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Ridley Scotts „Prometheus“ und die Schöpfung

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Alexander Benesch

Die Popkultur vermag manchmal, relevante Inhalte besser und direkter zu vermitteln als verquaste, langatmige philosophische Bücher so dick wie das Telefonbuch von Tokio. Im Kern ist Ridley Scotts „Prometheus“ zugleich eine Fortsetzung und ein Remake seines Klassiker ALIEN aus dem Jahr 1979. Die Story spielt allerdings zu einem früheren Zeitpunkt, an dem die Menschheit gerade erst das Tor zu echtem interstellaren Reisen aufgestoßen hat. Star Wars war das Science-Fiction-Märchen, ALIEN war ein düsterer Slasher, Sci-Fi Survival Horror mit perfektem Cast, zeitloser Musik, schockierend guten Effekten, Weltklasse-Design und kompromissloser Regie. In den Worten von Scott: Texas Chainsaw Massacre im Weltall.

Mein Lieblingsfilm seit 20 Jahren.

H.R. Giger Tattoo:

Eine Routine-Mission wird vom Bordcomputer wegen einem Notrufsignal auf halber Strecke zur Erde unterbrochen, ein Team des Raumschiffs Nostromo landet auf dem winzigen Planeten LV-426 und findet ein Alien-Raumschiff in dessen Cockpit ein inzwischen versteinerter Pilot sitzt, der von einer Parasitenart getötet worden war, die im Folgenden auch einen Menschen der Nostromo-Crew befallen wird.

Ein Twist hob auch den eher simplen Plot auf hohes Niveau: Der Mediziner und Wisenschaftler an Bord, Ash, hatte die Landung auf LV-426 heimlich eingefädelt im Zuge eines Geheimauftrags des Konzerns Weyland Yutani. Das Ziel war, mindestens ein infiziertes Crewmitglied im Hyperschlaf nach Hause zu bringen für die Biowaffenabteilung.

Ash ist ein täuschend echt aussehender humanoider Android und die Verantwortlichen des empathielosen Konzerns schufen ihn nach ihrem Abbild: Sie gaben ihm bewusst keinen Sinn für Moral. Deshalb bewundert er auch den hochgefährlichen, hyperaggressiven Xenomorph für dessen strukturelle „Reinheit“ ohne moralische „Selbsttäuschungen“. Man stellte sicher dass sich die eigene Schöpfung, Ash, nicht irgendwann gegen den Schöpfer wendet und gab ihm keinen halbwegs freien Willen.

Die Menschheit in ALIEN hat sich, wie in sehr vielen Sci-Fi-Stories, in ihrem Kern kaum vom Fleck bewegt: Moralunfähige Individuen stehen an der Spitze von Megakonzernen wie Weyland Yutani und betrachten ihre Angestellten, die ihre Familien Monate lang nicht sehen um im fernen Weltall abgebaute Rohstoffe transportieren, als ersetzbare Kakerlaken. Die moralfähigen Arbeiter, Piloten, Mechaniker, Navigatoren usw., leben in weitestgehender Unkenntnis der psychosozialen Dynamiken, die den geistig kranken Abschaum nach oben treiben. Sie wollen nur nach Hause, feiern und den Gehaltsscheck einlösen. Die Haltung, einfach den eigenen Job zu erledigen und keine Fragen zu stellen, kann zur Ausrottung der ganzen Menschheit führen.

Die Xenomorph-Kreaturen betrachten ihre Kriegerdrohnen ebenso als ersetzbare Nonindividuen. Dies war bereits 1979 der deutliche Hinweis darauf, dass es sich bei ALIEN um eine Allegorie handelt über die menschliche Natur. Was die Crew der Nostromo irgendwo tief im Weltall findet, ist nicht wirklich eine total fremde grauenhafte Spezies, sondern sie entdecken was vom Menschen übrigbleibt wenn Moral und Individualität fehlen.

Die ungeklärten Fragen lauteten: Wer ist die außerirdische Rasse von der wir nur das Schiff und den versteinerten Piloten gesehen haben? Wohin ging die Reise und wo begann sie? Wie haben sie sich die Parasiten eingefangen?

Prometheus

Der Film Prometheus beginnt mit einer Enthüllung, anstatt diese irgendwann später nachzuliefern. Eine außerirdische Rasse von menschenähnlichen Wesen lädt einen der ihren auf der Erde ab. Er muss ein Opfer bringen um den Menschen zu erschaffen: Er trinkt eine Flüssigkeit, beginnt sich aufzulösen und fällt in einen reißenden Wasserfall in Meeresnähe. Wie es später heißt: „Um etwas zu erschaffen, muss man zuerst etwas zerstören.“ Es kommt völlig auf die Interpretation dieses Satzes an. Jeder der Kinder hat, also neue Menschen geschaffen hat, weiß was es heißt, Opfer zu bringen.

