unterschreibt. Die Telekommunikationsanbieter folgten der „Anfrage“ ohne großes Aufheben.

Sobald die NSA erwischt wurde, erfand man einfach einen eleganten Weg um die Hürde in der Verfassung herum: Das geheime FISA-Gericht. Ohne echte Transparenz nickt ein Richter massenhaft Durchsuchungsbefehle ab.
Die Behörde „überwacht und überprüft“ sich einfach selbst, man geht davon aus dass Kongressabgeordnete, insbesondere jene die im Geheimdienstausschuss sitzen, überwacht werden und der NSA keine Probleme bereiten.

Irgendwann erlaubte die Technologie neben dem gezielten Abhören ein breites, verdachtunabhängiges Abfischen des Datenverkehrs sowie eine automatisierte Suche nach „Verdächtigem“. Sieht man bestimmte Faktoren gegeben, holt man sich einen FISA-Persilschein und geht dann gezielt gegen die jeweilige Person vor.

Bei den großen Konzernen wie AT&T gibt es ganze Stockwerke die der NSA vorbehalten sind, neue Technologie muss erst den inoffiziellen Stempel erhalten bevor der zivile Markt damit beglückt wird und ständig baut man immer absurdere Schnüffelzentren wie jenes in Bluffdale, Utah, das mehr als fünfmal so groß sein wird wie das Kapitol in Washington D.C.

Auch gewöhnliche Behörden kommen indirekt in den Genuss der Möglichkeiten des großen Bruders. Die NSA findet beispielsweise mit Hilfe einer illegalen Massenanalyse von Datenverkehr belastendes Material über Person XYZ, darf es aber nicht einfach an die örtliche Polizei weitergeben, stattdessen übermittelt man eine kurze Botschaft: Bei XYZ sollte man doch hier und dort mal nachsehen. Die örtliche Polizei startet eine erste Untersuchung für die man noch keinen Durchsuchungsbeschluss braucht, findet Anhaltspunkte und kann mit diesen dann zu Richter gehen. Praktisch wie eine Fertig-Teigmischung: Einfach Wasser hinzugeben und rühren!

SORM – Liebesgrüße aus Moskau

In der russischen Verfassung, die traditionsgemäß nur dafür taugt, leichtgläubige und ahnungslose ausländische Bürger über die schockierende Realität hinwegzutäuschen und der Regierung einen legalen Anstrich zu liefern, wird das Recht auf Privatsphäre, insbesondere der Kommunikationen garantiert, es sei denn natürlich ein Gericht stellt einen Durchsuchungsbeschluss aus.

Wie schnell das geht? Es reicht bereits wenn sie an einer Demonstration teilnehmen in der gegen die Ausweitung der Befugnisse des Sicherheitsapparats protestiert wird. Oder wenn sie irgendwas anderes kritisieren. Oder wenn sie mit einer „verdächtigen“ Person kommuniziert haben. SORM, das „System operativer Suchmethoden“, reicht wie KPdSU-Altlast Putin in die Sowjet-Ära zurück und leutete eine neue „Horch und Greif“- Ära des KGB ein.

1995 wurde ein neues Gesetz verabschiedet zur Überwachung sämtlicher Kommunikationen unter Voraussetzung eines richterlichen Persilscheins. Neue Versionen von SORM für das GSM- und Internetzeitalter waren die technische Umsetzung der beabsichtigten Spionageinfrastruktur, für die man einfach die privaten Internet Service Provider blechen ließ; sowohl was die Geräte anbetrifft als auch die nötige Ausbildung der FSB-Geheimdienstler.

Ein spezieller Regierungs-Router, nennen wir ihn einfach „KGB-Box“, kann sämtlichen Internetverkehr eines Providers über eine gesonderte, speziell geschützte unterirdische Hochgeschwindigkeitsleitung an den Geheimdienst übertragen. Benutzt der ausspionierte User irgendwelche halbwegs effektiven Verschlüsselungstechnologien, hat er bereits ein Gesetz gebrochen. Der Provider hat keinen Zugriff auf die KGB-Box, er muss nicht bei einer Abhöraktion informiert werden und er darf auch den Durchsuchungsbeschluss nicht sehen. Der oberste russische Gerichtshof verkündete, dass sich die Häufigkeit der „legalen“ Abhöraktionen in den vergangenen fünf Jahren schrittweise auf eine halbe Million p.a. vergrößert hat. Wieviele Wiretaps ohne Richter passieren, kann man nur schätzen.

