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Der richtige Rahmen für die Bilderberg-Diskussion

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Ein Kommentar von Alexander Benesch

Für eine Diskussion ist es meist hilfreich, einen Rahmen, ein Gerüst zu haben um strukturierter vorzugehen. Dies kann jedoch unter Umständen die Diskussion behindern wie eine Zwangsjacke, wodurch wichtige Dinge die nicht in den Rahmen passen, herausfallen und Leute von der Diskussion generell abgestoßen werden.

Ein typischer, rigider und gefährlicher Rahmen für ein Thema wie Bilderberg ist der ideologische. Die verschworene Gruppe gilt lediglich als Epizentrum des Kapitalismus während die „Aufklärer“ damit nur ihre sozialistische Mission vorantreiben wollen. Darauf kontert das Establishment elegant mit Büchern wie David Rothkopfs „Superklasse“ oder Dr. Ian Richardsons “Bilderberg People: Elite Power and Consensus in World Affairs”, die das so wichtige Mittelschichtpublikum ansprechen.

Es heißt: Hören sie nicht auf die linken Gammler und spkulativen Theoretiker, die eh nur alles zersetzen und schlechtreden wollen, diese könnten keine Produktivität hervorbringen wenn ihr Leben davon abhinge. Mittelschichtler haben ein ausgeprägtes wirtschaftliches Leistungsstreben, deshalb verkauft man ihnen Bilderberg als zwar allzu menschlichen und längst nicht perfekten, aber nichtsdestotrotz beeindruckenden Zenit des Erfolges. Die Linken erreichen mit ihrer limitierten Behandlung des Themas eine abschreckende Wirkung auf viele, während andere sich dadurch vor den Karren der sozialistischen Revolution spannen lassen. Dass ein Weltkommunismus erst recht eine Katastrophe wäre und die Aristokratie hinter Bilderberg bewusst die Sowjetunion und Rotchina ermöglichte, das darf und wird nicht gesagt werden, sowas fällt aus dem Rahmen.

Bilderberg entspräche einfach dem westlichen Machtkreis angloamerikanischer Imperialisten, während China und Russland die moralischen Kontrahenten seien. Dass im Osten der Imperialismus genauso groß geschrieben wird und wir seit langem eine erhebliche Konvergenz beobachten können zwischen den 3 verbliebenen Supermächten, insbesondere bei verschwörerischen Organisationen zugunsten von Global Governance, das darf und wird nicht gesagt werden von den Linken, das fällt aus dem Rahmen.

Ein weiteres problematisches Korsett ist die ausschließliche Begeisterung für das Unbekannte und Mysteriöse, während die nüchtern-sachliche Erkenntnis, die Entschleierung, eher als Enttäuschung wahrgenommen wird. Dies ist wohl das anstößige Kernelement schlechthin das immer wieder pauschal Verschwörungstheoretikern vorgehalten wird, das was die Abschreckungswirkung bedingt für noch unbedarfte Menschen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen.

In diesem Rahmen ist die Aufklärung um Bilderberg lediglich ein Türöffner für allerhand (erfundene) Mysterien, die sowohl Ablenkung bieten als auch irrationale Hoffnungen und eine Rechtfertigung für die eigene Passivität. Auf die Pflichtübung, Fakten über Bilderberg herunterzurattern, folgt die Kür, nämlich allerhand Wirres und Unbeweisbares.

Nur das Mysterium ist interessant, das spannende Rätseln, nicht die tatsächliche saubere und nüchterne Aufarbeitung. Dies hat unweigerlich zur Folge, dass die Fakten in der Suppe aus Blödsinn untergehen, sich einige Menschen abgeschreckt fühlen und nicht selbst etwas wie Bilderberg ernsthaft analysieren.

Der leider nicht aussterbende Klassiker einer geistigen Betonkopf-Mentalität ist die Betrachtung durch die Brille der diversen Rassentheorien. Bei Bilderberg geht das dann meist in die Richtung der „jüdischen Weltverschwörung“ und der Sichtweise, dass mit dem Vernichten einer ethnischen Gruppe und der Errichtung eines homogenen, faschistischen Rasse-Weltstaats mit reinen Führern eine bessere Welt entstünde. Im Netz findet man allerhand geistig kranke und behandlungsbedürftige Individuen, die mit Schaum vor dem Mund einen Ausblick darauf geben, wie wenig sie tatsächlich mit Macht umgehen könnten. Sie haben kein Problem mit Tyrannei an sich, sie wollen lediglich selbst eine etablieren.

