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Report: Mit welcher Technologie wir die Massenmedien ablösen können

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Wir experimentierten in den letzten Wochen mit verschiedenen Sende-Formaten im Rahmen unseres schmalen Budgets um die Stärken und Schwächen von Software und Hardware auszutesten; die Kernfrage die sich stellt ist welche Technologien den unabhängigen Medien ausreichende Werkzeuge in die Hände geben um Inhalte ausreichend zu dokumentieren. Beinahe jede Technologie wirbt mit vergleichbaren Versprechungen von wahren Wundern die für ein Kleingeld möglich sein sollen und der Medienschaffende muss erst ausloten, was in der Realität welche Performance für welchen Preis bietet.

„Talk Radio“ ist wohl unschlagbar im Bezug auf das Preis-Leistungsverhältnis und in den USA eines der ältesten Medien in denen man investigativ berichten und politisch kommentieren kann. In Amerika finden sich in zahllosen High-Schools ganze Radiosender mit Studiotechnik, Lokalsender gibt es wie Sand am Meer und oft muss man sich dort nur anmelden und schon ist man auf Sendung. Früh übt sich und mit den entsprechenden Geräten kann man sein Signal – falls die Popularität ausreicht – an eine Zentrale schicken die es dann an andere Sender im ganzen Land weiterreicht und über deren Antennen für jeweils 10.000 oder 20.000 oder 50.000 empfangbar macht. Satelliten verteilen u.U. auch an das ganze Land. Ist man gut, stehen einem viele Möglichkeiten offen.  Kontroversen sind zwar einerseits als Faustregel Quotenbringer, aber in der Welt des Radios können sie einen auch schnell begraben. Alex Jones verlor nach 9/11 alle Radiostationen die sein Signal übertrugen bis auf 20. Er gewann den Rest zwar wieder zurück und darüberhinaus einige mehr, trotzdem ist erkennbar wie schwierig es ist investigativ heiße Eisen anzufassen.

In Deutschland gestaltet sich alles erheblich schwieriger. Eine Sendelizenz ist für eigenständige, investigative Medien finanziell und politisch fast unerschwinglich. Das Internet kann hier viel ausgleichen: Junge Medien haben zwar in der Regel kein richtiges Werbebudget sondern bauen auf das Weiterreichen ihrer Sendungen im digitalen Format. Ein Podcast bietet für Anfänger eine gewisse Sicherheit, man kann schließlich Fehler einfach herauseditieren. Der Nachteil: Es fehlt der energetisierende Druck einer Livesendung und es ist äußerst gewöhnungsbedürftig, seinem Mikrofon Monologe zu erzählen. Man braucht nicht nur Sachkenntnisse, sondern auch erhebliche Übung darin, sie adäquat zu vermitteln.  Technische Aspekte sind auch bereits im Amateur-Bereich nicht zu unterschätzen und kosten Zeit und Nerven: Hallt der Raum? Warum übersteuert mein Signal? Was ist ein Multiband-Kompressor und wie funktioniert er?

Ist man irgendwann erfahren genug um ganze Sendungen und Interviews zu schultern, ist man bereit für ein Live-Format. Live-Radio nur über das Internet, ohne terrestrisches bzw. anderweitiges Ausstrahlen erreicht nur einen Bruchteil des Publikums tatsächlich live. Wir testeten Shoutcast und integierten einen zweiten Computer und eine etwas komplexere Verkabelung um stabil in hoher Qualität Skype einzubinden und direkt im Browser Einspieler starten zu können. Bevor das Signal rausging, wurde es noch durch Effekt-Plugins von Universal Audio via PCI Express-Karte aufbereitet, eine hochwertige Signalkette für geringe Kosten. Ein teures Sendeprogramm wie SAM Broadcaster spart man sich dadurch und die Effekte klingen besser. Shoutcast kann zwar keine VST-Plugins einbinden, mit Hilfe von Adobe Audition und weiteren Kabeln findet man jedoch einen Umweg. Alles eigentlich einfache Basiswerkzeuge, in der Realität steht man jedoch vor so einigen technischen Fragen: Ist dieses Ausgabe-Signal symmetrisch oder unsymmetrisch? Akzeptiert mein zweites Audiointerface Signale mit +4 dbU? Woher kommt dieser Brummton von meinem Mixer? Warum gibt es keine brauchbare Anleitung zum Saffire-Mix-Panel vom Hersteller dazu?