Sind sie eine Privatfirma und wollen z.B. einen Konkurrenten ausspionieren, schmieren sie einfach einen Beamten wie General Alexander Bulbow mit umgerechnet 50.000 $ pro Opfer. Für das Geld bekommt man zwar auch einen Profikiller, aber immerhin.

Nur fünf Tage nach Amtsantritt unterzeichnete der KGB-Apparatschnik Putin die Erweiterung eines Gesetzes, sodass auch die Steuerpolizei, die Polizeieinheiten direkt unter dem Innenministerium, Sicherheitskräfte der Politiker, Zoll und Grenzpolizei Zugriff erhielten auf das schicke neue Überwachungssystem.

Sobald die Telekommunikationsbehörde Roskomnadzor irgendwelche Mängel in den Systemen feststellt, gehen Forderungen zum Nachbessern an ISPs heraus. die Technik kauft man bei „Firmen“ wie Digiton und Iskratel, die bestimmt gar nichts mit den Geheimdiensten zu tu haben. Auch ehemalige Sowjetstaaten wie Weißrussland, Ukraine und Kirgisistan haben SORM. Somit gehen die Sowjets endlich mit der Zeit und wechselten auf das von den Briten erfundene und im Westen so erfolgreiche System der Theaterdemokratie.

Russlands Medienkontrollbehörde Roskomnadzor hat das soziale Netzwerk „VKontakte“ laut eigenen Angaben irrtümlicherweise kurzzeitig auf die Sperrliste gesetzt. Der Eintrag in der Regierungsdatenbank ist schnell wieder verschwunden und es ist unklar, ob die Maßnahme gegen einzelne Inhalte oder das komplette Angebot gerichtet war.

Oppositionelle benutzen VKontake für ihre Aktionen, was den Behörden missfällt. Facebook und Twitter spielten eine wichtige Rolle bei dem arabischen Frühling. Der Gründer von VKontakte Pawel Durow befindet sich im Dauerclinch mit den Behörden, ein kremlnaher Investor soll ihm Firmenanteile abgekauft haben.

Tag Team

Russland und die USA haben sich, wie bereits im inszenierten kalten Krieg, prima miteinander eingerichtet. Beide Seiten spionieren gegeneinander was sicherstelt, dass auch wirklich nichts geheim bleibt und übersehen wird, beide Seiten ihre Apparate kontinuierlich verbesern können und selbstverständlich ihre jeweilige Opposition freiheitlich gesinnter Bürger einbinden können in die altbekannte fiese Dialektik: Welche Diktatur hätten sie gerne, lieber Unzufriedener? Wie, lieber NATO-Bürger, ihnen geht es schlecht? Da habe ich was für sie: Einen starken Macker in Russland namens Putin, der gerne ihr Beschützer sein will! Einer der vor Fotographen im Judoanzug posiert oder ohne Hemd auf dem Pferd! Jemand mit einer Armee! Da haben sie doch schon lange von geträumt! Endlich mal zurückschlagen können! Alles was sie dafür tun müssen, ist der Freiheit abschwören.

Sie sitzen in Russland und ihnen geht es schlecht? Schließen sie sich doch CIA-Frontorganisationen an die ihnen versprechen, dass sie auch so tolle Sachen besitzen werden wie die Amerikaner im Fernsehen! Alles was sie dafür tun müssen, ist der Freiheit abschwören.

Für beide Seiten ist der neue kalte Krieg eine vielversprechende Sache. An höchster Stelle wohl wie früher abgesprochen. Und allem Anschein nach ist das Drehbuch fertig für Weltkrieg Nummer 3: Russland und China führen den Erstschlag durch gegen den Westen, der Westen wirkt enthauptet, schließt sich dann zu einer Global Defense Initiative zusammen, kramt neue Superwaffen hervor und „rettet die Welt ein für allemal“. Sind sie noch in der Dialektik gefangen oder denken sie schon?

AlexBenesch
AlexBenesch
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