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Aufgeblasener Wikileaks-Skandal mit James Bond-Flair

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Das angekündigte Feuerwerk sieht eher aus wie ein schwelender Blindgänger: Der veröffentlichte diplomatische Nachrichtenverkehr aus dem SIPR-Netzwerk, zu dem rund 2.5 Millionen Beschäftigte der US-Regierung Zugang haben, enthält kein tiefgreifendes Material aus Spionagekreisen (HUMINT) und der Fernmeldeaufklärung (SIGINT), sondern hauptsächlich Peinlichkeiten die eigentlich niemanden überraschen sollten, schon gar keine fremde Regierung.

In frei verkäuflichen Büchern, die manchmal auch in großen internationalen Verlagen erschienen sind, werden seit vielen vielen Jahren tatsächlich explosive Informationen und Analysen veröffentlicht, gegen die die Wikileaks-Informationen einfach nur belanglos wirken. Das Problem ist nicht der Mangel an Daten, sondern die Dominanz der Massenmedien.

In den 250.000 Mitteilungen findet sich neben den üblichen Dämonisierungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad und Israels Hyperventilieren über einen notwendigen weiteren Krieg beispielsweise auch die Anweisung an reguläre US-Diplomaten, dass sie nach Möglichkeit Informationen wie Passwörter und Online-Namen von Mitarbeitern der Vereinten Nationen abstauben sollen. Botschaften beherbergen i.d.R. auch richtige ausgebildete Geheimdienstler, die ihre Informationen über stark abhörsichere Datenkanäle übermitteln oder sie in speziellen diplomatischen Taschen weitergeben, die nicht von fremden Nationen geöffnet werden dürfen. Solches Material dümpelt für gewöhnlich nicht jahrelang auf einem löchrigen Netzwerk herum. Das globale Programm zur „Fernmeldeaufklärung“ und die untergeordneten Teile wie ECHELON für den Diebstahl von allen Informationen die man nur in die Finger bekommen kann, wird in Verbindung eingesetzt mit allerhand destabilisierenden Maßnahmen im Zuge verdeckter Operationen. Die echte „al-Kaida“ ist derzeit unter der Ägide des Pentagons im Einsatz im Iran um Attentate, Entführungen und Anschläge zu verüben mit dem Ziel, einen Regimewechsel zu begünstigen. Hätten die Bürger weltweit einen halbwegs repräsentativen Überblick darüber, auf welche Weise Bedrohungen künstlich geschaffen werden um Eroberungsfeldzüge und schmutzige Taktiken zu rechtfertigen, könnte die Welt wirklich eine Transformation zum Besseren erleben. Man stelle sich vor, jedes Schulkind verstünde die Taktiken eines Tyrannen. Der Typus Tyrann wäre vom Aussterben bedroht weil seine Masche, die auf einem Informationskrieg basiert, keinen Trottel mehr hereinlegt.

Was sehen wir stattdessen von Wikileaks und den „Partnern“ aus den Massenmedien? Dem Leser wird suggeriert, er werde eingeweiht in Geheimnisse, er stünde nun was den Wissensstand anbetrifft auf einer Ebene mit Botschaftern und anderem Personal mit einer „Security Clearance“, einer Zugangsberechtigung für vertrauliche und geheime Akten. Mit diesem James Bond-Flair, durch diese Brille betrachtet der Leser dann im SPIEGEL oder der New York Times Weltereignisse und fühlt sich eingeweiht, als würde er mitbestimmen, als wäre er ein Teil des Sicherheitsapparats und beschütze die Welt. Mehr und mehr macht sich unter völlig gewöhnlichen Leuten die arrogante Einstellung breit, all die Kriege und die Folter und die illegalen Operationen seien notwendig um unseren Way of Life zu sichern. Dass der durchschnittliche SPIEGEL-Leser mit Volkswagen in der Garage von den Internationalisten systematisch ausgeplündert wird, erfährt man dann doch nicht im Hamburger Blatt.

Es erinnert irgendwie an die Geheimgesellschaften im Wandel der Zeit: Früher wurden sogar die letztendlich langweiligen und bedeutungslosen Geheimnisse der untersten Grade mit Klauen und Zähnen vor dem Pöbel verteidigt, heute wird die Masse der Bevölkerung in Filmen, in Romanen wie Sakrileg und in vermeintlich historischen Dokumentationen zugemüllt mit schwärmerischen Lügen und verlogenen Mythen über Tempelritter, Freimaurer und Illuminati. Das Publikum wird mit der eigenen Selbstverliebtheit eingewickelt und rekrutiert für die wahnhafte Philosophie der Neuen Weltordnung, den Weltstaat einer benevolenten aber gleichzeitig gestrengen Klasse von Erleuchteten.