Die Forscherin Elizabeth Shaw und ihr Ehemann Charlie Holloway entdecken auf einer schottischen Insel 35.000 Jahre alte Höhlenmalereien, die eine Planetenkarte zeigen welche mehrfach auf der Erde in völlig unterschiedlichen Kulturen zu finden war. Man betritt hier kurzzeitig ein Territorium, das weitläufig von gerissenen Geschäftemachern wie Erich von Däniken oder Zachariah Sitchin besetzt ist, die mehrere zehn Millionen Bücher voller erfunderer Deutungen im Stile von Sci-Fi-Groschenromanen an Leute verkauft haben, die das Ganze für echt halten.

Viele Menschen sind tief enttäuscht von den klassischen Religionen. Einerseits hat die exponentiell expandierende Wissenschaft der Moderne immer noch keine Götterwesen entdeckt sondern uns in ein gigantisches Vakuum mitten im Nirgendwo des Weltalls plaziert, andererseits führte die Ausbreitung der Lesefähigkeit und der Individualität dazu, dass Menschen immer stärker zu der Überzeugung gelangen, dass die Götter aus den einschlägigen Büchern erfundene Gestalten mit häufig grauenhaften Eigenschaften sind. Es scheint, als hätten narzisstische, grausame Männer nach ihrem Ebenbild die Götter erschaffen und nicht umgekehrt.

Der Mensch sehnt sich nach einem starken Umfeld, Sicherheit, Wohlstand, Bedeutung und einem Leben nach dem Tod. Viele stellen irgendwann fest dass Religion keine von diesen Wünschen erfüllen kann bzw. dass niemand beweisen kann was nach dem Tod geschieht, falls überhaupt irgendetwas geschieht.

Der durchschnittliche ernüchterte Mensch, der lesen kann, beschäftigt sich dann leider trotzdem nicht mit belegbaren Dingen und baut sich die Welt nach seinen Vorstellungen um, sondern er sucht in Unkenntnis seiner eigenen Psyche und der von anderen nur wieder die nächste Religion, die nächsten Hochstapler und Herrscher aus, die ihm die Erfüllung seiner Wünsche versprechen.

Gerade der 21. Dezember 2012 galt weltweit als bedeutendes, religiöses Datum. Menschen erhofften sich einen „Bewusstseinssprung“ womit nichts anderes gemeint ist, als die Erfüllung eigener Wünsche und das Ende der eigenen Schwächen, Grenzen und Unzulänglichkeiten. Endlich „eins“ sein mit allen anderen und dem Universum. Andere erwarteten die Rückkehr von Außerirdischen, die die klassischen Göttereigenschaften haben sollen. Der eine erwartet (erhofft) sich von den Aliens harte aber faire Herrscher, die endlich die menschlichen Tyrannen auf ihre Plätze verweisen und für Ordnung sorgen. Diese Menschen fürchten sich vor Freiheit.

Andere wünschen sich liebevolle Überwesen, die den Platz von Jesus oder anderen Erlöserfiguren einnehmen und alle unsere Probleme lösen werden. In dieser Variante wird das verloren gegangene Paradies wieder neu geschaffen. Früher, so der Alien-Vulgärmythos, war alles besser, die Hochkulturen waren glücklich und die Gottwesen aus dem All ließen Steine schweben um die großen Pyramiden ohne Mühe zu bauen.

Wieder andere wähnen die schlechtesten Menschen der Erde im geheimen Bund mit bösen Außerirdischen, ein Mythos der auch durch Geld des Establihsments und hochkarätige Desinformation genährt wird, und das aus einem verständlichen Grund: Wenn der unzufriedene Mensch glaubt, er habe eh keine Chance, wird er nicht kämpfen. Er akzeptiert die eigene Kapitulation, weil der Feind nun mal übermächtig sei.

In Ridley Scotts Prometehus bezahlt der „abergläubische“ und uralte Großunternehmer Peter Weyland eine Unsumme, um das Raumschiff Prometheus bauen zu lassen, das eine Crew fähiger Wissenschaftler zu dem mysteriösen Planeten aus den alten Höhlenmalereien transportieren soll. Jeder hat andere Erwartungen an einen möglichen Kontakt mit „unseren Schöpfern“, auch der einzige Android an Bord, David.

David fühlt sich den Menschen um sich herum überlegen, leidet aber dennoch unter einem Pinocchio-Komplex und scheinbar weiteren, allzu menschlichen Problemen. Er wurde von Peter Weyland erschaffen, aber nur als Sohn-Ersatz, als Pflichterfüller „ohne Seele“.

Einer der Wissenschaftler meint in arrogantem Ton zu David, man hätte ihn nur erschaffen weil man sehen wollte ob man es kann. David kontert, die Menschen seien viellelleicht auch nur von jemandem als arrogantes Experiment, als Kraftdemonstration oder als austauschbare Erfüller von benötigten Funktionen erschaffen worden. Gerade diese Neugier und dieser Narzissmus ist ein ständig wiederkehrendes Motiv in Prometheus.