Der psychoanalytische Rahmen ist hingegen weitaus hilfreicher. Durch die dröge Schulbildung wurden in den Köpfen allerhand Filterregeln einprogrammiert. Sehen die Augen etwas oder hören die Ohren etwas Bestimmtes, gehen die Informationen im Hintergrundrauschen unter und gelangen nicht sonderlich weit. Denn man verbindet nichts Wichtiges damit und möchte automatisch keine Zeit verschwenden mit drögem Unbedeutendem oder gar etwas, das einen zur Lachnummer machen könnte wenn man es seinem Umfeld gegenüber erwähnt. Ein Insider wäre im Gegensatz darauf programmiert, bestimmte Reize sofort in ihrer Bedeutung zu realisieren und zu interpretieren.

Ein großer Teil der Bevölkerung hat stark verankerte Strategien für die Kompensation von Mängeln, insbesondere Liebesmängel aus der Kindheit. Narzisstische Menschen sind zwar befähigt zu extremen Leistungen, hinter diesen steckt jedoch nicht der gesunde Drang zu moralischem und konstruktivem Handeln, sondern primär die Sucht nach Anerkennung und Einfluss sowie Ablenkung von den eigenen internen Konflikten. Für viele erscheint Bilderberg nicht wie eine Bedrohung, sondern wie ein Vorbild und Objekt von Begierden.

Hat eine narzisstische Person selbst keine Chance, jemals in die etablierten Sphären der Macht vorzustoßen, ignoriert sie gerne das größere Bild, ist nicht mehr bereit über den Tellerrand hinaus zu blicken, sondern konzentriert sich auf die Kultivierung der eigenen kleinen Sphäre mit unterwürfigen Menschen, die man dominieren und als Mittel für die eigenen Bedürfnisse instrumentalisieren kann. Von Bilderberg wollen sie nichts groß hören. Gerade solche Typen streben in der „alternativen“ Szene an, eigene Kommunen zu gründen, kleine Königreiche mit sich selbst als absolutistischem Herrscher. Wer in diese Hölle gerät, ist zu bemitleiden.

Man findet auch die Zaunhocker, die auf ein Angebot der etablierten Machtsphären warten, beitreten zu dürfen, und sei es nur in einer winzig kleinen bürokratischen Funktion. Deshalb will der Zaunhocker sich nicht aus dem Fenster lehnen und sich klar gegen die Bilderberg-Kreise positionieren.

Es gibt aber auch narzisstische Aktivisten, „Aufklärer“, Autoren, Medienfiguren, die ihren persönlichen Einflussbereich vergrößern wollen, aber ironischerweise eine ähnliche Psyche aufweisen wie die Mitglieder des bekämpften Objekts Bilderberg: Nach außen freundlich und beeindruckend, innen jedoch herrschsüchtig, verlogen und ausbeuterisch. Suchen solche Menschen politische Macht und positionieren sich erfolgreich beispielsweise in Europa als von der EU unabhängige Region und Anti-Bilderberg/Anti-Globalismus, kann das neu geschaffene System durchaus identisch werden zu dem alten.

Der psychoanalytische Rahmen für die Diskussion um Bilderberg nützt daher erheblich viel mehr für den Erkenntnisgewinnn und für die Überzeugung von bisher unbedarften Menschen.

Die Bilderberger haben nicht dermaßen viel Macht angehäuft weil sie gemäß den Regeln des Kapitalismus fair gespielt und einfach die fähigeren Unternehmer und Politiker waren. Sie sind nicht in ihrer Position weil ihnen Hilfestellung vom Planeten Zonk oder einer Reihe von Dämonen gegeben wurde. Die russische und die chinesische Oligarchie sind nicht automatisch besser wenn man sie neben den angloamerikanischen Club stellt, und sie werden unsere Wünsche und Hoffnungen nicht erfüllen. Die Bilderberger könnten genausogut mehrheitlich eine völlig andere Ethnie haben. Ihr Nachbar oder sie selbst wären vielleicht unter weit anderen Voraussetzungen Mitglieder geworden. Nicht jeder „Aufklärer“ oder Antiglobalismus-Politiker der gegen Bilderberger wettert, führt automatisch Gutes im Schilde.

Möchten sie in Freiheit und Wohstand leben, sollten sie sich auf die richtige Art und Weise mit Organisationen wie Bilderberg beschäftigen und auf die richtige Art und Weise reagieren, insbesondere was die Kommunikation mit ihren Mitmenschen angeht.

AlexBenesch
AlexBenesch
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