In der echten Welt der Spionage gab und gibt es reihenweise ernste Leaks und Unfälle; ein amerikanischer Überläufer gab einst dem KGB jahrelang die neusten Chiffriercodes der Führung der US-Marine, ein amerikanisches Spionageschiff wurde mitsamt wertvoller Chiffriertechnik und Akten von Nordkorea erobert und ist heute noch in dem bizarren Staat eine Sehenswürdigkeit. Ein amerikanisches Spionageflugzeug vom Typ SR-71 wurde über Russland abgeschossen was eigentlich als unmöglich galt; noch verheerender war dass die Russen den abgesprungenen Piloten lebendig zu fassen bekamen und ihn vernehmen konnten.

Die letztendliche Absicht die Wikileaks von ihren Unterstützern unterstellt wird ist die Verbreitung von denjenigen Informationen, welche zentrale illegale Handlungen von Regierungen enthüllen, die Verantwortlichen in möglichst große Schwierigkeiten bringen und illegale Kriege möglichst unwahrscheinlich machen. Wie ist die Bilanz nach mehreren Monaten an Hype? Beim ersten Teilziel ist man grandios gescheitert da die veröffentlichten Afghanistan- und Irak-Berichte das ausgedehnte Folterprogramm der US-Administration verschleiert und die Anzahl der getöteten Irakis auf lächerliche 100.000 herunterkorrigiert haben. Darüberhinaus heißt es ab sofort in allen zukünftigen „wissenschaftlichen“ historischen Werken über Operation Iraqi Freedom, dass die meisten dieser Toten auch noch anderen Irakis anzulasten seien. Das zweite Teilziel hat man auch nicht nur nicht erfüllt, sondern die Hauptschuldigen wurden in erheblichem Umfang entlastet. George W. Bush, Dick Cheney und Donald Rumsfeld, die CIA-Diraktoren und zuständigen Generäle können sich zurücklehnen und sicher sein, dass weite Teile der Bevölkerung den Wikileaks-Köder angebissen haben und praktisch jeden anderen für die militärische und menschliche Misere verantwortlich machen als diejenigen, die alles orchestriert hatten: Osama Bin Laden, Hamid Gul und die Taliban würden von Pakistan aus den Erfolg verhindern, Sektierer im Irak destabilsieren die Lage und richten die Blutbäder an und der Iran ist sowieso an allem Schuld. Das dritte Teilziel das Wikileaks zugeschrieben wird, das Beenden von  Kriegen und die Verhinderung von neuem Blutvergießen, hat man ebenso nicht nur verfehlt, sondern auch hier ist der gegenteilige Effekt eingetreten.

Wenn wir in primitivem Militärjargon einen bildhaften Vergleich ziehen wollen von dem was in den letzten Monaten vorgefallen ist, würde dies ungefähr so aussehen: Julian Assange geht einen Pakt ein mit Mächten die – wie sehr leicht herauszufinden ist – dem Feind seit langem angehören und greift mit jenen zusammen den Feind genau dort an, wo er ziemlich gut aufgestellt ist. Er verbläst erhebliche Ressourcen ohne großen Effekt und der Feind kann seinerseits dank dieser Attacke mehr Ressourcen mobilisieren für alle möglichen Gegenangriffe. Julian Assange und seine dünner werdende Unterstützergemeinde feiern dennoch einen grandiosen Sieg. König Pyrrhus von Epirus (319/318–272 v. Chr.) soll nach seinem Sieg über die Römer in der Schlacht bei Asculum (Süditalien) 279 v. Chr. einem Vertrauten gesagt haben: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“

Assange versucht sich pausenlos zu immunisieren gegen jedwede Kritik mit dem Sätzchen, man dürfe nicht den Überbringer einer Botschaft attackieren. Assange ist jedoch weitaus mehr als ein Postbote und seine Handlungen und Entscheidungen sind natürlich genauso offen für Kritik wie die von jedem anderen Menschen. Wenn es ihm nützt, distanziert er sich von den Daten die er nicht einmal selbst beschafft und mit viel PR-Fanfare an die Massenmedien weitergeleitet hat. Wenn es aber um vermeintlich positive Effekte der Veröffentlichungen geht, dann badet Assange im Glanz, er wird eins mit dem Material, mit der Wahrheit selbst und schwebt in ätherischen Sphären des Heldentums. Machen wir uns nichts vor, wenn Assange atemlos verkünden lässt, das Datenmaterial würde „eine Neue Welt schaffen“ und die „Geschichte der Welt neu definieren“, dann meint er damit eigentlich: „ICH werde die Geschichte und die Welt verändern.“

AlexBenesch
AlexBenesch
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