Man findet tatsächlich die Schöpfer des Menschen, diese sind jedoch massakriert worden von ihrer anderen Kreation, nämlich den xenomorphen Kreaturen die in Urform wie pechschwarzes Öl aussehen und in Gefäßen massenweise als Biowaffe produziert wurden mit dem Ziel, die Menschheit auszurotten. Warum diese militärische Vernichtungsoperation? Nur um die neue Waffe zu testen in einem Freifeldversuch? Oder um den Konkurrenten Mensch loszuwerden bevor er die eigenen Schöpfer übertrifft und Terraforming im Weltraum betreibt? In einer der wichtigsten Szenen spürt man förmlich die Wut in den außerirdischen „Engineers“ über die zumindest technisch emanzipierten Menschen. Nicht mehr schmutzig und in Felle gehüllt auf der Erde, in Ehrfurcht vor den vermeintlichen Göttern zitternd, sondern selbstbewusst in blitzenden Raumanzügen mit ihrem eigenen Raumschiff stehen sie auf einmal auf der Matte und erwarten, wie ebenbürtige Wesen behandelt zu werden.

In der ersten Kinoadaption der berühmten TV-Serie Akte X kreiste die Handlung um das, was der unter mysteriösen Umständen verstorbene Verschwörungsauthor Bill Cooper zuerst publiziert, dann aber als clevere Täuschung des Establishments widerrufen hatte: Eine finstere Alienrasse geht einen Deal ein mit den mächtigsten Menschen auf dem Planeten um die Masse der Bevölkerung mit einer Super-Biowaffe auszuradieren. In Prometheus gibt es keinen Deal, keinen Respekt der Engineers.

Das interessanteste Motiv das im Film Prometheus mehrfach wiederholt wird, ist dass die Schöpfung manchmal besser sein kann als ihr Schöpfer. Die Außerirdischen sind keine esoterischen, liebevollen Lichtwesen, sondern arrogante Kombattanten die nicht nur ihre liebe Mühe haben mit ihrem eigenen Biowaffenprogramm, sondern sich mit dem Homo Sapiens anlegen, der auch unter extremen Bedingungen individuelle, moralische Entscheidungen treffen kann, die größte Auswirkungen haben.

Wenn der Kapitän der Prometheus die Befehle seiner Vorgesetzten missachtet und die Sache in die eigene Hand nimmt, fällt es schwer, nicht die Faust in die Luft zu strecken und „Yeah!!! Homo sapiens, baby!“ zu rufen.

Die christliche Elizabeth Shaw stellt sogar noch vor dem Kontakt mit den außerirdischen Engineers die Frage, wer diese denn wiederum erschaffen haben soll. Selbst die Klärung der eigenen Herkunft nimmt uns Menschen nicht die Arbeit ab, uns selbst und die Welt zu verbessern.

Illuminati-Fest?

Ridley Scotts beste Filme haben einen starken moralischen Kern. Ellen Ripley würde lieber sich selbst opfern als zulassen, dass der Weyland Yutani-Konzern den Xenomorph in die Finger bekommt. Maximus im Film Gladiator legt sich nach dem Verrat an ihm mit dem neuen römischen Kaiser an und macht das Unmögliche möglich. Robin Hood kämpft für die universalen Grundrechte und die Brechung der königlichen Tyrannei, nicht nur gegen den Sherriff von Nottingham.

In diesem Kontext betrachtet ist Prometheus ein Film der sich in dieses Muster einreiht. Weyland als Rockefeller-Verschnitt wirkt nicht „erleuchtet“ sondern erbärmlich und stürzt mit seiner Egomanie beinahe die gesamte Menschheit ins Verderben.

Die kranke Art Schöpfung, der zuerst eine großangelegte Zerstörung vorausgeht, erinnert an elitär-freimaurerische und illuminierte Philosophie. Aus der konzertierten Zersetzung und Vernichtung etablierter Nationen, Religionen und Organisationen soll die Neue Weltordnung folgen, eine theokratisch-technokratische Herrschaft narzisstischer Individuen, die sich gemäß ihrer gnostischen Überzeugung als neue Götter betrachten. Das Zeitalter der sog. „Singularität“ und „synthetischen Biologie“ soll eine Welt hervorbringen, die den althergebrachten Menschen genauso wie alle althergebrachten anderen Organismen nicht mehr braucht.

Nirgendwo in Prometheus wird der Zuschauer angehalten, mächtigen Menschen das Gottspielen zuzutrauen. Ganz im Gegenteil. Die wichtigste Protagonistin hält sogar nach all dem Wahnsinn an ihrem christlichen Glauben fest und der Zuschauer ist definitiv nicht angehalten, über sie zu lachen.

AlexBenesch
AlexBenesch
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