Investigative Programme unterscheiden sich erheblich von regulären Sendungen weil man sein Publikum mit Quellen, Audio-Einspielern, Bildern und Videos überzeugen will. Was liegt näher, als live Video zu streamen? Bei Streaming Video fallen eigentlich horrende Kosten an, es sei denn man greift auf werbefinanzierte Angebote meist amerikanischer Anbieter zurück. Wir testeten die Basis-Produktionssoftware von Anbietern wie UStream und fanden dass der Bedienungsumfang und die Funktionalität von Features weder überzeugend noch zuverlässig sind. Für ein paar Hundert Dollar erhält man eine angeblich professionelle Version, die es z.B. dem geneigten Hobby-Video-Blogger mit 50 Zuschauern theoretisch ermöglicht, eine zweite Kamera anzuschließen, was in der Praxis sich jedoch schwierig gestaltet. Eine USB-Kamera ist schnell angeschlossen, aber ein via Firewire verbundenes Gerät hat technisch bedingt immer eine erhebliche Audioverzögerung. Hat man eine AVCHD-Kamera bekommt man meist überhaupt gar kein Live-Ausgangssignal. Kann man ein Mikro überhaupt an die Kamera anschließen die man besitzt? Kann man eine Verzögerung einstellen sodass man sich nicht in seinen Kopfhörern verzögert selbst hört? Sind Bild und Ton überhaupt synchron? Reicht ein analoges Component-Signal in D3- Highdef und 4:2:2 Kompression aus damit Chroma-Keying möglich ist? Welche Capture-Karte braucht man damit der PC das Signal empfängt? Bis man Antworten auf diese Fragen hat, ziehen schon mal Tage ins Land, schließlich kann man sich nicht exklusiv damit beschäftigen.

Was liegt also näher, als sich bei anderen Software-Anbietern umzusehen? „Wirecast“ mit allen Features (i.e. Basiskrempel wie eine Kompensation für Audioverzögerung bei Firewire-Kameras) liefert für schlappe 1000 € ein unverständliches Layout und eine fragwürdige Performance. Wer 1000 €  für Software ausgibt die geradeeinmal ein digitales Videosignal via Firewire mischen kann mit Bildern und Einspielern, hat wohl seinen Kopf nicht richtig herum angeschraubt. „Vidblaster“ für den gleichen Preis schaffte es im Test, die wohl schlechteste Bildqualität aus einer qualitativ hochwertigen Kamera zu rendern. Wenn eine HDV-Kamera mit großem Linsendurchmesser aussieht wie eine alte Webcam, dann ist auch die Bedienung der Software mit ihrem Videoswitcher wertlos. Am schlimmsten war wohl die st-t-t-stotternde Performance auf einem Core i7-System dessen Prozessor normalerweise 6 Layer HD-Video mit Effekten flüssig verarbeiten kann. Nein danke. Eine bis drei Preisklassen höher finden wir Hardware/Software-Lösungen von Digital Rapids oder Osprey; die laufen zwar stabil, wirken aber für ihre Funktionen überteuert. Darüber thront der Tricaster von Newtek, ein komplettes Live-Produktionsstudio in einer Box das Dinge ermöglicht die vor Jahren noch hunderttausende Euros gekostet hätten. Preis: Etwa 10.000 Euro.

Schlussendlich besannen wir uns auf eine Videosendung die sich gleichzeitig als Audio-Podcast eignet und am flexibelsten handzuhaben ist. Weiterer Vorteil: Man kann Themen straffen und in kürzerer Zeit besser berichten. Das beste Preis-Leistungsverhältnis bot für uns ein virtuelles Studio, die notwendige Beleuchtung und entsprechende Software sind bereits vorhanden und lassen sich auch für andere Zwecke nutzen.

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass Technologie zwar immer billiger und leistungsfähiger wird, wirklich nutzbare Angebote jedoch immer noch erhebliche Investitionen sind. Bis man einen verlässlichen Workflow (bitte entschuldigen sie das viele Denglisch) und die Kenntnisse und Fähigkeiten beisammen hat, vergeht einiges an Zeit. In den alternativen Medien ist es üblich, mehrere Jobs auf einmal zu übernehmen, nur so kann man sicherstellen dass investiagtive Berichterstatter und Historiker sich aus der Abhängigkeit von den Massenmedien lösen können.

AlexBenesch
AlexBenesch
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